„Dafür muss man in Afrika vor Ort sein“

Rückblick auf eine der ersten Max-Planck-Forschungsgruppen in Afrika 

2012 hat die Max-Planck-Gesellschaft Neuland betreten und erstmals Forschungsgruppen in Afrika eingerichtet. Hintergrund war, dass zwei der gefährlichsten Infektionen, HIV und Tuberkulose (TB), in Südafrika und anderen Ländern Afrikas eine fatale Liaison eingegangen sind: Durch die Schwächung ihres Immunsystems sind HIV-Patienten besonders anfällig gegenüber den Tuberkulose-Erregern. Der ehemalige Max-Planck-Forschungsgruppenleiter Thumbi Ndung'u spricht im Interview über seine Wissenschaft, den Aufbau von Forschungskapazitäten in Afrika, deren Auswirkungen auf das öffentliche Gesundheitswesen, und warum all das von einem Max-Planck-Institut in Deutschland aus nicht möglich gewesen wäre. 

Professor Thumbi Ndung'u, Sie haben eine der 2012 von der MPG eingerichteten Forschungsgruppen in Afrika geleitet und Grundlagenforschung zu HIV und Tuberkulose betrieben. Was haben Sie in den letzten Jahren erreicht? 

Thumbi Ndung'u: Dank der gesicherten Finanzierung durch die Max-Planck-Gesellschaft konnten wir in den letzten neun Jahren erhebliche Fortschritte beim Verständnis der Natur der HI-Viren machen, die bei der aktuellen HIV-Epidemie übertragen werden. Heute wissen wir mehr darüber, wie diese Viren funktionieren und wie das Immunsystem unmittelbar nach einer HIV-Infektion reagiert. Dies ist sowohl für die Prävention als auch für die Behandlung von HIV notwendig, insbesondere für Maßnahmen zur HIV-Heilung. Unsere Arbeit hat das Verständnis dafür gefördert, wie HIV durch die Nutzung des Immunsystems verhindert oder geheilt werden kann. Darüber hinaus war ich an Studien zur HIV-Tuberkulose-Koinfektion beteiligt, in denen untersucht wurde, wie HIV die Immunantwort auf Tuberkulose (TB) beeinflusst. Auch dieser Bereich meiner Forschung hat stark von der Unterstützung durch Max-Planck profitiert. 

Obwohl Sie Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin waren, haben Sie in Durban in Südafrika in unmittelbarer Nähe zu den großen Infektionszentren gearbeitet. Warum? 

Der größte Teil meiner Arbeit basiert darauf, von den Patientinnen und Patienten zu lernen. In Südafrika sind Tausende von Menschen sowohl mit HIV als auch mit TB infiziert. Um Zugang zu Blut- und Gewebeproben dieser Patienten zu erhalten, muss ich vor Ort sein. Da es bei meiner Arbeit um den Aufbau von Patientenkohorten geht, die über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt werden können, muss dies in Südafrika geschehen. Es ist viel einfacher, inmitten der betroffenen Bevölkerung zu arbeiten, dort Patienten zu rekrutieren, sie zu beobachten, eine Beziehung zu diesen Patienten aufzubauen und zu versuchen, ihnen zu helfen. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Forschung vor Ort in Südafrika ist, dass wir dort Kapazitäten für HIV und TB aufbauen müssen. Afrika hat zwar eine hohe Krankheitslast, aber es fehlt an wissenschaftlichen Kapazitäten! Die Finanzierung durch Max-Planck hat es mir ermöglicht, mehr Kapazitäten für die HIV- und TB-Forschung vor Ort in Afrika aufzubauen. Dieser Teil meiner Arbeit hätte nicht durch jemanden in Berlin geleistet werden können. Dafür muss man vor Ort sein. 

Ein wichtiges Kriterium war, dass Sie auch in Durban exzellente Arbeitsbedingungen haben.

Ja, als wir die Max-Planck-Stipendien bekamen, waren wir an zwei starke lokale Institutionen angeschlossen: das Africa Health Research Institute und die Universität von KwaZulu-Natal. Da ich bei ihnen untergebracht war, hatte ich die notwendige Unterstützung. So konnten wir Längsschnittstudien entwickeln und hatten die Infrastruktur, um die Erkenntnisse zu gewinnen, über die wir jetzt sprechen. Ich konnte meine Patientinnen und Patienten sogar regelmäßig besuchen. Die Klinik befindet sich in unserer Nachbarschaft. 

Was treibt Sie an in Ihrer Forschung? Was sind Ihre Ziele?

Ich möchte das öffentliche Gesundheitswesen in Afrika verbessern. Es geht schließlich um die Menschen und ihr Wohl. Sie sind am wichtigsten und der Grund, warum wir unsere Arbeit tun. HIV hat enorme soziale und wirtschaftliche Auswirkungen in Afrika, und ich möchte, dass sich die Situation verbessert. Ich strebe die Entwicklung eines Impfstoffs an, um neue HIV-Infektionen zu verhindern. Ein weiteres Ziel, das mich antreibt, ist, dass ich mir herausragende Forschungsergebnisse aus Afrika wünsche. Bis jetzt war Afrika eher ein Empfänger von Forschung. Wir hören nicht von großen wissenschaftlichen Entdeckungen oder von Medikamenten oder Impfstoffen, die in Afrika entwickelt werden. Und das finde ich sehr schade. Das müssen wir ändern. 

Sie selbst kommen aus Kenia. Wie sind Sie zum ersten Mal mit der Max-Planck-Gesellschaft in Kontakt gekommen? 

Ich habe in den USA an der Harvard University promoviert und bin dann zurück nach Botswana gegangen, wo ich in einem neu eingerichteten Labor gearbeitet habe. Danach habe ich eine außerordentliche Professur an der Universität von KwaZulu-Natal in Südafrika übernommen. Zur gleichen Zeit wurde mir eine Forschungsstelle am neu gegründeten KwaZulu-Natal Research Institute für TB und HIV angeboten. Zu diesem Zeitpunkt meldete sich Stefan Kaufmann, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie, und schlug vor, zwei Max-Planck-Stipendien an dem neuen Forschungsinstitut einzurichten. Ich habe mich beworben und eines der Stipendien erhalten. 

Was konnten Sie als Max-Planck-Forschungsgruppenleiter erreichen, was Sie sonst wahrscheinlich nicht erreicht hätten? 

Ohne die Förderung von Max-Planck hätten wir die oben genannten Studien wahrscheinlich nicht durchführen können. Die garantierte, langfristige Förderung durch Max-Planck hat mir die Möglichkeit gegeben, mich mit dieser Art von wissenschaftlicher Forschung zu beschäftigen. Außerdem hat mir das Prestige der weltweit bekannten Max-Planck-Gesellschaft geholfen, ein internationales Profil zu gewinnen. Sie war eine Plattform, um zusätzliche Mittel und sehr begabte Studierende zu gewinnen. 

Wie geht es nun weiter? 
Ich werde hier weitermachen. Ich bin jetzt Direktor für Grundlagen- und translationale Wissenschaft am Africa Health Research Institute und Professor und nicht-klinischer Lehrstuhlinhaber für Infektionskrankheiten am University College London. Was meine Forschung betrifft, so werden wir jetzt eine Heilungsmethode an Patienten testen, bei denen wir eine akute HIV-Infektion festgestellt und die wir frühzeitig behandelt haben. Wir versuchen nun, unsere Erkenntnisse in eine Behandlung zu überführen, die den Menschen helfen kann. Die Menschen, die hier leben, vertrauen uns, daher können wir von hier aus sehr viel besser Ergebnisse aus der Grundlagenforschung direkt in konkrete Behandlungen umsetzen. 

Möchten Sie uns einen Wunsch mit auf den Weg geben? 

Ich wünsche mir, dass die Max-Planck-Gesellschaft diese Art von Förderinitiativen in afrikanischen und anderen Ländern mit niedrigem Einkommen fortsetzen und ausweiten kann. Je mehr wir zusammenarbeiten können, desto eher ist es uns möglich, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Wohl der Menschen einzusetzen. Eine stabile Finanzierung über einen längeren Zeitraum, wie wir sie von Max-Planck erhalten haben, ist dafür elementar. Um etwas bewirken zu können, brauchen wir Zeit und eine hinreichend große Zahl von Menschen, die in dieselbe Richtung denken. Die weitere Einrichtung solcher Forschungsgruppen würde dazu beitragen, dass sich die Talente auf dem afrikanischen Kontinent und in anderen einkommensschwachen Ländern endlich entfalten können.

Interview: Myriam Hönig 
 

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