Mit Gammastrahlung zu Mesokristallen
Die geordneten Strukturen von Perlmutt oder Seeigelstacheln wachsen anfangs in dem ungeordneten Ausgangsmaterial
Mit gezielter Gammastrahlung haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung das Auftreten und die spezifische Rolle von Nanopartikeln bei der Bildung von Mesokristallen aufgedeckt. Damit liefern sie entscheidende Erkenntnisse für die Entwicklung und das Design neuer mesokristalliner Materialien.
Wäre es nicht praktisch, wenn sich die Ziegel eines Hauses von allein zusammensetzen würden? In der Natur geschieht dies schon seit Millionen von Jahren in Form von Mesokristallen. Diese faszinierenden Materialien verbinden nanostrukturelle Merkmale mit dem Aussehen großer Kristalle, weil sich ihre nanometergroßen Teilchen selbst zu einer einkristallinen Ordnung organisieren. Nach diesem Prinzip sind evolutionär optimierte Strukturen mit hervorragenden mechanischen Eigenschaften entstanden, wie zum Beispiel bei Perlmutt, Eierschalen, Seeigelstacheln und das Hartgewebe unserer Knochen. Die Entwicklung synthetischer Mesokristalle für verschiedene Anwendungen erfordert ein detailliertes Verständnis der Mechanismen, die ihrer Bildung zugrunde liegen. Dies ist jedoch kompliziert, da sich Mesokristalle im Anfangsstadium im Bereich weniger Nanometer bewegen bis hin zu ihrer endgültigen Größe, die mit dem bloßen Auge erkennbar sein kann. „Normalerweise werden chemische Zusatzstoffe verwendet, die die Ausrichtung der Nanopartikel erleichtern. Allerdings verdecken sie die anfänglichen Wachstumsstadien der Mesokristalle“, sagt Nadja Tarakina, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.
Forschenden des Max-Planck-Instituts und der Königlichen Technischen Hochschul in Schweden ist es nun gelungen Mesokristalle zu synthetisieren, indem sie in Wasser gelöstes Cer-Salz Gammastrahlen ausgesetzt haben. „Dieser einfache Aufbau half uns, das Wachstum genauer zu kontrollieren und den Einsatz von Chemikalien zu minimieren, was die Beobachtung der Anfangsstadien des Mesokristallwachstums ermöglichte", sagt Diana Piankova, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Die Forschenden fanden heraus, dass in diesen frühen Stadien Phasen ohne kristalline Ordnung auftreten und erst dann die Keimbildung von Primärpartikeln innerhalb dieser nichtkristallinen Matrix stattfindet. In Analogie zum Bau eines Hauses spielen diese amorphen Phasen die Rolle des Zements, der die ausgerichteten Ziegelsteine in den Wänden miteinander verbindet. Im Falle der Mesokristalle ist die nichtkristalline Matrix jedoch auch der Lieferant der Ionen, die das Wachstum der Teilchen (Hausziegel) selbst erst ermöglichen. Diese aus Nanopartikeln aufgebauten Mesokristalle können sich nach dem Trocknen noch weiter selbst anordnen und Suprakristalle bilden, die mit bloßem Auge sichtbar sind. Auf die gleiche Weise wie ein Architekt ein Stadtviertel gestaltet und die Häuser so ausrichtet, dass sie den spezifischen Bedürfnissen ihrer Bewohner dienen, so ist auch diese mehrstufige hierarchische Architektur von Supramesokristallen ein faszinierendes Konzept für das zukünftige Materialdesign.