Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Herschel findet die jüngsten Protosterne
Autoren
Stutz, Amelia M. ; Robitaille, Thomas; Henning, Thomas; Krause, Oliver
Abteilungen
Planeten- und Sternentstehung (Thomas Henning)
Zusammenfassung
Mit dem Weltraumteleskop Herschel und dem Submillimeter-Teleskop APEX gelang die Entdeckung und Untersuchung der jüngsten bislang bekannten Protosterne: stellarer Embryos, die tief in dichte Staub-Kokons eingebettet sind.
Sterne werden im Verborgenen geboren: hinter Staubschichten, tief im Inneren der Molekülwolken, aus deren Kollaps sie entstehen. Je jünger ein zukünftiger Stern („Protostern”) ist, desto schwieriger ist es, ihn zu beobachten. In den letzten Jahren haben sich Astronomengruppen mithilfe immer höher entwickelter Infrarot-Technologie einen regelrechten Wettlauf geliefert, Protosterne in immer früheren Entwicklungsstadien zu entdecken. Jetzt hat eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Amelia Stutz vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) das ESA-Weltraumteleskop Herschel und das Submillimeter-Teleskop APEX genutzt, um die jüngsten bislang bekannten Protosterne zu entdecken und zu charakterisieren [1].
Am Anfang stand ein echter Glücksfall: Eines der Teammitglieder, Tom Megeath von der University of Toledo, Ohio, leitet den Herschel Orion Protostar Survey (HOPS). In dessen Bilddaten entdeckte er direkt neben einem kürzlich entdeckten, interessanten Protostern im Sternbild Orion ein weiteres Objekt. Auf Vergleichsbildern des NASA-Weltraumteleskops Spitzer, die bei etwas kürzeren Wellenlängen aufgenommen wurden, war an der betreffenden Stelle allerdings nichts sichtbar.
Bei Physikern lenkt dieser Umstand den Verdacht in eine ganz bestimme Richtung: Die sogenannte thermische Strahlung, die Objekte aufgrund ihrer Temperatur emittieren, wird von einfachen physikalischen Gesetzen bestimmt. Kalte Objekte strahlen überwiegend bei sehr großen Wellenlängen. Vom sichtbaren Licht ausgehend liegen diese in Richtung des roten Endes des Spektrums: Kältere Objekte sind röter.
Für ein kaltes Objekt ist es nicht ungewöhnlich, bei kurzen Wellenlängen unsichtbar und nur bei langen nachweisbar zu sein. Wir kennen das aus dem Alltag: Eine Glühlampe, deren Glühdraht bis zu rund 3.000°C heiß sein kann, erzeugt große Mengen sichtbaren Lichtes, das auf einem im sonst dunklen Raum aufgenommenen Foto klar zu erkennen ist. Ohne zusätzliche Lichtquelle ist ein Mensch dagegen auf einem solchen Foto nicht sichtbar: Menschen emittieren so gut wie kein sichtbares Licht, senden aber bei einer Körpertemperatur von rund 37°C beträchtliche Mengen an Infrarot-Strahlung aus. Auf einem mit einer langwelligen Infrarot-Kamera (thermische Kamera) aufgenommenen Bild ist ein Mensch dementsprechend gut sichbar.
Analog legt der Umstand, dass das von Megeath auf dem Herschel-Bild entdeckte Objekt auf den Spitzer-Bildern nicht sichtbar war, nahe, dass es sich um ein sehr kaltes Objekt handelt. In einer Sternentstehungsregion, wie in diesem Falle, könnte es sich um einen außergewöhnlich kalten Protostern handeln – aufregende Aussichten für die beteiligten Forscher. Bei so geringen Temperaturen müsste es sich um einen Protostern in einem viel früheren Entwicklungsstadium handeln, als es jemals zuvor beobachtet worden war.
Nach dieser ersten vielversprechenden Entdeckung durchkämmte Stutz sorgfältig die Orion-Daten, um zu sehen, ob sich weitere Exemplare solcher anscheinend sehr kalten Objekte aufspüren lassen. Am Ende ihrer Suche hatte sie 55 Kandidatenobjekte gefunden (Abb. 1).
Aber das Universum hat einen zusätzlichen Trick auf Lager. Sehr weit entfernte kosmische Objekte erscheinen „rotverschoben” – aufgrund der kosmischen Expansion werden die Wellenlängen ihres Lichtes gestreckt. Das kann dazu führen, dass eine sehr weit entfernte, gewöhnliche Galaxie so ähnlich aussieht wie ein sehr kalter, aber ungleich näherer Protostern. Als nächstes musste daher die Spreu vom Weizen trennen werden, um die echten Protosterne ausfindig zu machen. Dazu benötigte man zusätzliche Daten bei noch längeren Wellenlängen.
An dieser Stelle kam die 12-Meter-Antenne APEX ins Spiel, die genau solche Daten liefern konnte. APEX ist eine Kollaboration zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem Onsala Space Observatory (OSO) und der Europäischen Südsternwarte (ESO) und befindet sich in Chajnantor in der chilenischen Atacamawüste, etwas mehr als 5100 Meter über dem Meeresspiegel.
Mit den kombinierten Daten und durch den sorgfältigen Vergleich der Beobachtungen mit physikalischen Modellen von Protosternen und ähnlichen Objekten reduzierten Stutz und ihre Kollegen ihre Liste auf 15 zuverlässig identifizierte neue Protosterne (Abb. 2). Die rötesten Quellen tauften sie nach dem Herschel-Instrument PACS, mit dem diese Entdeckungen gelungen waren, „PACS Bright Red Sources” (abgekürzt PBRS).
Den Analysen nach sind dies die jüngsten Protosterne, die bislang beobachtet wurden: staubige Gashüllen mit Massen zwischen 0,2- bis 2-Mal der Sonnenmasse, die von einem tief im Inneren eingebetteten Protostern auf etwa 20 °C über dem absoluten Nullpunkt (20 K) aufgeheizt werden.
Bei dieser Temperatur sind die PBRS so kalt, dass sie nicht mehr genug Strahlung emittieren, um vom Spitzer-Teleskop eindeutig nachgewiesen zu werden; eine ganze Reihe von ihnen sind auf den Spitzer-Aufnahmen komplett unsichtbar. Dagegen sind die Objekte bei längeren Wellenlängen, etwa bei Messungen mit dem Weltraumteleskop Herschel und mit APEX, gut zu sehen (Abb. 3).
Für Astronomen, die sich mit Sternentstehung beschäftigen, sind die neu entdeckten Objekte hochinteressant: Den Modellen zufolge ist zu erwarten, dass ein Protostern den Großteil seiner Massen in den frühen Stadien seiner Entwicklung ansammelt. Aber gerade diese Stadien sind am schwierigsten zu beobachten. Vor den Beobachtungen von Stutz und Kollegen hatte es keine direkte Möglichkeit gegeben, Vorhersagen der Sternentstehungs-Modelle zu diesen Entwicklungsstadien mit Beobachtungen zu vergleichen. Diese Lücke konnten die Astronomen jetzt schließen (Abb. 4).
Als ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erschien, hatten die Beobachter längst die nächsten Schritte ihres Programms geplant: Das waren um einen Nachfolgebeobachtungen mit Herschel an acht der PBRS, um nach Spuren von Gas-Ausflüssen zu suchen, die für diese frühen Prototypen vorhergesagt wurden. Zum anderen wollen sie mit dem Green-Bank-Radioteleskop Licht bei Wellenlängen empfangen, die für dichtere Ansammlungen von Gasmolekülen charakteristisch sind. Zusätzlich hoffen die Astronomen auf Beobachtungszeit an ALMA, dem Verbund von Submillimeter-Antennen, der damals gerade in der Atacama-Wüste fertiggestellt wurde: ALMA sollte in der Lage sein, feinere Details der Hüllen darzustellen und genauere Messungen ihrer Dichte zulassen.
in Zusammenarbeit mit:
J. J. Tobin (National Radio Astronomy Observatory) T. Stanke (ESO) S. T. Megeath, W. J. Fischer (University of Toledo) B. Ali (NHSC/IPAC/Caltech) J. Di Francesco (National Research Council of Canada, Herzberg, Institute of Astrophysics, University of Victoria) E. Furlan (National Optical Astronomy Observatory, NHSC/IPAC/Caltech) L. Hartmann (University of Michigan) M. Osorio (Instituto de Astrofísica de Andalucía) T. L. Wilson (Naval Research Laboratory) L. Allen (National Optical Astronomy Observatory) P. Manoj (University of Rochester)
Literaturhinweise
1.
Stutz, A. M.; Tobin, J. J.; Stanke, T.; Megeath, S.T.; Fischer, W. J.; Robitaille, T.; Henning, T.; Ali, B.; di Francesco, J.; Furlan, E.; Hartmann, L.; Osorio, M.; Wilson, T. L.; Allen, L.; Krause, O.; Manoj, P.
A Herschel and APEX Census of the Reddest Sources in Orion: Searching for the Youngest Protostars