Gravitationslinseneffekt durch den Galaxienhaufen Cheshire Cat (in gelb). Dieser Haufen wirkt wie eine Linse, die das Licht einer dahinter liegenden Galaxie (in blau) in mehrere bogenförmige Bilder verzerrt, sogenannte „Einsteinringe“. Die Kombination des Galaxienhaufens im Vordergrund mit der verzerrten Hintergrundgalaxie ergibt das Bild eines lächelnden Gesichts. Bild: NASA/ESA

Mit Einstein auf krummen Wegen

Wie kann man durch Linseneffekte abgelenkte Gravitationswellen finden? Mit Methoden des maschinellen Lernens soll untersucht werden, ob die erwarteten Beugungseffekte in den Daten der Gravitationswellen-Detektoren tatsächlich zu finden sind. Dies könnte weit mehr sein als eine weitere spektakuläre Bestätigung von Einsteins Theorie, nämlich eine neue Methode zur Erforschung des Universums.

Ein Objekt hinter einem Wasserglas erscheint verzerrt, weil das Wasser die einfallenden Lichtstrahlen ablenkt. Ein solcher „Linseneffekt“ wird auch durch Gravitationsfelder verursacht: Licht, das sich durch das Universum bewegt, wird abgelenkt, so dass manchmal mehrere Bilder desselben Objekts entstehen. Dieser Gravitationslinseneffekt wurde schon von Einstein vorhergesagt und ist inzwischen zu einem wichtigen Werkzeug der Astrophysik geworden. Gravitationslinsen haben zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten z. B. bei der Suche nach extrasolaren Planeten, der Interpretation von Bildern supermassiver Schwarzer Löcher oder der Kartierung der Verteilung Dunkler Materie.

Gravitationswellen: Erschütterungen von Raum und Zeit

Wie Licht werden auch Gravitationswellen abgelenkt und manchmal in mehrere Signale aufgespalten. Einstein sagte diese Kräuselungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, bereits 1916 vorher. 2015 wurde dann die erste Gravitationswelle, ausgesendet beim Zusammenstoß zweier Schwarzer Löcher im fernen Universum, direkt gemessen. Diese kollektive Leistung, zu der das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik wichtige Beiträge geleistet hat, wurde 2017 mit dem Physik-Nobelpreis honoriert. Seither beobachtete die neuentstandene Gravitationswellen-Astronomie 90 bestätigte Signale und mehr als 80 signifikante Kandidaten in der laufenden Beobachtungskampagne. Methoden des maschinellen Lernens werden eine raschere Analyse der schnell wachsenden Daten ermöglichen.

Lassen sich die durch Linseneffekte abgelenkte Gravitationswellen finden? Miguel Zumalacarregui hat mit seinem Team am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik bereits eine Theorie zu Ablenkung von Gravitationswellen und eine effiziente Software zur Berechnung dieser Effekte entwickelt. Der Code liefert in Millisekunden genaue Vorhersagen komplexer Linsensysteme.

Der Forschungsgruppenleiter Zumalacarregui hat mit Methoden des maschinellen Lernens untersucht, ob die erwarteten Beugungseffekte in den Daten der Gravitationswellen-Detektoren tatsächlich zu finden sind. Der Nachweis der gravitativen Ablenkung oder deren Fehlen hat nicht nur neue Erkenntnisse in der Gravitationswellen-Astronomie geliefert, sondern auch tief greifende Auswirkungen auf andere Bereiche der Astrophysik und der Grundlagenphysik, z. B. auf die Untersuchung der Eigenschaften der dunklen Materie. Damit können gravitativ abgelenkte Gravitationswellen weit mehr sein als eine weitere spektakuläre Bestätigung von Einsteins Theorie, nämlich eine neue Methode zur Erforschung des Universums.

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