Modelle zum Verständnis der Entwicklung von Gehirn und Verhalten
Warum entwickeln sich Menschen unterschiedlich? Wovon hängt es ab, ob Menschen bei Belastungen depressiv werden oder nicht? Warum sind manche Menschen auch im höheren Alter geistig rege, während andere an einer dementiellen Erkrankung leiden? Die empirischen Fortschritte in den Neuro- und Verhaltenswissenschaften ermöglichen ein immer genaueres Verständnis der Ursachen dieser und weiterer Entwicklungsunterschiede. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Werkzeuge der Theoriebildung mit den empirischen Fortschritten Schritt halten. Deswegen wollen die Max-Planck-Gesellschaft und das University College London ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Neuro- und Verhaltenswissenschaften in einem gemeinsamen Forschungszentrum bündeln.
Angestrebt wird ein besseres Verständnis der Ursachen psychischer Erkrankungen sowie der Unterschiedlichkeit geistiger Entwicklung im Erwachsenenalter. Die Entwicklung von Verhalten und Gehirn soll auf individueller Ebene durch Computermodelle verknüpft werden. Die Modelle sollen es ermöglichen, individuelle Unterschiede angemessen zu beschreiben, Störungen frühzeitig zu erkennen und Verläufe positiv zu beeinflussen.
Psychische Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie oder Autismus können heute häufig noch nicht erfolgreich behandelt werden. Einige wichtige molekulare und strukturelle Veränderungen sind zwar bekannt; wie genau sie mit dem Verhalten zusammenhängen, ist jedoch nach wie vor weitgehend unklar. Auch die Zusammenhänge zwischen alterungsbedingten Veränderungen des Gehirns und des Verhaltens werden nur unzulänglich verstanden. Mit Bildgebungsverfahren wie der Magnetresonanztomografie haben Forscher zwar viel über die Funktionsweise des Gehirns gelernt. Aber erst durch eine angemessene Modellierung wird es gelingen, die Lücke zwischen molekularen Prozessen und Verhalten schließen. Mit Modellen lassen sich Daten verschiedener Erklärungsebenen theoriegeleitet miteinander verknüpfen. So können die Wissenschaftler neuronale Netzwerke am Computer nachbauen und dann am Modell untersuchen, wann verhaltensrelevante neuronale Abläufe gut funktionieren und wann sie aus welchen Gründen gestört sind.
Psychischen Erkrankungen und Alterungsprozessen ist gemeinsam, dass sie verschiedene Organisationsebenen im Gehirn betreffen, vom Erbgut über Proteinsynthese bis hin zu Nervenzellen und deren Netzwerken. Zum Beispiel verändern sich im Laufe des Erwachsenenalters die Ausschüttung der Neurotransmitter sowie die Anatomie und Funktionsweise des Gehirns. Ausmaß und Art dieser Veränderungen unterscheiden sind von Person zu Person. Auch psychische Erkrankungen verlaufen unterschiedlich individuell, und die gängigen Klassifikationen der Psychiatrie werden diesen Unterschieden oft nicht gerecht.
Die Forscher am Centre for Computational Psychiatry and Ageing Research werden Daten zur Struktur und Funktion des Gehirns mit statistischen Methoden und Computermodellen auf detaillierte Verhaltensbeobachtungen einzelner Personen beziehen und daraus Prognosen über deren Entwicklung ableiten. Die Erkenntnisse des Zentrums sollen Auskunft darüber geben, wie sich geistige Leistungsfähigkeit im Alter möglichst lange erhalten lässt und wie psychische Krankheiten verhindert oder zumindest in ihrem Verlauf positiv beeinflusst werden können.
HR