Die Photosynthese der grünen Pflanzen und mancher Bakterien beruht auf der Funktion von sehr komplexen molekularen Maschinen. Wie in einer Fabrik wird in den Photosystemen der Zellen das Sonnenlicht eingefangen, die gewonnene Energie dann in einer Reihe von Schritten stabilisiert und in chemisch verwertbare Form umgewandelt, um damit chemische Nutz-Reaktionen auszuführen – von denen die Spaltung des Wassers die wichtigste und auch chemisch anspruchvollste ist. Die grundlegenden Schritte des Prozesses beruhen auf der Trennung von elektrischen Ladungen an redox-aktiven Gruppen in den Proteinmolekülen des Photosystems sowie der effizienten Weiterleitung und Steuerung des Ladungsflusses. Durch genau tarierte Redoxpotenziale und einer geschickten räumlichen Anordnung der beteiligten Zentren wurde im Laufe der Evolution verhindert, dass die getrennten und gesammelten Ladungen quasi durch Kurzschluss sofort wieder verloren gehen.
Das besondere Interesse unserer Forschung gilt der Frage, wie einzelne redox-aktive Molekülgruppen des Reaktionszentrums, an dem die Wasserspaltung stattfindet, über beträchtliche Entfernungen zusammenwirken – und wie man die Wechselwirkungen und ihre Steuerung auf molekularer Ebene mit physikalischen Methoden messen kann. Das „große Ziel“ solcher Forschungsprojekte ist das Verständnis der natürlichen Vorgänge in solcher Tiefe und Detail, dass man die Prozesse letztlich im Labor nachahmen kann.
In dem hier vorgestellten Projekt wurde eine Serie von strukturell verwandten Mangan-Modellkomplexen synthetisiert, die quasi Ausschnitte aus dem natürlichen System darstellen. Diese künstlichen Verbindungen zeigen zum ersten Mal in vitro die physikalischen Eigenschaften, die man vom so genannten S2Yz•-Zustand des natürlichen Photosystems (PS II) kennt. Der S2Yz•-Zustand ist ein von außen stabilisierbarer Schaltzustand in der Oxidationskette des wasserspaltenden Mangan-Komplexes in PS II. Da hier beide Zentren, der Mangankomplex und das Radikal, im S2Yz•-Zustand wie in den Modellen jeweils einen Spin tragen, also paramagnetisch sind, kann man ihre magnetische Dipolwechselkopplung zur Messung ihrer Wechselwirkungen (und besonders des Abstandes) nutzen. Experimentell verwendet man dazu paramagnetische Elektronen-Spin-Resonanz (EPR)-Spektroskopie. Die bekannten Molekülstrukturen und gezielten räumliche Variationen der synthetischen Modelle haben zum ersten Mal systematische EPR-Studien und magnetische Suszeptibilitätsmessungen für so komplexe paramagnetische Zentren wie im PS II ermöglicht. Die gewonnenen Erkenntnisse beleuchten viele prinzipielle Feinheiten von realen Systemen und bieten Grundlagen für Messungen und Interpretationen in biochemischen Systemen.
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