Neuer Signalweg der Blutdruckregulation entschlüsselt

Vom mechanischen Reiz zur biologischen Antwort - der Kationenkanal PIEZO 1 reguliert Freisetzung von Adrenomedullin

18. Juni 2019
Spannung und Durchmesser der Blutgefäße werden über gefäßerweiternde und gefäßverengende Stoffe fortlaufend neu justiert. Ist der Gefäßdurchmesser zu klein, steigt der Blutdruck an, was auf Dauer die Gefäße schädigt und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht. Die Arbeitsgruppe von Stefan Offermanns am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung konnte einen bislang unbekannten Mechanismus aufklären, der bei der Gefäß- und Blutdruckregulation eine wichtige Rolle spielt. Die genaue Kenntnis dieser Abläufe könnte es in Zukunft ermöglichen, in krankhafte Regulationsprozesse einzugreifen und so die Folgen arteriellen Bluthochdrucks zu vermeiden.

Alle Blutgefäße, von der größten bis zur kleinsten Arterie, haben den mehrschichtigen Aufbau der Gefäßwand gemeinsam. Die innerste Schicht, das sogenannte Endothel, steht mit dem Blutfluss in direktem Kontakt. Ihre Zellen sind der Schubspannung (shear stress) des Blutflusses ausgesetzt. Die Schubspannung ist ein wesentlicher physikalischer Regulator des Gefäßdurchmessers und damit des Gefäßwiderstandes, gegen den das Herz arbeiten muss. Doch wie werden mechanische Signale im Endothel in biologische übersetzt? Vorhergehende Studien zu dieser Frage bezogen sich vor allem auf Calcium-vermittelte Signalwege. Dass daneben auch die Proteinkinase A (PKA) über die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) zur Blutdruckanpassung beitragen könnte, war bereits bekannt. Wie die Regulation über PKA abläuft, blieb bislang jedoch unklar.

Nun hat das Forscherteam um Stefan Offermanns im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit den Signalweg identifiziert, der für die Übertragung des Schubspannung-Signals via PKA verantwortlich ist. Im Zentrum steht das Peptid Adrenomedullin. Der Name dieses Botenstoffes leitet sich von adrenal medulla ab, dem Nebennierenmark, wo die Substanz zuerst entdeckt wurde. Tatsächlich findet sich das gefäßerweiternde Peptid in zahlreichen Geweben. Es spielt eine Schlüsselrolle in der Regulation der kardiovaskulären und pulmonalen Hömöostase und gilt als gefäßschützender Faktor.

„Dass Schubspannungskräfte zur Ausschüttung von Adrenomedullin führen, war bereits bekannt. Völlig unklar war hingegen der Mechanismus der Ausschüttung dieses Botenstoffes. Unser Ziel war es, die genauen Mechanismen dieser Signalkaskade aufzuklären“, erklärt Andras Iring, Erstautor der Publikation. Mittels Untersuchungen an isolierten Endothelzellen sowie gezielter Knockout-Experimente am Mausmodell konnten die Forscher nun erstmals zeigen, wie das im Einzelnen geschieht.

Der Signalweg verläuft über die Aktivierung des mechanosensitiven Kationenkanals PIEZO 1. Diese löst die Freisetzung von Andromedullin aus, welches an den Adrenomedullin-Rezeptor (auch bekannt als calcitonin like receptor, Calcrl) bindet und über cAMP die Proteinkinase A aktiviert. Die Proteinkinase A phosphoryliert die endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase, kurz eNOS, ein Schlüsselenzym der Blutdruckregulation. In Folge erhöht sich die Menge des gefäßerweiternden und damit blutdrucksenkenden Botenstoffes Stickstoffmonoxid (NO).

Wurde der Startpunkt dieses Signalweges, der PIEZO1-Kanal, in seiner Aktivität gemindert, kam es zu einem signifikanten Rückgang des Adrenomedullin-Spiegels. Des Weiteren verringerte die Unterdrückung der Gene, die für Adrenomedullin oder seinen Rezeptor kodieren, deutlich die Gefäßerweiterung, die als Antwort auf den Blutfluss auftritt. Das Resultat: ein künstlich herbeigeführter arterieller Bluthochdruck. Dazu Stefan Offermanns: „Unsere Arbeiten zeigen, wie im gesunden Organismus der Blutfluss zur Gefäßerweiterung führt. In Zukunft können diese Kenntnisse dazu beitragen, neue Behandlungen für Erkrankungen mit gestörter Gefäßregulation, wie Bluthochdruck oder Atherosklerose, zu entwickeln.“

VG/SO

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