Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Biophysik
Strukturelle Anforderungen an eine Flavin-basierte Elektronenbifurkation am Beispiel zweier Acyl-CoA Dehydrogenase/Elektronentransfer-Flavoprotein-Komplexe
Flavin-basierte Elektronenbifurkation
Jahrzehntelang haben sich Mikrobiologen die Frage gestellt, wie einige anaerobe Bakterien Wasserstoff aus dem Elektronenüberträger NADH produzieren können [1, 2]. Dieses Rätsel wurde anhand der 2008 entdeckten Flavin-basierten Elektronenbifurkation (FBEB) gelöst. Der FBEB Prozess umfasst die Kopplung einer exergonen mit einer endergonen Reduktion. Die dabei entstehende energiereiche Verbindung ist normalerweise ein Ferredoxin. Die Energiekopplung erfolgt durch ein Flavin (F), das eine 2e-Reduktion in zwei 1e Reduktionsprozesse mit unterschiedlichen Redoxpotentialen aufspalten kann, um das erste Elektron als schwaches (FH–/FH•; nicht definitiv geklärt, ob FH• oder F•– vorliegt) und das zweite als starkes (FH•/F) Reduktionsmittel einzusetzen (Abb. 1).
Zu den identifizierten FBEB Enzymen [1] zählen auch die Acyl-CoA-Dehydrogenasen/Elektronentransfer-Flavoprotein-Komplexe (Acd/EtfAB), Caffeyl-CoA-Dehydrogenase/EtfAB (CarC/EtfAB) [3] und Butyryl-CoADehydrogenase/EtfAB (Bcd/EtfAB) [4], deren Untersuchung zeigte, wie die Flavin-basierte Elektronenbifurkation (FBEB) auf struktureller Ebene realisiert wird.
Raumstrukturen der Acd/EtfAB-Komplexe
Acd/EtfAB-Komplexe sind strukturell aus einem tetrameren Acd (Bcd/CarC)-Kern aufgebaut, an den vier EtfAB-Heterodimere peripher angelagert sind [3-5]. EtfAB setzt sich aus einem unbeweglichen Modul, der EtfAB-Basis, die fest mit Acd assoziiert ist, und einem mobilen Modul (Domäne II) zusammen (Abb. 2a, b).
Alle drei Module beherbergen ein FAD: Bcd/CarC d-FAD, Domäne II a-FAD und die EtfAB-Basis b-FAD. EtfA der CarC/EtfAB trägt noch zwei [4Fe-4S]-Zentren in einem zusätzlichen N-terminalen Segment. Die mobile Domäne II bildet entweder zur EtfAB-Basis oder zur Acd einen Kontakt aus (Abb. 2a, b). Im B (Bifurkations)-Zustand sind a-FAD und b-FAD auf den Elektronentransfer (ET)-Modus geschaltet, während im D (Dehydrogenase)-Zustand ein ET von a-FAD nach d-FAD möglich wird. Daraus ergibt sich folgender Reaktionsablauf: (1) NADH bindet an b-FAD und überträgt ein Hydridion; (2) a-FAD (oder a-FAD•–) zieht von b-FADH– ein Elektron ab; (3) das verbliebene Elektron auf b-FADH• wird direkt oder über zwei [4Fe-4S]-Zentren auf das Ferredoxin transferiert. (4) Parallel dazu schwingt a-FAD•– (a-FADH–) zusammen mit Domäne II vom B- in den D-Zustand und leitet ein Elektron an d-FAD weiter. Im nächsten Schritt bindet ein zweites NADH an b-FAD und die Elektronenbifurkation wiederholt sich. Ein zweites Ferredoxin und d-FADH• werden reduziert und das entstandene d-FADH– überträgt ein Hydridion auf Crotonyl-CoA/Caffeyl-CoA.
Strukturelle Anforderungen an einen FBEB-Komplex
Strukturelle Organisation
Wie alle FBEB-Enzyme zeichnen sich die Acd/EtfAB-Komplexe durch einen modularen Aufbau und mehrere Flavine und/oder Eisen-Schwefel-Zentren aus [1]. Im Mittelpunkt steht das bifurkierende Flavin, b-FAD, das als 2e- zu 1e- Konverter dient und von dem zwei ET-Wege in unterschiedliche Richtungen abzweigen (Abb. 2a, b). Am Ende der beiden ET-Wege, ausgehend von b-FAD, liegen der 1e-Akzeptor Ferredoxin, der sein Elektron entweder direkt oder über mehrere Fe/S-Zentren (bisher wurden immer [4Fe-4S] Zentren identifiziert) aufnimmt, und ein 2e-aufnehmendes Substrat, zum Beispiel Caffeyl-CoA. Vor dieses Substrat muss zusätzlich mindestens ein 1e-Carrier (Abb. 1) und ein 1e- zu 2e-Konverter, meist ein Flavin, geschaltet werden. Zwei getrennte 2e-1e- und 1e-2e Konverter sind essentiell: Nur so kann die Energieaufspaltung bei den beiden 1e-Reduktionsreaktionen des Flavins nutzbar gemacht werden (Abb. 1). Der starke Elektronenakzeptor ist stets ein 2e-aufnehmendes Substrat, sodass ein vollständiger FBEB-Prozess immer zwei Durchläufe umfasst. Vermutlich ist auch die Implementierung eines 1e-Carriers (a-FAD) zwischen den 1e- zu 2e-Konvertern (b-FAD und d-FAD) essentiell, weil die letzteren nicht über die notwendigen Redoxpotentialeigenschaften verfügen. Weitere 1e-Carrier auf den ET-Wegen beeinflussen die FBEB nicht.
Polypeptidumgebung des bifurkierenden b-FADs
Das F/FH•-Potential muss gegenüber freiem Flavin erniedrigt und folglich das FH•/FH–-Potential von b-FAD erhöht sein, weil nur dann ein Elektron von FH• an Ferredoxin weitergegeben werden kann (Abb. 1). Zwei Strukturmerkmale könnten eine Rolle spielen. Die N1CO-Gruppe des Isoalloxazinrings in Acd-EtfAB-Komplexen ist von zwei Wasserstoffdonatoren und einer partiell positiv geladenen N-terminalen Helix umgeben (Abb. 2c), wodurch FH– gegenüber FH• stabilisiert wird. Ferner kontaktiert das Isoalloxazin N5-Atom ein Arginin, was im unprotonierten F-Zustand eine stärkere Wasserstoffbrücke als im protonierten FH•-Zustand ausbildet.
Polypeptidumgebung des 1e-Carriers a-FAD
Der 1e-Carrier zwischen dem 1e- und 2e-Konverter ist bei Acd/EtfAB Komplexen ein speziell „frisiertes“ Flavin (bei den anderen FBEB-Enzymen sind es Fe/S-Zentren), das ein stabiles F•–-Radikalanion ausbildet [5] und offensichtlich wie ein 1e-Carrier arbeitet. Die Proteinumgebung von a-FAD ist so gestaltet (Abb. 2d), dass die negativ geladenen F•– und FH– gegenüber F durch drei H-Brücken zu der N1CO-Gruppe und einer partiell positiv geladenen N-terminalen Helix besser neutralisiert werden als bei freiem FAD in Lösung. Ferner erlaubt ein Isoalloxazin N5-Threonin/Serin Kontakt, nicht-protoniertes F und F•– gegenüber FH– zu stabilisieren.
Konformationsänderungen
Die Durchführung von FBEB-Prozessen erfordert zum Teil große Bewegungen der Untereinheiten und Domänen. Bei den Acd/EtfAB-Komplexen rotiert Domäne II um etwa 90°, damit ein Elektron von b-FAD nach d-FAD übertragen werden kann (Abb. 2a, b). Möglicherweise dienen Konformationsänderungen zusätzlich noch der Steuerung der parallel ablaufenden Elektronenflüsse und der Koordinierung der FBEB-Reaktion insgesamt. So darf zum Beispiel zur 100%igen Kopplung der beiden Reduktionsprozesse der FBEB das zweite Elektron nicht zum starken 2e-Akzeptor gelangen, beziehungsweise wenn es bereits beim Ferredoxin angekommen ist, wieder zurückfließen (Abb. 1). Diese Kurzschlussreaktion könnte durch die beobachtete Vergrößerung des b-FAD - a-FAD Abstands verhindert werden.
Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche neue Erkenntnisse über den FBEB-Prozess erzielt wurden, sind Untersuchungen an weiteren FBEB-Komplexen, speziell zum Verständnis des bifurkierenden Flavins und der Koordinierung der einzelnen Prozessschritte, notwendig.
Literaturhinweise
Frontiers in Microbiology 9, 401-424 (2018)
Annual Review of Microbiology 72, 331-353 (2018)
FEBS Letters 592, 332-342 (2018)
Nature Communications 8: 1577 (2017)
Journal of Biological Chemistry 289, 5145-5157 (2014)