Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung
Die Rolle von Stoffwechselmediatoren in der Steuerung von Motivation
Die Fähigkeit, unter selektivem Druck zu überleben, hängt von der Fähigkeit unseres Gehirns ab, Sinnesreize, also sensorische Informationen, zu unserem Vorteil zu nutzen, um unsere physiologischen Bedürfnisse zu steuern. Zu diesem Zweck empfangen und verarbeiten neuronale Schaltkreise äußere Umweltreize und innere Stoffwechselsignale, um Verhalten zu motivieren.
Das sogenannte dopaminerge (DA) Mittelhirn spielt eine entscheidende Rolle bei motiviertem Verhalten und reagiert besonders empfindlich auf sogenannte peptiderge Botenstoffe des peripheren Stoffwechsels, wie Insulin oder Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1). In computergestützten Verhaltens- und fMRI-Studien konnten wir bereits zeigen, dass sensorisches Lernen – die Grundvoraussetzung für motiviertes Verhalten – beeinträchtigt ist, wenn die Regulation von Stoffwechselprozessen im zentralen Nervensystem gestört ist.
Zusammengenommen zeigen unsere Studien, dass eine mangelnde Integration äußerer Stoffwechselsignale in die DA-Funktion im Mittelhirn zu maladaptivem Verhalten beiträgt, wie es bei Adipositas zu beobachten ist, und dass über die Beeinträchtigung von Lernmechanismen physiologische Bedürfnisse unzureichend bewertet werden. Hier kann GLP-1 das Lernen sensorischer Assoziationen verstärken und das beeinträchtigte sensorisches Lernen bei adipösen Menschen normalisieren. Unsere Ergebnisse deuten soweit darauf hin, dass die Aktivierung des GLP-1-Rezeptors die lernbezogene Hirnaktivität bei insulinresistenten Menschen erhöht (Abb. 1).
Um die Rolle von Stoffwechsel-Faktoren bei der Regulation menschlichen Verhaltens besser zu verstehen, erarbeiten wir zur Zeit Verfahren, um in Humanstudien dem Zusammenwirken von Mediatoren dopaminerger neuronaler Antworten auf den Grund zu gehen. Frühere Studien in Tiermodellen haben gezeigt, dass der Hypothalamus eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Nahrungsaufnahme und des Energieverbrauchs spielt, indem er neuronale und hormonelle Signale miteinander verarbeitet. Hier steigern spezielle Neuronen, Agouti-verwandte Peptid-Neuronen (AgRP-Neuronen), die Motivation zur Nahrungsaufnahme, indem sie ein Hungersignal auslösen. Wie das jedoch im Einzelnen geschieht, ist noch weitgehend unerforscht.
Ziel unserer derzeitigen Studien ist es, unsere methodische Pipeline weiterzuentwickeln, um so ein Werkzeug zu erlangen, welches uns erlaubt, diese Signale im menschlichen Gehirn zuverlässig aufzugreifen und im Zusammenhang mit den neuronalen Antworten anderer Hirnregionen zu analysieren. In einer Pilotstudie konnte bislang die neuronale Antwort des Hypothalamus (auch arcuate nucleus genannt, kurz ARC) nach Glukoseaufnahme im Vergleich zu Wasser mit einer Ganzhirn-fMRT bestätigt werden (Abb. 2).
Mit dieser Art von Analysen ist es nunmehr leicht möglich, auch die neuronale Antwort der Glukoseaufnahme in anderen, z.B. dopaminergen Hirnarealen, abzubilden.
Langfristig wollen wir mit dieser Art Studien besser verstehen, wie Faktoren des Stoffwechsels unser Verhalten beeinflussen und über welche Hirnnetzwerke diese Verhaltensanpassungen gesteuert werden.