Forschungsbericht 2004 - Max-Planck-Institut für Meteorologie
Zur Rolle von Rußpartikeln im Klimasystem
Atmosphäre im Erdsystem (Stevens) (Prof. Dr. Bjorn Stevens)
MPI für Meteorologie, Hamburg
Motivation
„Einheizer auf vier Rädern“ titelte die Wochenzeitung ‚Die ZEIT’ in ihrer Ausgabe 21/2002 und bezog sich dabei auf einen Artikel eines US-amerikanischen Kollegen (Jacobson [1]), der Ruß aus europäischen Dieselautos für eine wesentliche Verstärkung des Treibhauseffektes verantwortlich macht. Jacobsons Arbeit steht in einer Reihe von Veröffentlichungen, die eine Kontrolle von Rußemissionen im Rahmen des Kioto-Protokolls fordern. Ruß wird aber nicht nur von Dieselfahrzeugen freigesetzt, sondern entsteht generell bei der Verbrennung der fossilen Energieträger, Kohle und Erdöl. Einen ähnlich großen Beitrag leistet die Verbrennung von Biomasse, z.B. von Feuerholz, die Brandrodung, das Abbrennen von Weideflächen sowie die Verbrennung von Ackerabfällen und Waldbrände. Rußemissionen sind nach Angaben eines 2002 publizierten UNEP-Reports [2] speziell in China und Indien sehr hoch, da hier vor allem mit Holz, Kohle und Kuhdünger gekocht und geheizt wird. Quinn und Bates [3] finden allerdings auch an der Ostküste der Vereinigten Staaten eine Aerosolbelastung der Atmosphäre, die der in Asien vergleichbar ist.
Neben der gesundheitlichen Belastung wirken Rußpartikel auf vielfältige Weise auf das Klimasystem ein. Rußpartikel absorbieren Sonnenstrahlung, erwärmen dadurch die Atmosphäre und kühlen die Erdoberfläche ab (direkter Effekt). Eine Abkühlung des Erdbodens und eine Erwärmung der darüber liegenden rußführenden Luftschichten stabilisiert die Grenzschicht, unterdrückt den turbulenten Transport von Feuchte und die Bildung von Wolken (semi-direkter Effekt). Da niedere Wolken abkühlend wirken, verstärkt dies den erwärmenden Effekt von Ruß (positive Rückkopplung). Andererseits können Rußpartikel vermischt mit wasserlöslichen Substanzen als Wolkenkondensationskerne dienen. Eine Zunahme von solchen Kondensationskernen erhöht die Anzahl von Wolkentröpfchen und macht die Wolke heller; d.h. die Wolke reflektiert mehr Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum. Wolken, die aus kleineren Tröpfchen bestehen, regnen weniger wahrscheinlich aus und weisen damit eine längere Lebensdauer auf. Beide Effekte führen zu einer Abkühlung des Systems Erde-Atmosphäre (indirekter Effekt) [4]. Ruß, auf Schnee- und Eisflächen deponiert, könnte die Bodenalbedo erniedrigen und Abschmelzen begünstigen. Beide Effekte führen zu Erwärmung. Da Ruß und andere Aerosolpartikel nicht nur Wolken- und Niederschlagsprozesse beeinflussen, sondern Auswaschen durch Niederschlag zugleich die Hauptsenke für Aerosol darstellt, sind die Wechselwirkungen Aerosol-Klima vielfältig und komplex.
Das Interesse an der Rolle von Aerosolpartikeln im Klimasystem hat in der vergangenen Dekade stark zugenommen. Zum einen ermöglichen leistungsfähigere Großrechner die Entwicklung komplexerer Modelle, zum anderen haben zahlreiche Messkampagnen sowie neue satellitengetragene Instrumente zu einem erheblich besseren Verständnis der Rolle von Aerosolen im Klimasystem beigetragen. Klimarechnungen haben sich jedoch auf den Effekt von Sulfatpartikeln beschränkt. Aufgrund der Komplexität der Klimawirkungen von intern gemischtem Aerosol (= Partikel bestehend aus mehreren chemischen Komponenten) und der schlechten Datenlage in Bezug auf Rußemissionen aus Biomassenverbrennung sowie Unsicherheiten bei der quellabhängigen physikalischen und chemischen Charakterisierung ist die Klimawirkung von Ruß bisher nur sehr unvollkommen erforscht worden. So lagen bisher keine aussagekräftigen Studien vor, die mit gekoppelten Klimamodellen durchgeführt wurden und der Komplexität der Wechselwirkung zwischen Ruß und anderen Aerosolen verschiedener chemischer Zusammensetzung sowie deren Wechselwirkung mit Wolken gerecht werden. Auch die Frage, ob Ruß aus Verbrennungsprozessen erwärmend oder abkühlend wirkt, eine Frage, die bereits 1975 von J. Gribbin in der Zeitschrift Nature aufgeworfen wurde (Hotter or Cooler?), ist noch nicht endgültig entschieden. Mit einem am Institut neu entwickelten Erdsystem-Modell ist nun eine realistischere Simulation der Klimaeffekte von Ruß sowie eine Berücksichtigung der damit verbundenen Rückkopplungsprozesse möglich.
Erdsystem-Modell und Simulationen
Das Modell besteht aus folgenden Komponenten:
Um die Stärke von Klimaschwankungen durch interne Variabilität zu bestimmen, wurde eine Referenzsimulation durchgeführt, bei der die Treibhausgaskonzentration und die Emission von Aerosolen konstant auf dem Niveau des Jahres 1860 bleiben. In einer weiteren Simulation wurden dann externe anthropogene Antriebe wie Treibhausgaskonzentration und Aerosolemission, sowie natürliche Antriebe wie Änderung der solaren Einstrahlung und Zunahme an stratosphärischen Sulfatpartikeln durch starke Vulkaneruptionen zeitabhängig für die Jahre 1860 bis 2100 vorgeschrieben [5].
Abbildung 1 zeigt die beobachtete global und jährlich gemittelte bodennahe Temperatur im Vergleich zu zwei Modellsimulationen, die sich nur durch die Anfangsbedingungen unterscheiden. Die Modellsimulationen geben sowohl die kühleren Temperaturen Ende des 19. Jahrhunderts als auch den Temperaturanstieg in der ersten Hälfte sowie in den letzten zwei Dekaden des 20. Jahrhunderts realistisch wieder. Zu den relativ kühlen Temperaturen Ende des 19. Jahrhunderts könnte auch die erhöhte Anzahl kräftiger Vulkanausbrüche beigetragen haben. Bei kräftigen Eruptionen kann Schwefeldioxid bis in die Stratosphäre gelangen und bildet dort zusammen mit Wasser Sulfattröpfchen, die Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum streuen und damit abkühlend wirken. Externe Antriebe wie geringere vulkanische Aktivität sowie eine Zunahme der Sonnenstrahlung und der Treibhausgaskonzentrationen könnten die Erwärmung zwischen 1910 und der Mitte der 40er- Jahre mitverursacht haben. Der starke Anstieg des Ausstoßes von Schwefeldioxid aus industriellen Aktivitäten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs könnte den positiven Strahlungsantrieb durch die Treibhausgase in den folgenden zwei Dekaden zumindest teilweise kompensiert haben. Das heißt, dass die anthropogen produzierten Aerosole den ebenfalls anthropogen verursachten Treibhauseffekt gemildert haben [6, 7]. Der in den späten 70er-Jahren einsetzende Temperaturanstieg geht einher mit einer Abnahme von Schwefeldioxidemissionen und einer weiteren Zunahme von Ruß- und Kohlendioxidemissionen.
![Zeitliche Entwicklung der global und jährlich gemittelten bodennahen Temperatur in Kelvin. Beobachtungen: Jones et al. [8].](/819826/original-1294357339.jpg?t=eyJ3aWR0aCI6MjQ2LCJvYmpfaWQiOjgxOTgyNn0%3D--4dee43e26a1a9eec579fa3eb91009f68cd639c91)
Um den Klimaeffekt von Rußpartikeln zu demonstrieren, sollen zwei Episoden mit sehr unterschiedlichem Emissionsverhalten verglichen werden, nämlich die Jahre 1961 bis 1990 und die Jahre 2021 bis 2050. Abbildung 2 zeigt die Unterschiede in der Aerosolbelastung der Atmosphäre für die Komponenten Sulfat, Ruß und Kohlenwasserstoffverbindungen.

Im vorliegenden Szenario wird angenommen, dass die Belastung mit Sulfataerosol in Afrika und Südostasien vor allem durch Zunahme der Nutzung von Kohle zunimmt, während die Schwefeldioxidemissionen in Europa und Nord-Amerika abnehmen. Da die Oxidation von Schwefeldioxid zu Sulfat in den Wintermonaten in höheren Breiten wenig effizient ist, ist der Emissionsrückgang in den alten Industriegebieten der Nordhemisphäre nur in den Sommermonaten zu erkennen. Biomassenverbrennung und damit die Emission von Ruß und kohlenwasserstoffhaltigen Partikeln nimmt in Afrika und Südamerika zu. Die Saisonalität dieser Emissionen wird durch den Wechsel von Trockenzeit und Monsun-Niederschlägen kontrolliert.

Die Änderungen der bodennahen Jahresmitteltemperatur in Abbildung 3 zeigen die für zunehmende Treibhausgaskonzentrationen charakteristische Erwärmung über den Kontinenten der höheren Breiten. Im Gegensatz zu „Nur-Treibhausgas-Simulationen“, weisen Gebiete mit hoher Aerosolbelastung wie z.B. Zentralafrika und Nordindien fast keine Erwärmung auf.

Diese Änderungen der meridionalen Temperaturgegensätze führen zu einer polwärtigen Verlagerung der Westwindzonen und damit zu ergiebigeren Niederschlägen in höheren und zu geringeren in mittleren geographischen Breiten (siehe Abb. 4). Überraschenderweise nehmen die Niederschläge über den stark durch Biomassenverbrennung belasteten Kontinenten der niederen Breiten zu, wie z.B. über Afrika und Indien.
Eine Zunahme des Niederschlags über den stark aerosolbelasteten Kontinenten findet sich nur in den niederen Breiten. Vermutlich erhöht die Absorption von Sonnenstrahlung in den rußführenden Schichten den Temperaturgegensatz zwischen dem Ozean und dem Kontinent, intensiviert damit das monsunale Einfließen feuchter Luftmassen vom Ozean und erhöht somit die Niederschlagsmenge. Zusätzlich reduziert die Aerosolschicht die Sonneneinstrahlung am Boden und damit die Verdunstung [9]. Der Boden kann daher in der Trockenzeit mehr Feuchte zurückhalten, was wiederum die Niederschlagsentwicklung in der Regenzeit begünstigt. Diese Effekte treten erst bei fortschreitender Treibhauserwärmung ein, wenn Temperatur und Feuchte hoch sind, und sind außerdem auf niedere geographische Breiten beschränkt.
Die Zunahme des vorwiegend streuenden Sulfataerosols, die wir in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre beobachtet haben, führt ebenfalls zu einer Reduktion der Sonnenstrahlung am Boden („solar dimming“) und einer Abnahme der Verdunstung, resultiert aber in geringerem Niederschlag in stark verschmutzten Gebieten [7, 9, 10].
Unsere Simulationen geben Hinweis darauf, dass steigende Rußemissionen aus Biomassenverbrennung in niederen Breiten das Potenzial besitzen, das regionale und globale Klima signifikant zu beeinflussen. Bei der Entwicklung von Klimaschutzstrategien sollte man daher nicht nur den hohen Energieverbrauch in den entwickelten Staaten und die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen reduzieren, sondern auch eine Lösung des Problems der „Energiearmut“ und der damit verbundenen oft sehr ineffizienten Nutzung von Biomasse zu Koch- und Heizzwecken anstreben.
Der Artikel entstand mit Beiträgen von Monika Esch, Judith Hölzemann, Stefan Kinne, Silvia Kloster, Erich Roeckner, Martin Schultz und Philip Stier.