Carl Bosch
Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1937 - 1940
Als Nachfolger Max Plancks wählte der Senat der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am 29. Mai 1937 den früheren Generaldirektor der IG-Farben und Nobelpreisträger für Chemie, Carl Bosch. Er trat ein schweres Amt an. Mit dem Präsidentenwechsel vollzog sich ein deutlicher Umbruch in der Führungsstruktur der Gesellschaft: Auch in der KWG galt künftig das „NS-Führerprinzip“. Parallel mussten leitende Mitarbeiter wie Friedrich Glum und Lukas von Cranach ihre Positionen räumen. Als Präsident hat der kantige und zurückhaltende Carl Bosch die Geschicke der KWG nur wenig geprägt. Zwar machte er mehrfach vergeblich seinen hohen gesellschaftlichen Einfluss geltend, um jüdische Wissenschaftler wie Lise Meitner und Otto Meyerhof von der Verfolgung zu bewahren, das Tagesgeschäft überließ er jedoch zunehmend seinem engen Mitarbeiter Ernst Telschow. Bosch selbst begab sich auf mehrere Auslandsreisen, mit denen er seine zunehmenden Depressionen zu bekämpfen suchte. Verzweifelt über die politische Situation Deutschlands starb er bereits 1940 in Heidelberg.
Der 1874 in Köln geborene Bosch war einer der wichtigsten Industriellen und Förderer der deutschen Wissenschaft. In seinem Leben spiegelt sich die Ambivalenz und Brüchigkeit des 20. Jahrhunderts wider. Vor seinem Maschinenbau- und Chemiestudium in Berlin und Leipzig hatte der Neffe Robert Boschs zunächst eine praktische Lehre in der schlesischen Hüttenindustrie gemacht. Nach der Promotion in Leipzig startete Bosch 1899 eine große Karriere als Chemiker bei der Badischen Anilin & Soda-Fabrik in Ludwigshafen. Dort stieg er vom wissenschaftlichen Mitarbeiter 1919 zum Vorstandsvorsitzenden der BASF auf. Bis 1913 schuf er die Voraussetzungen für die großindustrielle Produktion von synthetisch hergestelltem Ammoniak auf Grundlage der von Fritz Haber entwickelten Ammoniak-Synthese. (Haber-Bosch-Verfahren). Die weltweit erste Ammoniak-Synthese-Anlage entstand 1913 in Oppau nahe Ludwigshafen und produzierte bereits 1914 40 Tonnen täglich. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs – Bosch war inzwischen zum Direktor der BASF avanciert – gab er der Obersten Heeresleitung das berühmt gewordene Salpeter-Versprechen: Bereits 1915 stellte die BASF die für die Herstellung von Sprengstoff notwendige Salpetersäure her.
Zur Gallionsfigur der deutschen Chemieindustrie wurde Bosch 1925, als er den Zusammenschluss von acht Chemiefirmen zur Interessensgemeinschaft Farbindustrie AG (I.G. Farben AG) durchsetzte. Bosch war erster Vorstandsvorsitzender der größten Chemiefabrik und damit die absolut dominante Persönlichkeit im Unternehme. 1935 wechselte er in den Aufsichtsrat. Neben seinen umfassenden Management-Aufgaben entwickelte Bosch weitere katalytische Hochdruckverfahren, die unter anderem in der künstlichen Gewinnung von Benzin durch Kohlehdryierung mündeten. Gemeinsam mit Friedrich Gergius erhielt Bosch 1931 den Nobelpreis für Chemie. In der Weimarer Republik war der an sich unpolitische Bosch Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei. Gegenüber den Nationalsozialisten verhielt er sich widersprüchlich. So geißelte er auf der einen Seite die Judenverfolgung und setzte sich bei Hitler für den Verbleib jüdischer Wissenschaftler in Deutschland ein. Auf der anderen Seite profitierte er von Hitlers Wirtschaftspolitik und schloss mit den Nationalsozialisten einen Vertrag über das von den IG Farben hergestellte synthetische Benzin ab. Boschs Hoffnung, dass die Nationalsozialisten die Verfolgung jüdischer Wissenschaftler einstellen würden, erfüllte sich nicht. Bosch zog sich zunehmend in seine eigene Gedankenwelt zurück, widmete sich seiner Sternwarte im Garten seiner Villa oder der Käfersammlung und starb von den Nationalsozialisten als persona non grata erklärt in tiefer Resignation.