Physik im Wandel
Ende des 19. Jahrhunderts scheint die Welt der Physik auf festen Grundlagen zu stehen. Sie ist vor allem durch die Mechanik geprägt. Daneben gewinnen Elektrodynamik und Thermodynamik an Bedeutung. Zwischen diesen Teilbereichen entstehen Grenzprobleme wie das Problem der Wärmestrahlung, für die keine schlüssigen Antworten gefunden werden können.
Aus der experimentellen Untersuchung solcher Probleme erwachsen Herausforderungen für die theoretische Physik, das noch junge Arbeitsgebiet Max Plancks.
Lassen sich die neuen Experimente zu Wärme- und Strahlungserscheinungen noch auf der Grundlage der Mechanik erklären – etwa mithilfe der Atomhypothese oder der eines alles durchdringenden Äthers? Die scheinbar so wohlgeordnete Welt der Physik gerät aus den Fugen.
Die Elektrodynamik
Im 19. Jahrhundert versuchen zahlreiche Physiker, die Phänomene von Elektrizität und Magnetismus auf der Basis der klassischen Mechanik zu erklären. Für diese Phänomene formuliert James C. Maxwell um 1870 seine Elektrodynamik, die auf der Vorstellung von Feldern und Wellen aufbaut. Heinrich Hertz kann 1886 die von der Elektrodynamik vorausgesagten elektromagnetischen Wellen experimentell nachweisen. Zunächst wird versucht, die Elektrodynamik aus der Mechanik zu begründen. Da dies nicht gelingt, wird nun die Elektrodynamik selbst von manchen Physikern als die Grundlage aller physikalischen Vorgänge betrachtet.
Was ist Licht?
Gibt es Lichtteilchen oder besteht Licht aus Wellen ähnlich den Schallwellen? Isaac Newton (1643 – 1727) hatte angenommen, dass Licht aus Teilchen besteht, die mechanischen Gesetzen unterworfen sind. Im 19. Jahrhundert setzt sich die Auffassung durch, dass Licht ein Wellenphänomen ist, da sich Phänomene wie Lichtbeugung so plausibler erklären lassen. Die Erklärung von Licht als elektromagnetischer Welle bestätigt diese Sichtweise.
Doch Experimente wie der lichtelektrische Effekt oder das Michelson-Morley-Experiment sind mit dieser Beschreibung nur schwer in Einklang zu bringen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird Albert Einstein den lichtelektrischen Effekt als Indiz für eine radikale Umdeutung der Planck’schen Quantenhypothese verstehen. Er fordert eine Quantentheorie des Lichts, die sowohl Teilchen- als auch Wellennatur umfasst.
Braucht Licht den Äther?
Schallwellen breiten sich in Luft aus, Wasserwellen in Wasser. Doch worin bewegen sich Lichtwellen fort? Lange Zeit heißt die Antwort: im Äther. Ein Medium wie Luft oder Wasser soll die Lichtwellen tragen. Zunächst wird der Äther als mechanische Substanz verstanden, doch bald wird klar, dass er sich wesentlich von solchen Substanzen unterscheidet. Ein entscheidendes Problem wird die Frage: Bewegt sich der Äther mit der Erde mit, oder ruht er im Weltraum und die Erde bewegt sich durch ihn hindurch? Physikalische Erwägungen machen die Vorstellung des mitbewegten Äthers problematisch. 1887 versuchen Michelson und Morley, den „Ätherwind“ direkt zu messen, der bei der Bewegung der Erde durch einen statischen Äther entstehen müsste. Sie können keinen Ätherwind nachweisen, was zu einer weiteren Schwächung der Äthertheorie führt.
Konstant schnell
Albert Einstein baut seine Spezielle Relativitätstheorie von 1905 auf dem expliziten Postulat auf, dass die Gesetze der Elektrodynamik für alle die Systeme die gleichen sind, die sich mit konstanten Geschwindigkeiten gegeneinander bewegen (Relativitätsprinzip). Daraus folgt, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Richtungen gleich ist, auch dann, wenn sich ein System (wie die Erde) durch den Kosmos bewegt. So erklärt sich das negative Resultat von Michelson und Morley. Planck erkennt als einer der Ersten die grundsätzliche Bedeutung von Einsteins Spezieller Relativitätstheorie und wird zu einem wichtigen Förderer des jungen Einstein.
Die Atomistik
In der Naturwissenschaft versteht man unter Atomistik die Annahme, dass die Materie aus kleinsten Bausteinen aufgebaut ist. Das atomistische Weltbild hat seinen Ursprung in der antiken Naturphilosophie. Versuche, den Ablauf chemischer Reaktionen zu verstehen und das Wärmeverhalten von Gasen durch die Bewegung kleinster Teilchen zu erklären, werfen Mitte des 19. Jahrhunderts die Frage auf, ob Atome empirisch nachweisbar sind.
Planck tendiert zunächst zu der Auffassung, dass es keine Atome geben kann, während Boltzmann oder Maxwell überzeugte Atomisten sind.
Erst um 1900 führen Untersuchungen an verdünnten Gasen, die die Entdeckung der Kathodenstrahlen, der Röntgenstrahlen und des Elektrons möglich machen, sowie Studien der Brownschen Molekularbewegung zum Nachweis der Existenz von Atomen.
Die Entdeckung der Radioaktivität
Auf der Januarsitzung 1896 der Pariser Akademie spricht Henri Poincaré (1854 – 1912) über die Entdeckung der X-Strahlen. Antoine Henri Becquerel sucht daraufhin nach einem Zusammenhang zu Fluoreszenzerscheinungen bei Kristallen. Dabei entdeckt er, dass von bestimmten Uransalzen eine eigenständige Strahlung ausgeht, die einige Unterschiede zu den X-Strahlen aufweist: die Becquerel-Strahlung. Nach heutiger Sicht resultiert sie aus dem Zerfall von Atomen.
Im Frühjahr 1898 findet Marie Curie in Paris ein weiteres Element, das Becquerel-Strahlen emittiert – das Thorium. Damit gewinnt die Erforschung der Becquerel-Strahlen breiteres Interesse. Marie Curie entdeckt in der Folge gemeinsam mit ihrem Ehemann Pierre Curie die radioaktiven Elemente Polonium und Radium und prägt den Begriff „Radioaktivität“.
Die Thermodynamik
Die Thermodynamik, ein Gebiet auf dem Max Planck zeitlebens tätig ist, beschäftigt sich mit Wärme als einer Form von Energie und mit den Bedingungen, unter denen es möglich ist, Wärme in andere Formen von Energie, wie z.B. mechanische Arbeit, umzuwandeln.
Die Thermodynamik etabliert sich im Laufe des 19. Jahrhunderts. Zu ihrer Entstehung tragen wichtige Erkenntnisse bei, die sich aus dem Versuch ergeben, Dampfmaschinen effektiver zu konstruieren. Die Bedeutung dieser Disziplin liegt daher auch in ihrem praktischen Nutzen für die aufstrebende Industrie. Hermann von Helmholtz, Gustav Kirchhoff, Rudolf Clausius und Ludwig Boltzmann formen diese Erkenntnisse zu einer theoretischen Disziplin, für die sich Planck schon früh begeistert.
Was ist Entropie?
Die Entropie bestimmt den Anteil an nicht mehr nutzbarer Energie eines Systems und wird später als Maß für die Unordnung interpretiert. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Entropie eines abgeschlossenen Systems nie abnehmen kann. Daraus folgt z.B., dass Temperaturunterschiede sich mit der Zeit ausgleichen und dieser Vorgang ohne äußere Einwirkung unumkehrbar ist.
Planck beschäftigt sich 1879 in seiner Doktorarbeit mit der Erweiterung des Entropiebegriffs. Die Deutung des Zweiten Hauptsatzes ist am Ende des 19. Jahrhunderts umstritten. Boltzmann sieht ihn als Ausdruck des statistischen Verhaltens einer großen Anzahl von Teilchen. Dieses Gesetz kann nach Boltzmann in seltenen Fällen auch verletzt sein, während Planck davon überzeugt ist, dass es wie die Gesetze der Mechanik absolut gültig ist.