Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie
Mikrobielle Interaktionen im Blatt der Weizenpflanze
Das pflanzliche Mikrobiom bietet Schutz vor Krankheiten
In letzter Zeit wurde viel Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des menschlichen Mikrobioms gelenkt. Neue, molekulargenetische Methoden ermöglichten es, die Vielfalt der Mikroorganismen, die Darm, Haut und andere Bereiche bewohnen, zu erkennen. Alle diese Mikroben spielen eine entscheidende Rolle für die menschliche Gesundheit, sowohl bei der Abwehr von Krankheitserregern als auch bei Erkrankungen. Genauso spielen Mikroorganismen auch für die Gesundheit der Pflanzen eine wesentliche Rolle. Pflanzen leben mit sehr unterschiedlichen mikrobiellen Gemeinschaften zusammen, die sie hauptsächlich aus dem Erdboden, auf dem sie wachsen, beziehen, diese können aber auch über Samen oder vegetative Organe übertragen werden [1].
Bisher wurden die meisten Studien zu den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Mikrobiota mit der Modellpflanze Arabidopsis thaliana durchgeführt. Eine grundlegende Ressource für diese Experimente waren synthetisch zusammengesetzte mikrobielle Gemeinschaften, die Pflanzenkeimlingen verabreicht wurden, um beispielsweise die Reaktionen der Pflanzen auf Stress in An- oder Abwesenheit bestimmter Mikrobiota zu untersuchen. Die Manipulation synthetischer Gemeinschaften machte dabei die Bedeutung unterschiedlicher Mikrobiota erkennbar.
Die Wechselwirkungen zwischen pflanzenassoziierten Mikroben und Krankheitserregern sind nur unzureichend bekannt
Pflanzen bilden die Grundlage unserer Ernährung, und die Forschung hat sich in den letzten Jahren auf die Rolle von Mikroorganismen für die Pflanzengesundheit und die Förderung des Pflanzenwachstums konzentriert. In der Tat steht unsere Gesellschaft aktuell vor immensen Herausforderungen, was das rasche Auftreten und die Ausbreitung von Pflanzenpathogenen angeht. Viele pilzliche Erreger haben Resistenzen gegen gängige Fungizide entwickelt, und die Züchtungsbemühungen können nicht mit dem Tempo mithalten, in dem sich neue virulente Erreger entwickeln [2]. Wie aber können Mikroorganismen Pflanzen vor Krankheiten schützen und wie können nützliche Mikroorganismen in einer natürlichen Feldumgebung erhalten und vermehrt werden?
Unsere Forschung konzentrierte sich auf Zymoseptoria tritici, einen Pilzerreger des Weizens, der die Krankheit Septoria Tritici Blotch, die sogenannte Blattfleckenkrankheit, verursacht (Abb. 1). Diese ist eine der häufigsten und verheerendsten Weizenkrankheiten in Europa. Die Bekämpfung der Blattfleckenkrankheit wird vor allem wegen der großen genetischen Variation in den Populationen des Erregers, der weiten Verbreitung der Pilzsporen und der Häufigkeit von Isolaten mit Resistenz gegen Fungizide erschwert. Ein Ziel unserer Forschung ist es daher, die Wechselbeziehung zwischen Z. tritici mit dem Weizenmikrobiom zu erkunden. Dabei stellen wir die Hypothese auf, dass einige mit Weizen assoziierte Mikroben den Schutz gegen den Erreger erhöhen können.
Weizenassoziierte Bakterien beeinflussen das Wachstum von Zymoseptoria tritici
Wir haben Next-Generation-Sequencing verwendet, um die Vielfalt der Mikroorganismen zu charakterisieren, die mit Weizen assoziiert sind. Zunächst haben wir das Mikrobiom verschiedener Weizenarten, einschließlich domestizierter und wilder Sorten, charakterisiert und miteinander verglichen. Ebenso haben wir die Dynamik des Mikrobioms während der Entwicklung von Weizenkeimlingen aufgezeichnet. Eine Entdeckung, die wir dabei gemacht haben, ist, dass die Vielfalt der Bakterien, die mit kultiviertem Weizen assoziiert sind, ein größeres Maß an Zufälligkeiten aufweist als die Vielfalt der Bakterien, die mit wilden Weizenarten assoziiert sind [3, 4]. Diese Beobachtung könnte darauf hindeuten, dass die Domestizierung des Weizens zu einer geringeren Wirksamkeit der Pflanze bei der Gestaltung der Zusammensetzung ihres Mikrobioms geführt hat. Die Bedeutung von eher zufälligen mikrobiellen Gemeinschaften ist bisher nicht geklärt. Wir stellen die Hypothese auf, dass domestizierter Weizen eine geringere Fähigkeit hat, nützliche Bakterien aus dem Erdoden zu selektieren. Dies würde ein Potenzial für neue Züchtungsbemühungen zur Steigerung nützlicher Weizen-Mikroben-Assoziationen darstellen.
Des Weiteren haben wir die Auswirkungen einer Infektion mit Z. tritici auf die Zusammensetzung der Mikrobiota bei zwei verschiedenen Weizensorten, einer anfälligen und einer resistenten, untersucht. Wir konnten beobachten, dass sich die Zusammensetzung der Mikrobiota in beiden Weizensorten bei einer Infektion mit Z. tritici verändert [5]. Die stärkste Auswirkung auf die Zusammensetzung war bei der resistenten Sorte zu beobachten. Hier werden viele Mikroorganismen durch einen Schwall von Abwehrmolekülen gehemmt, darunter auch einige mit antibakteriellen Eigenschaften. Auch bei dem anfälligen Weizen wird die Zusammensetzung der Mikrobiota durch Z. tritici beeinflusst. Wir vermuten daher, dass der Erreger das Wachstum konkurrierender oder antagonistischer Mikroorganismen direkt hemmt.
Um die Wechselwirkungen von Z. tritici mit anderen Weizen-assoziierten Mikroben zu untersuchen, die wie der Pilz den interzellulären Raum von Weizenblättern besiedeln, haben wir Bakterien und Pilze aus dem sogenannten apoplastischen Raum isoliert (Abb. 2). Das ist der Raum zwischen den Blattzellen; eine besondere Nische, die gern und von verschiedenen Mikroorganismen bewohnt wird.
Unsere Sammlung umfasst inzwischen mehr als 2.000 Bakterien und mehrere Hundert Pilzstämme, die wir zusammen mit Z. tritici kultivieren können. Diese Sammlung hat es uns ermöglicht, zahlreiche antagonistische Interaktionen zu identifizieren; einige beinhalten die Unterdrückung des Bakterienwachstums durch Z. tritici, andere wiederum die Unterdrückung des Erregerwachstums durch Bakterien. Unsere Ergebnisse veranschaulichen deutlich einen bisher kaum verstandenen Aspekt der molekularen Pflanzenpathologie und weisen auf die Bedeutung mikrobieller Interaktionen bei der Unterdrückung und Entwicklung von Pflanzenkrankheiten hin.