Forschungsbericht 2004 - Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien GmbH
Herstellung von Nanostrukturen durch gerichtete Erstarrung von Eutektika
Grenzflächenchemie und Oberflächentechnik (Prof. Stratmann) (Prof. Dr. Martin Stratmann)
MPI für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf
Werkstofftechnik (Prof. Raabe, kommissarisch) (Prof. Dr.-Ing. Dierk Raabe)
MPI für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf
Motivation
In den vergangenen Jahren hat das Interesse von Wissenschaftlern, der Industrie und der Öffentlichkeit an der Nanotechnologie stark zugenommen. Durch Verkleinerung von Strukturen ist es möglich, auf kleinerer Fläche mehr Funktionseinheiten wie beispielsweise Transistoren zu implementieren. Andererseits treten in nanoskopischen Dimensionen Effekte auf, die weder in mikroskopischen noch in makroskopischen Größenordnungen beobachtet werden [1].
Eine außerordentlich wichtige Rolle für die Nanotechnologie spielen geeignete Verfahren zur Herstellung der benötigten Materialien. Für einzelne wissenschaftliche Untersuchungen kann die Manipulation von Atomen mithilfe eines Rasterkraftmikroskops von Interesse sein [2]. Technisch relevante Mengen nanoskopischer Materialien müssen jedoch durch massive Parallelisierbarkeit im Herstellungsverfahren oder durch Selbstorganisation der Strukturen zugänglich sein.
Herstellung selbstorganisierter Nanostrukturen durch gerichtete Erstarrung
Ein vielversprechendes Verfahren zur Herstellung selbstorganisierter Nanostrukturen (SONS) ist die gerichtete Erstarrung von Eutektika, von der hier berichtet werden soll.
Bei der Erstarrung eines Eutektikums scheiden sich beide Phasen gleichzeitig aus. Die sich herausbildende Struktur ist ein kompliziertes Ergebnis kinetischer und thermodynamischer Effekte. Einerseits soll durch die Erstarrung die Energie minimiert werden, was grundsätzlich zur Ausbildung großer Strukturelemente führt. Andererseits muss zur Ausbildung eine Aktivierungsenergie überwunden werden, was die Größe nach oben hin begrenzt. Zunächst mag es widersprüchlich erscheinen, zur Herstellung von Nanostrukturen einen Bridgman-Ofen zu verwenden, der für gewöhnlich der Herstellung großer Einkristalle dient. Bewegt man eine eutektische Schmelze in einem Bridgman-Ofen, so wird die Schmelze in eine kältere Zone gebracht, in der sie zu erstarren beginnt. Beide Phasen scheiden sich gleichzeitig ab. Zwischen der Schmelze und der festen Phase bildet sich abhängig vom Temperaturgradienten und von der Ziehgeschwindigkeit eine unterkühlte Schmelze. Die Phasenseparation hängt von der Strecke ab, welche die Atome lateral diffundieren können bevor sie gebunden werden. Das so prozessierte Material weist dann in Wachstumsrichtung durchgehende Phasen auf, die lateral hierzu alternierend strukturiert sind. Je nach Volumenanteil der Phasen in der Legierung werden geschichtete Systeme oder Systeme mit Drähten, die in einer Gastphase eingebettet sind, gebildet [3].
Das ternäre, quasibinäre System NiAl-Re wurde bei 1690 °C unter einem Temperaturgradienten von 4000 K/m mit einer Zuggeschwindigkeit von 30 mm/h gerichtet erstarrt. Dabei bilden sich Rheniumdrähte, welche in der einkristallinen Matrix der Majoritätsphase NiAl eingebettet sind. Das derart hergestellte Material kann chemisch oder elektrochemisch weiterbehandelt werden. Eine Übersicht der bereits durchgeführten Bearbeitungsschritte und der in Aussicht genommenen Untersuchungen stellt Abbildung 1 dar [4].
Herstellung metallischer Nanodrahtarrays durch selektive Ätzung
Die chemische Stabilität der metallischen Phasen gegenüber angreifenden Chemikalien ist sehr unterschiedlich. Wie in Abbildung 2 gezeigt, können die in der Matrix eingebetteten Drähte durch selektive Ätzung der Matrix freigelegt werden [5]. Besonders bemerkenswert ist neben sehr einheitlichem Durchmesser und Länge die Tatsache, dass jeder dieser Drähte ein Einkristall ist. Dies ist für eine mögliche Anwendung als elektrochemischer Sensor von Bedeutung, da die kristallographische Orientierung der Elektrode die an ihr ablaufenden Reaktionen beeinflusst. Hierzu wäre es wünschenswert, die Stirnflächen der Drahtelektroden in einer planen, elektrisch isolierenden Fläche einzubetten. Dies soll durch isotropes Ätzen der Matrix, anschließendes Einbetten in Polymer und Planschleifen der Elektrode erfolgen.
Je nach Orientierung des gerichtet erstarrten Materials lassen sich auch kompliziertere Prozessschritte realisieren. Einerseits kann durch geeignete Wahl des angreifenden Mediums eine anisotrope Ätzung erfolgen, durch die parallel verlaufende Gräben in der Matrix erzeugt werden, die dann ihrerseits von Nanodrähten überspannt werden (Abb. 1). Unter geeigneter Reaktionsführung werden die in Abbildung 3 gezeigten Strukturen erhalten, bei denen an der Spitze des Drahtes ein Kristall größeren Durchmessers sitzt. Der identische Habitus benachbarter Kristalle ist ein wichtiger Indizienbeweis für die sogar azimuthal identische kristallographische Orientierung der Drähte, die inzwischen auch durch Elektronenrückstreuanalyse (EBSD) an mit einem fokussierten Ionenstrahl (FIB) präparierten Proben nachgewiesen werden konnte [6].
Durch fortgeführtes Ätzen kann die Matrix vollständig aufgelöst werden. Auf diese Weise sind auch isolierte Nanodrähte darstellbar (Abb. 1).
Herstellung von Nanoporen durch selektive Elektrooxidation
Den Pourbaix-Diagrammen der Elemente Ni, Al und Re zufolge sollten bei einem pH-Wert von 6,0 der Lösung und in einem Potenzialbereich bis 2 V Aluminium und Nickel als unlösliche Oxide vorliegen, Rhenium hingegen hauptsächlich als Perrhenat [7]. Diesen Unterschied im elektrochemischen Verhalten kann man sich zunutze machen, um gleichzeitig die NiAl-Matrix zu passivieren und die Re-Drähte aufzulösen. Hierdurch ist es möglich, Arrays von Nanoporen zu erhalten (Abb. 4) [8].
Ob mit dieser Methode durch vollständiges Herauslösen der Drähte die Herstellung von Nanofiltern gelingt, wird derzeit untersucht. Zumindest ist es möglich, in die Nanoporen edle Metalle wie beispielsweise Gold abzuscheiden. Führt man diesen Prozess weiter fort, scheidet sich das Gold auf der bereits aufgefüllten Pore als Hemisphäre ab.
Ausblick
Gerichtet erstarrte Eutektika bieten dank Ihrer einfachen Handhabbarkeit eine vielseitige Quelle zur Herstellung nanostrukturierter Materialien. Die Vorteile liegen in dem hohen Aspektverhältnis von über 1000, in der Selbstorganisation, in der Anwendbarkeit auf Metalle und Halbleiter und insbesondere in der Herstellung einkristalliner Systeme. Durchmesser und Abstand können, wenn auch nicht unabhängig voneinander, durch Einstellen des Temperaturgradienten und der Ziehgeschwindigkeit in weiten Bereichen variiert werden. Das Verfahren kann auch auf Festphasenreaktionen erweitert werden und gestattet dann beispielsweise die Herstellung von Golddrahtarrays mit Drahtdurchmessern von 45 nm. Durch Verwendung von Schablonen soll in Zukunft ein noch höherer Grad an Regelmäßigkeit erzielt werden. Potenzielle Anwendungen für die hier vorgestellten Nanostrukturen liegen in der Herstellung von Nanofiltern zur Ultrafiltration oder Sterilfiltration und zur Verwendung als permselektive Filter zur Gasreinigung. Nanoelektrodenarrays könnten Verwendung in elektrochemischen Sensoren finden. Durch Betrieb im Diffusionsgrenzstrombereich sollte bei geeigneter Elektrodengeometrie eine exakte Überlappung der Diffusionshemisphären zu einem unverändert hohen Stoffumsatz führen, während der Hintergrundstrom durch die Reduktion der aktiver Elektrodenoberfläche minimiert würde. In günstigen Fällen sollte so eine Erhöhung des Signal-Rausch-Verhältnisses von bis zu 100 erzielbar sein.
Danksagung
Sowohl die Max-Planck-Gesellschaft als auch die DeutscheForschungsgemeinschaft (DFG Schwerpunktprogramm SPP1165, Nanodrähte und Nanoröhren von kontrollierter Synthese zur Funktion) haben diese Arbeit finanziell unterstützt. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich.