Soziale Netzwerke geben Aufschluss über Dates von Blaumeisen
Individuen, die bereits im Winter zusammen unterwegs sind, haben im Frühjahr eher Nachwuchs miteinander
Viele sozial monogame Vogelarten gehen fremd und zeugen Nachwuchs außerhalb ihrer eigentlichen Paarbeziehung. Bei Blaumeisen zum Beispiel findet sich in über der Hälfte aller Nester wenigstens ein Küken, dessen genetischer Vater nicht der ist, der es aufzieht. Über 15 Prozent aller Nachkommen werden durch einen Seitensprung gezeugt.
Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie haben sich nun angeschaut, ob bei Blaumeisen soziale Verbindungen, die schon vor der Brutzeit geknüpft werden, die Struktur der sozialen Brut- und Fremdgeh-Partnerschaften beeinflussen. Im Winter sind Blaumeisen in größeren Gruppen unterwegs, wo sie bereits künftige Paarungspartner finden könnten.
Die Wissenschaftler*innen erfassten im Winter die sozialen Interaktionen der Vögel während der Nahrungsaufnahme an Futterstellen und der Inspektion von Nistkästen. Dazu installierten sie ein selbst entwickeltes und konstruiertes Beobachtungssystem mit Lesegeräten an 20 Futterautomaten und 277 Nistkästen. Diese erfassten alle sich nähernden Tiere, die zuvor mit einem kleinen Chip markiert wurden, auf dem eine individuelle Kennzahl gespeichert war. Diese „Passiv-Integrated-Transponder“ registrierten das Datum, den Besuchszeitpunkt und die Kennzahl des markierten Vogels. So konnten die Forscher*innen festhalten, wer mit wem wann zusammen ist.
Sie fanden heraus, dass 39 Prozent der Wintervögel des Studiengebiets auch im nächsten Frühjahr brüten. Fast alle Brutpaare im Gebiet setzen sich aus Individuen zusammen, die schon im Winter da waren. Es verpaarten sich vor allem Tiere, die zuvor öfters gemeinsam auf Nahrungssuche waren. Die Analyse des sozialen Netzwerkes zeigt außerdem, dass Tiere, die im Winter eng verbunden sind, auch ihre Nester nah beieinander bauen.
Fremdgehen meist mit dem Nachbarn
“Das Fremdgehen der Blaumeisen könnte einfach das Ergebnis einer zufälligen Begegnung zwischen engen Nachbarn sein, und nicht eine soziale Präferenz für einen bestimmten Paarungspartner“, sagt Kristina Beck, Erstautorin der Studie. Die Daten der Forscher und Forscherinnen zeigen jedoch, dass tatsächlich die enge Bindung die Fortpflanzungsmuster erklärt: Männchen und Weibchen, die im Winter gemeinsam Nahrung suchen und Nistkästen inspizierten, haben dann auch häufiger gemeinsame Kuckuckskinder miteinander in der Brutsaison.
Die Wissenschaftler fanden auch zeitliche Änderungen im sozialen Netzwerk: Soziale Bindungen zwischen künftigen Brutpaaren scheinen sich früher im Winter zu bilden als jene zwischen untreuen Partnern. Bart Kempenaers, der die Studie leitete, sagt: “Wann und wie genau Individuen Paarungsentscheidungen treffen, ist noch weitgehend unklar. Unsere Forschung gibt jedoch neue Einblicke in die Dynamik von verschiedenen sozialen Partnerschaften. Die Studie zeigt, dass Fremdgehen oft zwischen Partnern stattfindet, die sich bereits kennen.”