Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik

Pension Maps: Visualisierung der institutionellen Struktur der Alterssicherung weltweit

Autoren
Becker, Ulrich, et al.
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, München

Zusammenfassung
Der „Renten-Atlas“, an dem Wissenschaftler:innen aus aller Welt mitgearbeitet haben, zielt darauf ab, Rentensysteme auf einen Blick verstehen und vergleichen zu können. Anhand der Pension Maps – übersichtliche Grafiken für 29 untersuchte Länder – lässt sich leicht erkennen, wie die Alterssicherung in einem Land organisiert ist, wem Zugang gewährt wird und wie hoch das durchschnittliche Rentenniveau im Vergleich zum Durchschnitt in der EU und der OECD ist. Auf diese Weise trägt das Projekt zu einem besseren Verständnis der Unterschiede in den Alterssicherungssystemen bei.
 

Forschungsprojekt

Welches Land hat das beste Rentensystem? Mit dieser Frage ist unser Institut immer wieder konfrontiert worden. So verständlich sie auch ist, ist sie doch unmöglich zu beantworten. Die Einführung und Ausgestaltung von Sozialleistungssystemen hängt von politischen Entscheidungen ab, die in einer bestimmten historischen Situation getroffen werden und ihrer eigenen Logik folgen. Hinzu kommt, dass sich die Alterssicherung in fast allen Ländern auf unterschiedliche Institutionen stützt. Das Zusammenspiel der verschiedenen Alterssicherungssysteme und damit auch die Rolle eines einzelnen Systems innerhalb der jeweiligen institutionellen Landschaft lässt sich nur schwer zusammenfassen und kann von Land zu Land unterschiedlich sein.

Natürlich kann man diese Unterschiede und die institutionellen Strukturen in vielen Worten erklären. Aber warum sollte man nicht versuchen, sie sichtbar zu machen, um auf einen Blick die wesentlichen Teile eines Rentensystems erfassen zu können? Dies ist der Grundgedanke der „Pension Maps“. 38 Forscher aus der ganzen Welt haben zu diesem Gemeinschaftsprojekt beigetragen – von Portugal bis China, von Brasilien bis Finnland. Bis heute wurden 29 Rentenkarten erstellt, die alle auf der Homepage des Instituts abrufbar sind und einen Überblick über die Vielfalt der Organisation der Alterssicherung in europäischen und außereuropäischen Ländern geben [1].

Kategoriensystem und Struktur der Pension Maps

Um zu präzisen und vergleichbaren Pension Maps zu gelangen, wurden klare Kategorien entwickelt, die auf folgenden Parametern beruhen: Rechtsform, Funktion, Zugangsberechtigung, Art der Zugehörigkeit, Bedürftigkeitsprüfung sowie Finanzierungsarten und -quellen. Alle Angaben basieren auf der Annahme, dass eine Person im Jahr 2020 ins Erwerbsleben eintritt.

In einer Pension Map wird jedes Alterssicherungssystem als Kasten dargestellt, ein Rechteck mit zwei Dimensionen (siehe Grafiken). Diese Dimensionen spiegeln die Funktionalität des Systems wider: in Bezug auf das angebotene Schutzniveau (auf der y-Achse) und in Bezug auf die Abdeckung, das heißt die Personengruppen, die (potenziell) durch dieses spezifische System geschützt sind (auf der x-Achse). Die vertikale oder y-Achse ist in drei Abschnitte unterteilt, die das Schutzniveau darstellen: Grundversorgung, Regelversorgung und Zusatzversorgung. Zusätzlich stellen die Kreise auf der y-Achse die tatsächlichen Nettoersatzquoten der Rentenleistungen aus den staatlichen Pflichtsystemen für Durchschnittsverdiener mit voller Erwerbsbiografie dar, wie sie von der OECD angegeben werden. Dies ermöglicht einen Vergleich des Schutzniveaus der öffentlichen Systeme, die unter den Standardschutz fallen, zwischen dem jeweiligen Land und dem Durchschnitt der EU-28 und dem der OECD.

Die horizontale oder x-Achse zeigt die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15–64 Jahre). Die Breite der Boxen zu den obligatorischen Rentensystemen gibt die „faktische Abdeckung“ an, das heißt den Umfang der Personen mit einer aktiven Mitgliedschaft im Verhältnis zur Gesamtheit der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Spezialisierte Systeme mit einem Deckungsgrad von weniger als 0,2 Prozent und ausschließlicher Mitgliedschaft für bestimmte Berufsgruppen sind durch eine gerade Linie gekennzeichnet. Bei freiwilligen Systemen wird der „beabsichtigte Erfassungsbereich“ dargestellt, das heißt der Personenkreis, der Zugang zum System hat.

Ein übersichtlicher, einseitiger Leitfaden erklärt die Bedeutung aller Bestandteile der Pension Maps. Darüber hinaus wird jede Pension Map von Informationen zu Geltungsbereich, Finanzierungsmechanismus, Verwaltung, Anspruchsvoraussetzungen und der Berechnung der Leistungen begleitet.

Einige Ergebnisse

Große Unterschiede in der Alterssicherung ergeben sich durch die Art und Weise, wie die staatliche, berufliche und private Rente ausgestaltet ist und welches Gewicht die Vorsorgezweige haben: So erreicht die staatliche Rente in nordischen Ländern wie Schweden, Norwegen und Dänemark, die aufgrund ihrer universellen Abdeckung gern als Vorbildländer betrachtet werden, ein im EU-Vergleich unterdurchschnittliches Sicherungsniveau, das sich erst durch die – im Gegensatz zu Deutschland meist verpflichtende – berufliche Versorgung zum Teil deutlich erhöht.

Demgegenüber sichern die südeuropäischen Länder Spanien, Italien und Portugal ihre Bevölkerung hauptsächlich über die staatlichen Rentenversicherungssysteme ab. Die relativ hohen Lohnersatzraten von über 80 Prozent (Deutschland: 51,9 Prozent, EU: 55,5 Prozent) haben jedoch ihren Preis in ebenfalls hohen Beitragssätzen, die weit über dem deutschen Anteil von derzeit 18,6 Prozent liegen. In Italien beträgt der Beitrag zur Rentenversicherung 33 Prozent, wobei Arbeitgeber:innen deutlich mehr bezahlen als Arbeitnehmer:innen, während die Finanzierung in Deutschland mit je 8,3 Prozent paritätisch erfolgt.

Aber nicht nur Unterschiede zwischen Ländern mit verschiedenen Wohlfahrtssystemen lassen sich erkennen, sondern auch Variationen innerhalb einer Länderregion mit einem ähnlichen politischen Hintergrund. In Osteuropa sind in den 1990er-Jahren einige Staaten dem Aufruf der Weltbank gefolgt, einen Teil der Alterssicherung über kapitalgedeckte private Programme auszugestalten, andere bauten wesentlich stärker auf die gesetzliche Rentenversicherung. Der Weg der privaten Vorsorge als Teil der Regelversorgung hat sich dabei für manche Länder als weniger erfolgreich erwiesen, um eine auskömmliche Standardsicherung im Alter zu erzielen. Für Estland und Polen, die dabei sind, den privaten Vorsorgeanteil ganz oder teilweise wieder in die staatliche Rentenversicherung zu überführen, kann das Modell sogar als weitestgehend gescheitert betrachtet werden.

Wie diese Beispiele zeigen, bieten die Pension Maps eine reichhaltige Datenbasis für die vergleichende Untersuchung von Systemen der Alterssicherung und können die öffentliche Diskussion darüber anregen, wie Sozialpolitik ausgestaltet werden kann und was sich von anderen Ländern lernen lässt.

Literaturhinweis

Schneider, S. M.; Petrova, T.; Becker, U. (Hrsg.)
 
Pension Maps: Visualising the Institutional Structure of Old Age Security in Europe and Beyond
2. Aufl., München: MPISOC (2021)
 
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