Forschungsbericht 2021 - Max-Planck-Institut für Astrophysik
Galaxienentstehung und Reionisation in den THESAN-Simulationen
Nach dem Urknall durchlief das Universum sein dunkles Zeitalter, eine Zeitspanne, in der es keine Lichtquellen gab. Dieses endete, als die ersten Sterne und – kurz darauf – die ersten Galaxien entstanden. Ihre intensive UV-Strahlung verwandelte das neutrale Wasserstoffgas im intergalaktischen Medium zwischen den Galaxien in ein hoch-ionisiertes Plasma; ein Prozess, der als kosmische Reionisation bezeichnet wird und vor 13 Milliarden Jahren stattfand. Trotz dieses engen Zusammenhangs zwischen der Entstehung der ersten Galaxien und der kosmischen Reionisation sind viele Prozesse noch immer kaum verstanden, da es äußerst schwierig ist, diese in der Geschichte des Universums sehr weit zurückliegende Zeitspanne zu beobachten. Dank einer Vielzahl neuer Teleskope wird diese Hürde jedoch bald überwunden sein. Das erste von ihnen, das James Webb Space Telescope, ist im Dezember 2021 gestartet.
Eine neue Generation von astrophysikalischen Simulationen
Um diese zukünftigen Beobachtungen in vollem Umfang nutzen zu können, entwickelte ein internationales Team unter der Leitung von Enrico Garaldi am MPA, Rahul Kannan in Harvard, und Aaron Smith am Massachusetts Institute of Technology, dem auch weitere MPA-Wissenschaftler angehören, eine neue, einzigartige Reihe von Simulationen, genannt THESAN. Sie gehen über den aktuellen Stand der Technik hinaus [1].
Simulationen sind ein unverzichtbarer Bestandteil im Werkzeugkasten der Astrophysiker. Sie ermöglichen es, die Zahl und Komplexität der physikalischen Prozesse, die bei der Entstehung von Galaxien eine Rolle spielen, zu untersuchen. Mit dem Wissen über die Anfangsbedingungen nach dem Urknall und die allgemein gültigen Gesetze der Physik simulierten wir die Entstehung und Entwicklung riesiger Strukturen und Regionen des Weltraums. Damit konnten wir nicht nur beobachten und offenlegen, wie die Prozesse der Strukturbildung ablaufen, sondern das detaillierte Bild aus den Simulationen auch nutzen, um rätselhafte Beobachtungen zu interpretieren.
Ein Universum in einem Supercomputer
Zum ersten Mal wurden all diese verschiedenen Techniken in einer großen kosmologischen Simulation zusammengeführt. Diese komplexe Kombination war nur mit Hilfe eines der größten Supercomputer der Welt, dem SuperMUC-NG am Leibniz Rechenzentrum in Garching bei München, möglich. Dort lief die Simulation gleichzeitig auf etwa 60.000 Rechenkernen, was insgesamt mehr als 50 Millionen CPU-Stunden entspricht. Würde man dieselben Simulationen auf einem normalen Computer ausführen, würde dieser mehr als 5700 Jahre lang rechnen.
Im Gegensatz zu früheren Studien wurden die Simulationen in der Thesan-Suite nicht auf die verfügbaren Beobachtungen der Reionisationsepoche abgestimmt. Vielmehr bauen sie auf den Erkenntnissen auf, die im Laufe der Jahre gesammelt wurden und bei denen das MPA eine entscheidende Rolle gespielt hat. Bemerkenswerterweise stimmen die simulierten Galaxien und das intergalaktische Medium sehr gut mit den verfügbaren Daten überein (Abbildung 1).
Neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Galaxien und Reionisation
Die vollständige Analyse der Simulationen wird viele Jahre in Anspruch nehmen, aber der Brückenschlag zwischen der Entstehung von Galaxien und der kosmischen Reionisation hat es uns bereits ermöglicht, zum ersten Mal eine Beobachtung bei frühen Galaxien zu reproduzieren: die Modulation der Strahlungsintensität um diese frühen Galaxien als Funktion der Entfernung zur Galaxie (Abbildung 2) [2, 3]. Damit alle Forscher von diesen umfangreichen Arbeiten profitieren können, werden wir die Simulationsdaten in den kommenden Monaten frei zugänglich machen.