Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Kernphysik
Flüssigkristalle und ultraschnelle Laserspektroskopie
Angesichts der zunehmenden Bedeutung weicher Materialien in der heutigen Technologie und der außerordentlichen Fortschritte der ultraschnellen Spektroskopie zur Untersuchung von Licht-Materie-Wechselwirkungen hat dieses Projekt das Potenzial, die Tür zu neuen Anwendungen von LCs als organische und schaltbare Materialien durch kohärente Manipulation ihrer elektronischen Eigenschaften mit Hilfe intensiver THz-Strahlung zu öffnen. Darüber hinaus wird die Kenntnis der Sub-Pikosekunden-Dynamik in LCs-Systemen sowie des Grades der Kopplung zwischen Elektronen- und Kernbewegung einen unschätzbaren Beitrag für das künftige supramolekulare Design funktioneller LCs zum effizienten Transport von Ionen und Elektronen liefern.
Um ein solch ehrgeiziges Ziel zu erreichen, ist ein Verständnis der ultraschnellen Dynamik in LCs zwischen der flüssigen und der festen Phase auf molekularer Ebene unabdingbar, was die aktuelle Aufgabe der ULCD-Gruppe hier am MPIK ist. Im Einzelnen untersuchen wir:
Niederfrequente Strukturdynamik in LCs: von akustischen Phononen zu Librationen
Bereits 2015 wurde gezeigt, dass ultrakurze optische Femtosekundenpulse die elektronische Verteilung in LCs anregen können, wodurch eine ultraschnelle kollektive Molekulardynamik ausgelöst wird, die wiederum eine THz-Modulation des Brechungsindexes bewirkt [1]. Dies ist tausendmal schneller als jede bisher beobachtete Dynamik. Nun wollen wir die Korrelation zwischen der Wechselwirkung eines intensiven THz-Laserpulses mit der molekularen elektronischen Polarisierbarkeit besser verstehen und die Übertragung auf den nuklearen beziehungsweise phononischen Teil des Systems verfolgen, das heißt sowohl die Antwort einzelner Moleküle als auch die kollektive intermolekulare Antwort.
Nichtlineare LC-Antwort unter Starkfeldanregung
Die Idee besteht darin, den Prozess der Erzeugung hoher Harmonischer (HHG) als einen Mechanismus für die komplexe Dynamik in einem LC-Molekülsystem zu nutzen, der zugleich eine Probe seiner selbst darstellt. Dieser Ansatz wird es ermöglichen, nicht nur die Energieumverteilung zwischen allen Schwingungsmoden und deren Kohärenzgrad zu erfassen, sondern auch jede elektronische Umverteilung innerhalb des LC-Moleküls auf Zeitskalen, die noch nie zuvor untersucht wurden. In diesem Zusammenhang besteht eine der Herausforderungen darin, eine Lösung zu finden, die reine Flüssigkeit intensiven Laserpulsen auszusetzen, ohne dass ein Behälter verwendet wird. Wir haben zwei Strategien verfolgt: Zum einen realisierten wir einen kompakten Halter, der temperaturkontrollierte, freistehende Flüssigkristallfilme mit spezifischer Flüssigkristallausrichtung und Dicken in der Größenordnung von wenigen Mikrometern bilden kann. Zum anderen wurde ein rezirkulierendes, temperaturgesteuertes Flachstrahlsystem in modularer Weise gebaut, um unterschiedliche Dicken zu realisieren und um mit normalen Flüssigkeiten wie Ethanol und Wasser oder zähflüssigen LCs zu arbeiten, wozu ein sehr hoher Gegendruck und hohe Durchflussraten erforderlich sind.
Mikroskopische Beobachtung der molekularen Dynamik: LCs und harte Röntgenstrahlung
Freie-Elektronen-Laser (FEL) für Röntgenstrahlung sind unschätzbare Werkzeuge für ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden mikroskopischen Prozesse, insbesondere im Zusammenhang mit der Elektron-Kern-Wechselwirkung in LCs und generell immer dann, wenn eine Kombination aus ultraschneller Zeitauflösung und räumlicher Auflösung im Nanometerbereich erforderlich ist. In dem an der FXE-Endstation (Femtosecond X-Ray Experiments) des Europäischen Röntgenlasers EuXFEL (DESY, Hamburg) durchgeführten Experiment haben wir versucht, die kollektive Antwort der Kernbewegung von LCs zu untersuchen, indem wir mit einem optischen 800-nm-Pump-Puls und einem harten Röntgen-Probe-Puls zeitaufgelöste Beugungsmuster aufgenommen haben. Bei der untersuchten Probe handelte es sich um 8CB, das aufgrund seiner smektischen A-Phase ausgewählt wurde, die bei etwas über Raumtemperatur Schichten von zweidimensionalen Flüssigkeiten bildet. Mit der gewählten Phase lässt sich an dem freistehenden Filmprobenhalter eine kleine Menge (~µl) LC über eine kreisförmige Öffnung (Durchmesser 3 mm) in einer Kupferplatte ziehen, was zur Bildung eines dünnen (~2 µm) Films über der Öffnung führt (Abb. 3a). Diese Probe wurde in zwei verschiedenen Streugeometrien vermessen: Transmissionsgeometrie, die eine Charakterisierung der molekularen Ordnung innerhalb der Schicht mittels des diffusen flüssigkeitsähnlichen Streurings ermöglicht (Abb. 3b), und Reflexionsgeometrie im Bragg-Zustand, die empfindlich auf die Schichtstruktur reagiert (Abb. 3c).
Literaturhinweise
DOI: 10.1364/OE.23.014010