Ethik setzt der Forschung Grenzen

Hinweise und Regeln zum verantwortlichen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken

Transparenz, freier Informationsaustausch und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Grundlagenforschung. Doch gehen damit auch Risiken einher: Ob Materialwissenschaften und Nanotechnologie, deren Ergebnisse auch der Entwicklung von Angriffswaffen dienen können, die Erforschung von Krankheitserregern, die auch für Biowaffen oder zu terroristischen Anschlägen verwendet werden könnten, oder Psychologie, Medizin und Neurobiologie, deren Erkenntnisse auch bei aggressiven Verhörtechniken und Folter Anwendung finden könnten – für sich genommen neutrale oder nützliche Forschungsergebnisse können zu schädlichen oder gar grauenhaften Zwecken missbraucht werden.

 Gerade in der Grundlagenforschung, deren Resultate oft nicht vorhersehbar sind und deren Ergebnisse daher nicht per se gut oder schlecht sein können, müssen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ein besonderes Augenmerk auf diese „Dual Use“-Problematik haben. Sie dürfen sich nicht mit der Einhaltung gesetzlicher Regeln begnügen, sondern müssen weitergehende ethische Grundsätze berücksichtigen.

 Jeder Forscher sollte sein Wissen, seine Erfahrung und seine Fähigkeiten einsetzen, um mögliche, in seiner Forschungstätigkeit liegende Risiken einer Schädigung von Mensch und Umwelt zu erkennen und in Abwägung von Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken eine verantwortungsvolle persönliche Entscheidung über die Grenzen seiner Arbeit zu treffen.

 Die neuen „Hinweise und Regeln zum verantwortlichen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken“, die am 19. März 2010 vom Senat der Max-Planck-Gesellschaft beschlossen wurden, stellen hierfür erstmals in Deutschland ein strukturiertes Verfahren zur Verfügung. Sie ergänzen die bereits bestehenden „Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ und geben Leitlinien vor, die es dem einzelnen Wissenschaftler ermöglichen, ethische Fragen im Zweifel besser zu lösen. Im Weg der Selbstregulierung sollen sie so Missbrauch in der Forschung verhindern und Risiken vermindern. Primäres Ziel ist eine verantwortliche Durchführung und Kommunikation der Forschung; gegebenenfalls kann jedoch der Verzicht auf nicht verantwortbare Forschung die ultima ratio sein – selbst wenn dem betreffenden Forschungsvorhaben kein gesetzliches Verbot entgegensteht.

 Mit den neu geschaffenen Regeln zieht die Max-Planck-Gesellschaft bewusst die Lehren aus der Forschung ihrer Vorgängerorganisation, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die sich vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus über ethische Grenzen hinweg gesetzt hatte. Die Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ist für die Max-Planck-Gesellschaft ein besonderes Vermächtnis, den potenziellen Missbrauch von Forschungsergebnissen rechtzeitig zu bedenken und ihm so wirksam wie möglich zu begegnen.

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