Aufforstung für nachhaltige Entwicklung

Wissenschaftler fordern strenge Kriterien bei der Anerkennung von Aufforstungsprojekten für den Klimaschutz

6. Juni 2003

Eine neue wissenschaftliche Studie zur Bewertung von Aufforstungsprojekten in den Tropen, an der das Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena, und das Hamburger Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) beteiligt waren, wird am Freitag, 6. Juni 2003, bei der 18. Konferenz von Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Bonn vorgestellt. Die Studie unterstützt die Position der Europäischen Gemeinschaft zu Aufforstungsprojekten in tropischen Entwicklungsländern und fordert strenge Kriterien anzulegen, bevor diese Projekte als Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen des Kyoto-Protokolls anerkannt werden. Zudem drängen die Wissenschaftler auf eine genaue Überwachung der ökologischen und sozialen Integrität derartiger Projekte und zeigen dafür geeignete technische Möglichkeiten auf.

Das Kyoto-Protokoll erlaubt Industrieländern, einen Teil ihrer Kohlendioxid-Emissionen durch die Anlage von Aufforstungen in Entwicklungsländern zu mindern. Auf diese Weise soll das Kohlendioxid (CO2), das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Industrieländern in die Atmosphäre gelangt, von neu gepflanzten Wäldern in den Tropen wieder aufgenommen werden. Die 18. Konferenz der Subsidiary Bodies der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (SB 18) verhandelt jetzt in Bonn über Regelungen und Modalitäten, welche Aufforstungs-Projekte im Rahmen des Kyoto-Protokolls anerkannt werden.

Im Rahmen des europäischen Forschungsverbunds CarboEurope hat dazu ein interdisziplinäres Forscherteam (Leitung: Prof. John Grace, Universität Edinburgh) aus 13 Instituten in fünf europäischen Ländern die Vorschläge für diese Verhandlungen daraufhin analysiert, ob sie den Zielen des Mechanismus für Saubere Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) unter dem Kyoto-Protokoll entsprechen. Demnach müssen Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern gleichzeitig auch die Erhaltung der Biodiversität und eine nachhaltige Entwicklung unterstützen. Die Ergebnisse der neuen Studie bestärken die Verhandlungsposition der Europäischen Gemeinschaft (FCCC/SBSTA/2003/Misc.5), die die ökologische und soziale Integrität als ein wichtiges Kriterium der Aufforstungsprojekte hervorhebt.

Konkret zeigt die Studie, wie die Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Projekten sichergestellt werden kann. CDM-Projekte bieten dafür zwei Ansatzpunkte:

1) Zulassung des Projektes als Klimaschutzmaßnahme unter dem Kyoto-Protokoll,

2) Ausstellung von Emissionsminderungs-Zertifikaten.

Voraussetzung der Zulassung ist eine Begutachtung des Projektplans. Doch dafür gibt es bislang keine eindeutigen Richtlinien. Die neue Studie stellt erstmals einen einheitlichen, transparenten Rahmen für die Evaluierung von Projektplänen vor, der auf alle denkbaren Typen von Aufforstungsprojekten anwendbar ist: Kommerzielle Plantagen, Wiederherstellung degradierter Wälder oder Agroforstprojekte. Die Wissenschaftler schlagen dazu einen Kriterienkatalog mit Ja/Nein-Entscheidungen und einem Punktsystem vor. Diese sollen es zusammen ermöglichen, Mindestanforderungen für Projekte sicherzustellen und einzelne Projekte unter bestimmten Bedingungen auch auszuschließen. Die Kriterien richten sich nach den rechtlichen Bedingungen des Kyoto-Protokolls, aber auch nach den Auswirkungen auf die Biodiversität und andere Umwelteffekte, nach der Einbindung der lokalen Bevölkerung ins Projekt und dem Nutzen für die lokale nachhaltige Entwicklung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass der rechtliche, organisatorische und ökologische Rahmen eines Aufforstungsprojekts wesentlich über seinen langfristigen Nutzen für Klima, Umwelt und die lokale Bevölkerung entscheidet.

Alle CDM-Projekte werden zentral von einer Exekutivbehörde (CDM Executive Board) beim Klimasekretariat in Bonn zugelassen und registriert. Die Exekutivbehörde stellt den Projektbetreibern Emissionsminderungs-Zertifikate aus, die dann von Industrieländern gekauft werden können, um ihre Verpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll einzuhalten. Die Ausgabe von Emissionsminderungs-Zertifikaten, so die Empfehlung der Forscher, sollte an strenge Mindestanforderungen für die Dokumentation und Überwachung des Projektes gekoppelt werden. Dazu liefern sie praktische Vorschläge für die Umsetzung eines angemessenen Monitoring mit Hilfe von Fernerkundung, Messungen der Kohlenstoffspeicherung und der Emission von Treibhausgasen auf Projektebene sowie Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung.

Damit liefert die neue Studie die wissenschaftliche und technische Grundlage, auf der ganz im Sinne der europäischen Verhandlungsposition - die Integrität des Kyoto-Protokolls gewahrt werden kann.

Autoren der Studie sind:
John Grace, Universität Edinburgh, Großbritannien;
Annette Freibauer, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena;
Rosemarie Benndorf, Umweltbundesamt, Berlin;
Rebecca Carr, The Edinburgh Centre for Carbon Management, Edinburgh, Großbritannien;
Michael Dutschke , Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv, Hamburg;
Sandro Federici, Erminia Sezzi und Riccardo Valentini, Universität Tuscia, Viterbo, Italien;
Bart Kruijt, ALTERRA, Wageningen, Niederlande;
Danilo Mollicone, Global Vegetation Monitoring Unit, EC Joint Research Centre, Ispra, Italien;
Maria J. Sanz, Fundación CEAM, Valencia, Spanien;
Bernhard Schlamadinger, Joanneum Research, Graz, Österreich;
Maarten Waterloo, Vrije Universiteit, Amsterdam, Niederlande;
Jan Verhagen, Plant Research International, Wageningen, Niederlande;
Bram van Putten, Wageningen University and Research Centre, Wageningen, Niederlande.

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