Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für medizinische Forschung

Neuartige Fluoreszenzmoleküle für die optische Nanoskopie mit molekularer Auflösung

Autoren
Lincoln, Richard; Hell, Stefan W.
Abteilungen
Abteilung „Nanobiophotonik“
Zusammenfassung
Hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie (Nanoskopie) kann mittlerweile sogar molekulare Auflösungen erreichen. Dies erfordert neuartige Fluoreszenzmoleküle, welche den Anforderungen dieser Verfahren gerecht werden. Das Design kleinerer photoaktivierbarer fluoreszenter Moleküle verbessert die Markierung von Proteinen in lebenden Zellen und ermöglicht eine einfache Bildgebung auch mit den neuesten Nanoskopie-Konzepten. Wir haben eine neue Familie photoaktivierbarer Xanthon-Farbstoffe (PaX) entwickelt, die in der hochauflösenden Bildgebung vielseitig einsetzbar ist.

Einleitung

Hochauflösende Mikroskopieverfahren revolutionierten unsere Fähigkeit, die molekulare Maschinerie des Lebens mit noch nie dagewesener Auflösung abzubilden. Doch unabhängig von der verwendeten Methode der Fluoreszenzmikroskopie hängt die Detailtreue und Vollständigkeit des Bildes von der Visualisierung eines oder mehrerer fluoreszierender Moleküle (Fluorophore) ab, die an spezifische Biomoleküle angeheftet sind und vor dem Hintergrund des komplexen zellulären Milieus erkannt werden müssen.

Neueste Methoden, wie die von unserer Arbeitsgruppe entwickelte MINFLUX-Nanoskopie, erreichen optische Auflösungen auf molekularer Ebene. Hier sind die Eigenschaften des Fluorophors ein entscheidendes Element für den optimalen Einsatz in biologischen Anwendungen. Um ein realitätsgetreues Bild von dichten biologischen Proben zu erhalten, ist eine möglichst vollständige Markierung der Zielstruktur mit Fluorophoren erforderlich. Bei der Bestimmung der Fluorophorposition mit MINFLUX ist es jedoch gleichermaßen notwendig, dass nur eines dieser Moleküle zu einem bestimmten Zeitpunkt fluoresziert. Dieses einzelne An- und Aus-Schalten ist essentiell, damit eng benachbarte Moleküle voneinander unterscheidbar sind. Dies kann erreicht werden, indem die Farbstoffmoleküle chemisch zwischen einem nicht fluoreszierenden und einem fluoreszierenden Zustand umgeschaltet werden.

Idealerweise geschieht dieses Umschalten räumlich definiert, oder, falls das nicht möglich ist, auch räumlich zufällig in der Probe verteilt. Eine der einfachsten Möglichkeiten, das An- und Ausschalten zu kontrollieren, ist die Verwendung photoaktivierbarer Fluorophore, die UV-Licht benötigen, um angeschaltet zu werden, also die Fähigkeit zur Fluoreszenz zu erlangen. In der Vergangenheit wurden solche Moleküle mit photolabilen Schutzgruppen konstruiert, die durch das UV-Licht abgetrennt werden können. Diese sind jedoch von Natur aus groß und mit der Bildgebung in lebenden Zellen in der Regel unvereinbar.

Konvertierung von Fluorophoren mit Licht: Photoaktivierbare Xanthon-Farbstoffe

Mit der Wiederentdeckung klassischer photochemischer Prozesse hat unsere Abteilung „Optische Nanoskopie“ eine neue Kategorie von Fluorophoren entwickelt, die für superauflösende Mikroskopieverfahren (Nanoskopie) geeignet sind. Das Besondere an ihnen ist, dass sie nicht auf die obengenannten sperrigen photolabilen Schutzgruppen angewiesen sind. Wir haben diese neue Familie von Farbstoffen 'photoaktivierbare Xanthone' (PaX) genannt [1].

In unserem Moleküldesign haben wir eine lichtaktivierbare Radikalquelle mit einer intramolekularen reaktiven Radikalfalle kombiniert. Diese sind so angeordnet, dass das Molekül nur eine lichtgesteuerte chemische Umwandlung von einem fluoreszierenden Xanthen-Farbstoff entfernt ist. Während der Bildgebung im Mikroskop kann das Molekül mit einem UV-Photon dazu gebracht werden, sich schnell und sauber in das fluoreszierende Endprodukt umzuwandeln.

Vielseitigkeit bei Markierungs- und Bildgebungsverfahren

Dieses neue Moleküldesign ermöglichte die Herstellung bemerkenswert kompakter Fluorophore mit Emission, die über den gesamten sichtbaren Spektralbereich gewählt werden kann. Darüber hinaus lässt sich das PaX-Design mit einer Vielzahl gängiger Markierungstechniken zur Untersuchung biologischer Strukturen in fixierten oder lebenden Zellen einsetzen, einschließlich direkter und indirekter Immunfluoreszenz, organellenspezifischen Liganden und selbstmarkierenden Protein-Tags. Wir haben auch gezeigt, dass diese Farbstoffe in einer Vielzahl von hochauflösenden Mikroskopieverfahren eingesetzt werden können, darunter PALM, STED und sogar die MINFLUX-Nanoskopie, eine von uns entwickelte Technik, mit der Moleküle im Nanometer (Millionstel Millimeter)-Bereich sichtbar gemacht werden können.

Unsere neuen PaX-Farbstoffe ermöglichen verschiedene Strategien für die Vorbereitung biologischer Proben für die hochauflösende Mikroskopie und liefern konsistente Ergebnisse mit unterschiedlichen Mikroskopieverfahren. Derzeit wird daran gearbeitet, den nutzbaren spektralen Bereich zu erweitern [2] und die Grenzen dessen, was in der MINFLUX-Nanoskopie erreicht werden kann, weiter zu verschieben.

Eine modulare molekulare Plattform mit großem Potenzial

Wir sind überzeugt, dass das PaX-Design das Potenzial hat, neue molekulare Sonden zu entwickeln, die es vor allen Dingen erlauben, lebende Zellen mit molekularer Ortsauflösung zu analysieren. An der Erforschung dieser Molekülklasse wird weiterhin intensiv geforscht. Darüber hinaus könnte unser Ansatz, molekulare Umwandlungen mit Licht zu steuern, zur Entwicklung neuartiger lichtempfindlicher therapeutischer Moleküle für die Medizin führen.

Danksagung: Richard Lincoln erhielt für seine Forschungsarbeiten in der Abteilung die Stefan Hell Nobel Prize Fellowship der Max-Planck-Gesellschaft.

Literaturhinweise

Lincoln, R.; Bossi, M. L.; Remmel, M.; D‘Este, E.; Butkevich, A. N.; Hell, S. W.
A general design of caging-group-free photoactivatable fluorophores for live-cell nanoscopy.
Nature Chemistry 14, 1013-1020 (2022)
 
Likhotkin, I.; Lincoln, R.; Bossi, M. L.; Butkevich, A. N.; Hell, S. W.
Photoactivatable large Stokes shift fluorophores for multicolor nanoscopy.
Journal of the American Chemical Society 145, 1530-1534 (2023)
Zur Redakteursansicht