Artenschutz: MPI-Forscher fordern stärkere Rolle der Zoos
Indem sie Tiere bedrohter Populationen züchten, können Zoos einen größeren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten.
Von etwa sieben Landwirbeltierarten, deren Überleben in freier Wildbahn gefährdet ist, wird eine auch in Gefangenschaft gehalten. Dies und weitere Daten zur Arterhaltung in Zoos oder Aquarien ermittelten jetzt Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Demografische Forschung in Rostock in Zusammenarbeit mit dem International Species Information System (ISIS). Das Forscherteam plädiert im Wissenschaftsjournal Science dafür, gezielte Zuchtprogramme in Gefangenschaft zu etablieren, um den Schutz von Tieren in freier Wildbahn zu ergänzen. Zoos sollten sich dazu in Netzwerken zusammenschließen und als eine Art Lebensversicherung die Tiere so lange beheimaten, bis sie ausgewildert werden können.
Wie viele der gefährdeten Spezies bereits in Zoologischen Gärten vorkommen, berechneten die Forscher aus Daten des International Species Information System (ISIS): Von allen bedrohten Säugetierarten werden 20 bis 25 Prozent auch in Zoos gehalten. Für Vögel sind die Anteile zwar insgesamt nur wenig kleiner, für die akut vom Aussterben bedrohten Vogelarten jedoch wesentlich niedriger: Nur 9 Prozent davon kommen in Gefangenschaft vor. Von den gefährdeten Amphibienarten werden lediglich drei Prozent auch in Käfigen und Gehegen gehalten.
Die Bedeutung der Zoos für den Arterhalt dürfe nicht unterschätzt werden, betonen Dalia Conde und Alexander Scheuerlein. „In einzelnen Zoos ist die Zahl der bedrohten Arten und der Individuen zwar gering“, sagen die Biologen, die am Max-Planck-Institut für Demografische Forschung im Arbeitsbereich Evolutionäre Biodemografie forschen. „Schließen sich mehrere Institutionen zusammen, steckt in den Zoologischen Gärten aber insgesamt ein beachtliches Potenzial für die Nachzucht bedrohter Tierarten.“
Spezialistenzoos für mehr Zuchterfolg
Die Science-Autoren plädieren für die Einrichtung von „Spezialistenzoos“, die sich auf die Aufzucht einer oder weniger Arten konzentrieren: „Spezialisierung erhöht in der Regel den Zuchterfolg“, sag Conde und Scheuerlein. „In den jeweiligen Zoos können die Tiere „geparkt“ werden, bis sie in freier Natur wieder eine Chance zum Überleben haben und ausgewildert werden können.“ Coautor Nate Flesness, der wissenschaftliche Direktor von ISIS, betont weiterhin dass es sinnvoll sei, Tiere rechtzeitig in Zuchtprogramme aufzunehmen, bevor ihr Bestand in freier Wildbahn zu stark dezimiert ist. „Die Zoos sollten nicht als Notaufnahme angesehen werden, da die Erfolgschancen bei der Aufzucht geringer sind, wenn die letzten, schon geschwächten Individuen einer Art dafür eingesetzt werden müssen.“
Wie erfolgreich die Nachzucht in Gefangenschaft die Arterhaltung fördert, stellte kürzlich auch die Weltnaturschutzunion (IUCN) fest: Unter den 68 Wirbeltierarten, deren Gefährdungsstatus sie wieder herabstufen konnte, habe die Nachzucht in Tierparks bei 17 Spezies eine entscheidende Rolle gespielt. Darunter waren unter anderem das Asiatische Wildpferd („Przewalski-Pferd“), der Schwarzfußiltis aus der Familie der Marder und der Geier „Kalifornischer Kondor“.
Zuchtprogramme in Zoos liefern außerdem neue demografische Daten, die dem Artenschutz dienen: Wann beginnt bei einer Tierart die Geschlechtsreife? Wie groß sind die Gelege? In welchem Abstand vermehrt sich eine Art? „Von vielen Tierarten sind solche fundamentalen Daten zu ihrer demografischen Entwicklung nicht bekannt“, sag Dalia Conde und Alexander Scheuerlein. „Sie werden aber dringend gebraucht, um die zukünftige Entwicklung einer Art und ihre Überlebenschancen in freier Wildbahn einschätzen zu können“.
SL/HR