Die Mischung macht’s
Die Jenaer Summer School bringt Juristen, Psychologen und Ökonomen zusammen
Jedes Jahr im Juli, August treffen sich vier Wochen lang junge und etablierte Wissenschaftler zur Summer School in Jena. Sie kommen aus aller Welt, lernen, diskutieren und arbeiten an gemeinsamen Projekten. Am Ende stehen oft dauerhafte Bekanntschaften und neue Erkenntnisse.
Wenn eine Gruppe verreist und jeder zahlen darf, was er will: Wie entscheiden sich die einzelnen? – Es ist eine durchaus komplizierte Frage, die sich fünf junge Wissenschaftler der Jenaer Summer School für ihr spieltheoretisches Experiment vorgenommen haben. In die Aufgabenstellung fließt eine Vielzahl von Faktoren ein: Wie gut kennen sich die Gruppenmitglieder? Wie sehr achtet jeder auf sein Image? Verreisen sie nur dieses eine Mal oder öfter?
In nur vier Wochen arbeiten Michael Edem Fiagbenu, Meirav Furth-Matzkin, Elisa Hofmann, Asri Özgümüs und Amir Mohammad Tahamtan eine Hypothese aus, sie überlegen sich ein experimentelles Design und führen schließlich den Versuch durch, was normalerweise mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nimmt. Als Probanden dienen die Beteiligten der Summer School, weswegen am Ende kein repräsentatives Ergebnis steht – dafür aber eine Erfahrung, von der die Teilnehmer noch lange zehren.
Das sogenannte Group Assignment, das Übungsexperiment im Schnelldurchlauf, ist ein besonderes Element der Jenaer Summer School. Sie wird in diesem Jahr zum zehnten Mal von der IMPRS on Adapting Behaviour in a Fundamentally Uncertain World veranstaltet. Die Graduiertenschule des MPI für Bildungsforschung, des MPI zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern sowie der Universität Jena verbindet juristische, ökonomische und psychologische Ansätze, um menschliches Verhalten zu erklären.
Mehr Bewerber als Plätze
Die Summer School hat das Ziel, Inhalte und Methoden aus den drei Disziplinen zu vermitteln. Dazu sind neben dem Übungsexperiment, das diesmal in vier Gruppen stattfindet, Kurse, Übungen und Vorträge im Angebot. Rund 30 junge Forscher nehmen teil. Für die internen Teilnehmer gehört das Programm zum Curriculum der IMPRS. Die andere Hälfte hat sich von extern beworben, wobei es regelmäßig mehr Bewerber als Plätze gibt. Gute Chancen haben vor allem Doktoranden aus der Psychologie, den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, die ein interdisziplinäres Thema bearbeiten. Masterstudenten können ebenfalls teilnehmen, wenn noch Plätze frei sind. Entsprechend bunt gemischt ist der kleine Kreis: eine israelische Juristin aus Harvard, ein türkischer Wirtschaftswissenschaftler aus Trient, eine italienische Psychologin aus Bath, junge Forscher aus St. Gallen und Rotterdam, Mumbai und Teheran, Bonn, Berlin und Jena selbst. Die Kursgebühr für vier Wochen beträgt 150 Euro, am Ende gibt es Zertifikate über die bestandenen Kurse.
Interdisziplinäres Arbeiten ist für die meisten der jungen Leute eine neue Erfahrung. Im Group Assignment können sie in der Praxis testen, wie sich verschiedene Fächer auf einen Nenner bringen lassen. „Wir haben eine spannende Mischung: zwei Ökonomen, eine Rechtswissenschaftlerin und zwei Psychologen, von denen einer auch Neurowissenschaftler ist und die andere Medienwissenschaftlerin und Philosophin“, sagt Asri Özgümüs, der an der Uni Göttingen promoviert. „Man muss für andere Sichtweisen offen sein, manchmal redet man auch aneinander vorbei, aber am Ende finden wir immer einen Konsens.“
Sven Hoeppner, Postdoc von der Uni Gent, ist bereits zum vierten Mal dabei: „Das interdisziplinäre Programm ist einmalig in Europa, zumindest in meinem Fach“, schwärmt der Jurist. Er weiß es zudem zu schätzen, dass sich das Programm jedes Jahr ändert. „Dieses Jahr hat sich zum ersten Mal ein Kurs wiederholt, aber dadurch dass er sich weiterentwickelt hatte, war er wieder ein Gewinn.“ Auch für die Dozenten ist das interdisziplinäre Programm eine Herausforderung, sagt die Organisatorin Susanne Büchner. „Die Kurse sollten für die Fachfremden zu bewältigen sein und die jungen Kollegen aus dem eigenen Fach weiterbringen. Das ist nicht einfach, aber es funktioniert in der Regel gut.“ Susann Fiedler vom MPI zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern hat mit ihrem Kurs in Jena ebenfalls gute Erfahrungen gemacht, vor allem mit der Wissbegierde der Doktoranden: „So interessierte Zuhörer hat man selten. Die waren alle so schnell im Denken, sie haben so gut Querverbindungen zu ihren eigenen Themen gezogen, dass das Vorwissen letztendlich keine große Rolle spielte.“
Nähe im kleinen Kreis
Die kleine Gruppe von nur 30 Teilnehmern macht es den jungen Leuten leichter, direkt mit den etablierten Wissenschaftlern in Kontakt zu kommen. Einige Dozenten sind beispielsweise bei der Posterpräsentation dabei, mit der die Doktoranden ihre Themen vorstellen. Man geht gemeinsam essen oder trifft sich auch mal abends auf ein Bier und diskutiert im entspannten Rahmen weiter über fachliche Fragen. Wochenendausflüge bieten weitere Gelegenheiten zum Austausch.
Besonders langlebig ist das Netzwerk, das die Teilnehmer im Group Assignment knüpfen. Manche führen im Nachgang ihr Experiment mit richtigen Probanden durch und publizieren die Ergebnisse. Doch selbst wenn die Zusammenarbeit nicht so weit reicht – für die eigene Arbeit sind die Kontakte immer wieder nützlich, weiß etwa die Jenaer Doktorandin Christina Strobel, die 2015 am Group Assignment teilgenommen hat: „Wenn ich ein Problem mit der Datenanalyse habe, erinnere ich mich: Da war doch der eine, der sich so gut damit ausgekannt hat, und kann den einfach anschreiben.“
Mechthild Zimmermann