Wenn Zebrafische denken

Dank neuartiger Mikroskope können Forschende die Gehirnaktivität der Tiere ohne chirurgische Eingriffe aufzeichnen

20. April 2022

Mit ausgefeilter Mikroskoptechnik können Forschende die Gehirnaktivität von Zebrafischen aufzuzeichnen, während diese sich in naturnaher Umgebung frei bewegen. Jennifer Li und Drew Robson vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen entwickeln diese Methoden weiter. Sie wollen damit die Mechanismen erforschen, die den internen Zuständen des Gehirns zugrundeliegen. Dank ihrer Erkenntnisse lassen sich Erkrankungen wie ADHS oder Depression besser verstehen.

Zebrafische zählen heute zu den wichtigsten Labortieren. Sie lassen sich nicht nur gut halten und zu züchten, sondern eignen sich auch, um vielerlei biologische Fragestellungen zu beantworten. Forschende können ihnen beim Denken zusehen, indem sie das Aufleuchten einzelner Gehirnzellen beobachten und aufnehmen.

Alle Zebrafische sind im Larvenstadium vollkommen transparent, und unter bestimmten Bedingungen bleiben sie auch im Erwachsenenalter durchsichtig. Dadurch kann man die gerade aktiven Nervenzellen unter dem Mikroskop fluoreszieren lassen – und das ohne chirurgische Eingriffe.

Gehirnaktivität in naturnaher Umgebung beobachten

Jennifer Li und Drew Robson von der Forschungsgruppe „Neuroscience and Neuroengineering“ entwickeln diese Methoden weiter.  “Die meisten bisherigen Bildgebungsverfahren erfordern, dass der Fisch unter dem Mikroskop fixiert ist”, erklärt Jennifer Li. „So kann man aber bestimmte Verhaltensweisen gar nicht erst beobachten.“

Daher entwickelt das Team um Li und Robson spezielle Tracking-Mikroskope, mit denen man den Bewegungen der Tiere folgen kann: Die Fische schwimmen ungestört in einer naturnahen Umgebung umher, während ihre Gehirnaktivität aufgezeichnet wird.  So können die Forschenden eine große Bandbreite an natürlichen Verhaltensweisen beobachten, die anders nicht erfassbar wären: zum Beispiel wie die Zebrabärblinge sich in ihrer räumlichen Umgebung orientieren und bewegen, wie sie auf Belohnungen reagieren, sowie ihr Sozial- und Fressverhalten.

Ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis von ADHS und Depression

Auf diese Weise will das Team um Li und Robson die neuronalen Mechanismen besser verstehen, die den internen Zuständen des Gehirns zugrundeliegen. Solche internen Zustände sind zum Beispiel Aufmerksamkeit und Motivation. „Jedes Tier muss Wege finden, verschiedene Ziele miteinander zu vereinbaren“, erläutert Drew Robson. „Unsere Zebrafische müssen zwischen Futtersuche, Flucht vor Raubtieren und Erkundung der Umgebung flexibel wechseln können.” Die Forschenden untersuchen, wann, wie und unter welchen Umständen die Tiere von einem Zustand in einen anderen wechseln, und welchen Einfluss die internen Zustände auf Wahrnehmung und Entscheidungsfindung haben.

Solche neuronalen Mechanismen der internen Zustandsdynamik besser zu verstehen heißt letztlich auch, auf dem Weg zu einem besseren Verständnis ihrer Fehlregulation bei Erkrankungen wie ADHS oder Depression einen wichtigen Schritt weiterzukommen.

 

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