Forschungsbericht 2017 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie
Zoom ins Herz einer Radiogalaxie
Viele Galaxien enthalten ein zentrales Schwarzes Loch, das meist nur indirekt über seine gravitative Wirkung auf die nähere Umgebung nachweisbar ist. In einigen aktiven Galaxien strömen jedoch große Materiemengen aus einer umgebenden Scheibe aus Gas und Staub auf das Schwarze Loch zu, wodurch sie im Kern extrem hell erscheinen.
Dieser Vorgang ist noch spektakulärer, wenn er von einem Plasmaausstoß in stark gebündelten bipolaren Jets begleitet wird. Die energiereichen, nahezu lichtschnellen Jets erstrecken sich bis weit außerhalb der optisch sichtbaren Galaxie und senden Strahlung im gesamten elektromagnetischen Spektrum aus. Der Nachweis von Synchrotronstrahlung im Radiobereich zeigt die Existenz von Magnetfeldern im Plasmafluss. Sowohl theoretische Modelle [1] als auch numerische Simulationen [2] lassen darauf schließen, dass an der Basis (Fußpunkt) eines Jets in direkter Nachbarschaft des Schwarzen Lochs Magnetfelder eine Schlüsselrolle für dessen Entstehung und Dynamik spielen. Bisher ist nur wenig über die Eigenschaften des Zentralbereichs bekannt, in dem die Jets entstehen. Der dichte und stark magnetisierte Jetfußpunkt bleibt bei längeren Radiowellenlängen unsichtbar. Daher sind Messungen bei kürzeren Wellenlängen mit sehr hoher Auflösung bis in den Bereich des Schwarzschildradius des zentralen Schwarzen Lochs erforderlich. Der Schwarzschildradius ist ein Maß für die Ausdehnung des Schwarzen Lochs.
Beobachtungen mit höherer Auflösung
Die Untersuchung der Jetentstehung ist ausschlaggebend für die Entwicklung der Very Long Baseline Interferometry (VLBI) bei Millimeterwellenlängen. Bei dieser Messmethode wird das astronomische Signal gleichzeitig mit mehreren über die Erde verteilten Radioteleskopen aufgenommen und später so kombiniert, dass sich Interferenzstreifen ausbilden. Das ermöglicht eine extrem hohe Winkelauflösung, die von der gemessenen Wellenlänge und dem maximalen Abstand zwischen den beteiligten Teleskopen abhängt. Die Auflösung kann dabei durch Vergrößerung des Abstandes (wie beim Weltraum-VLBI) oder durch Verkleinerung der Wellenlänge weiter verbessert werden.
Letzteres ist ideal für die Untersuchung der Jets, da bei kürzeren Wellenlängen die Jetbasis durchlässiger für Synchrotronstrahlung wird. Die meisten bestehenden VLBI-Netzwerke arbeiten mit Strahlung bei Zentimeterwellenlängen. Die wird jedoch im kernnahen Bereich der Jets stark absorbiert. Bei Wellenlängen im Millimeterbereich wird die Jetmaterie hingegen zunehmend durchsichtig. Daher können mit Millimeter-VLBI die bisher unerforschten Regionen in der unmittelbaren Umgebung von Schwarzen Löchern mit hoher Auflösung beobachtet werden [3]. Mit dem Global Millimeter VLBI Array (GMVA) (Abb. 1), dem auch das 100-m-Radioteleskop des MPI für Radioastronomie in Effelsberg angehört, wurden Bilder der Entstehungsregionen von Jets für eine Reihe von Galaxien bei 3 mm Wellenlänge aufgenommen..
Optimale Zielobjekte für Millimeter-VLBI-Beobachtungen sind nahegelegene Radiogalaxien, deren Jets einen großen Winkel zur Sichtlinie aufweisen, die man also eher von der Seite sieht. Das ermöglicht die genaue Analyse des Jetplasmas, da Projektions- und relativistische Effekte stark reduziert sind.
Die 750 Millionen Lichtjahre entfernte Radiogalaxie Cygnus A ist ein besonders lohnendes Beobachtungsobjekt. Sie ist eine der stärksten Radioquellen am Himmel und gilt als der Prototyp einer hochenergetischen Doppelquelle (Abb. 2, oben). Ihre Kernregion kann durch Millimeter-VLBI mit einer Auflösung von bis zu 200 Schwarzschildradien abgebildet werden. Das ermöglicht die Untersuchung physikalischer Prozesse von Entstehung, Beschleunigung und Bündelung der Strahlung in den Jets.
Der Jet von Cygnus A und dessen Schwarzes Loch
VLBI-Beobachtungen bei 7 mm [4] und bei 3 mm [5] Wellenlänge zeigen den Jetfußpunkt in Cygnus A in bisher unerreichter Auflösung (Abb. 2, unten). Sie ermöglichen die Bestimmung fundamentaler Kenngrößen des Plasmaflusses wie Geschwindigkeit, Aussehen und innerer Struktur. Mit ihnen lassen sich nun unterschiedliche vorgeschlagene Mechanismen der Jetentstehung untersuchen.
Systematische Messungen über einen Zeitraum von zwei Jahren zeigen die Bewegung des Plasmas. Sie weisen darauf hin, dass es innerhalb von 1000 bis 10 000 Schwarzschildradien vom Schwarzen Loch bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird. Der Plasmafluss wird auf diesen Größenskalen auch gebündelt.
Weitere Informationen über die Entstehung des Jets kommen von der Analyse seiner inneren Struktur. Senkrecht zur Ausbreitungsachse erscheint der Jet sehr inhomogen, mit stärkerer Strahlung am Rand und schwächerer im Zentralbereich. Dieser Effekt geht vermutlich auf Geschwindigkeitsunterschiede des Plasmas zwischen Mitte und Rand zurück. Der Jet besteht aus einer zentralen Säule mit hoher relativistischer und einer äußeren Region mit niedrigerer Geschwindigkeit. Was könnte die Ursache für den Gradienten in der Ausbreitungsgeschwindigkeit sein?
Aus den neuen Radioaufnahmen lässt sich entnehmen, dass die Basis des Jets einen Durchmesser von mindestens 200 Schwarzschildradien aufweist. Das ist vermutlich größer als der Innenrand der Scheibe, weswegen die Astronomen vermuten, dass der Jet vorwiegend vom äußeren Rand der Scheibe ausgeht. [2]. Das stimmt mit den kinetischen Messergebnissen für Cygnus A überein. Zusätzlich lässt die schnellere Jetkomponente im Zentrum darauf schließen, dass es einen weiteren Mechanismus gibt, der die Plasmateilchen hier fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Dies könnte am Innenrand der Scheibe oder auch durch das Schwarze Loch selbst erfolgen.
Die neuen Millimeter-VLBI-Beobachtungen belegen zudem, dass Magnetfelder den von der Scheibe ausgehenden Teilchenwind bei niedriger relativistischer Geschwindigkeit antreiben. Dieser umschließt eine schnellere und nicht direkt sichtbare Zentralkomponente, die unmittelbar von der Kernregion von Cygnus A ausgeht.
Literaturhinweise
MNRAS 368,1561 (2006).