Gasquelle im Roten Meer
Ethan und Propan entweichen aus Lagerstätten fossiler Brennstoffe im Meeresgrund
Der Nahe Osten beherbergt mehr als die Hälfte der weltweit bekannten Öl- und Gasreserven. Durch die intensive Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe werden in dieser Region auch große Mengen gasförmiger Schadstoffe in die Atmosphäre freigesetzt. Da die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre in diesem Gebiet in der Vergangenheit nur wenig untersucht wurde und Angaben bisher nur auf atmosphärischen Modellen beruhten, fand 2017 eine große wissenschaftliche Expedition rund um die Arabische Halbinsel statt. Während dieser Expedition stellten die Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie eine merkwürdige Anomalie fest: Die Mengen an Ethan und Propan in der Luft über dem nördlichen Roten Meer waren extrem hoch. Sie lagen bis zu 40-mal über den Vorhersagen.
Den Modellen zufolge werden diese Gase bei der Biomassenverbrennung, Kraftstoffproduktion sowie Emissionen aus der Energieerzeugung freigesetzt. Keine dieser Quellen konnte jedoch die hohen Ethan- und Propanwerte erklären.
Ethan und Propan aus Quellen im Roten Meer
Um diese Diskrepanz zu untersuchen, schauten sich Efstratios Bourtsoukidis, Umweltphysiker am Mainzer Max-Planck-Institut, und seine Kollegen die möglichen Quellen für diese Emissionen wie etwa Verkehr, Landwirtschaft, Biomassenverbrennung, Stromerzeugung oder Ölförderung genauer an. „Da es bisher keine Daten aus dieser Region gab, mussten wir zahlreiche Berechnungen durchführen, um die Quelle zu finden. Das Ergebnis hat uns überrascht: Die hohen Konzentrationen von Ethan und Propan stammen vom Grund des nördlichen Roten Meeres “, sagt Bourtsoukidis. Genauer gesagt stammen die Gase aus Lecks unterirdischer Öl- und Gasvorkommen. Zudem strömt Wasser am Grund der Golfe von Suez und Aqaba in das Rote Meer, das Gas aus der Erdöl- und Gasförderung enthält. Eine weitere Quelle sind Gasemissionen aus Solebecken am Meeresboden. Die Kohlenwasserstoffe werden dann durch Strömungen an die Wasseroberfläche transportiert und gelangen schließlich in die Atmosphäre. Die Menge der Gase ist so außergewöhnlich hoch, dass sie vergleichbar mit den gesamten anthropogenen Emissionen aus Ländern wie dem Irak, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait ist.
Die Messungen fanden im Sommer statt. Da sich die Zirkulation des Tiefenwassers jahreszeitlich verändert, ist es wahrscheinlich, dass sich die Emissionen im Winter weiter erhöhen. In vorindustriellen Zeiten hätten die hohen Mengen an Ethan und Propan in der Atmosphäre kaum Auswirkungen auf die regionale Luftqualität gehabt. Heutzutage jedoch stößt der Seeverkehr in der Region große Mengen an Stickoxiden aus. Diese Gase verbinden sich mit dem Ethan und dem Propan und bilden troposphärisches Ozon und Peroxyacetylnitrate. Beide Elemente sind sehr schädlich für die menschliche Gesundheit.
Die Luftqualität in der Region wird sich verschlechtern
Da der Schiffsverkehr durch das Rote Meer und den Suezkanal in den kommenden Jahrzehnten vermutlich weiter stark zunehmen wird, werden auch die Stickoxidemissionen und somit die Emissionen anderer Schadstoffe zunehmen. Daher gehen die Forscher davon aus, dass sich die Luftqualität in der Region deutlich verschlechtern wird.
Die Messungen wurden während der AQABA-Schiffsexpedition (Air Quality and Climate Change in the Arabian Basin) durchgeführt, die in den Gewässern rund um die Arabische Halbinsel stattfand. Das AQABA-Projekt ist die erste umfassende In-situ-Messung von Gasen und Aerosolen im Nahen Osten und wurde zwischen Juni und August 2017 unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz durchgeführt. Die Forscher durchquerten per Schiff das Mittelmeer, den Suezkanal, das Rote Meer, den nördlichen Indischen Ozean und den Arabischen Golf, bevor sie auf derselben Route zurückkehrten. Insgesamt legten sie rund 20 000 Kilometer auf See zurück und sammelten einen reichen Datensatz.