Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Integrierte photonische Schaltkreise liefern Licht für die Hirnforschung 

Autoren
Poon, Joyce
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, Halle (Saale)

Zusammenfassung
Die Abteilung Nanophotonik, Integration und Neuronale Technologie am MPI für Mikrostrukturphysik entwickelt Technologien für photonische Schaltkreise im Wafer-Maßstab zur Miniaturisierung und Erhöhung der Integrationsdichte optischer Systeme. Solche Mikrochip-Technologien können zahlreiche Anwendungen verändern, z. B. Displays, Quanteninformation und Sensorik. Die Abteilung nutzt diese Möglichkeiten, um eine Reihe multifunktionaler implantierbarer Chips mit einer Schnittstelle zum Gehirn zu entwickeln und so die Neurowissenschaft voranzubringen. Die Systeme werden in neurowissenschaftlichen Labors für die Explorations- und Gesundheitsforschung eingesetzt.
 

Die Abteilung Nanophotonik, Integration und Neuronale Technologie am MPI für Mikrostrukturphysik entwickelt Technologien für photonische Schaltkreise im Wafer-Maßstab zur Miniaturisierung und Erhöhung der Integrationsdichte optischer Systeme. Solche Mikrochip-Technologien können zahlreiche Anwendungen verändern, z. B. Displays, Quanteninformation und Sensorik. Die Abteilung nutzt diese Möglichkeiten, um eine Reihe multifunktionaler implantierbarer Chips mit einer Schnittstelle zum Gehirn zu entwickeln und so die Neurowissenschaft voranzubringen. Die Systeme werden in neurowissenschaftlichen Labors für die Explorations- und Gesundheitsforschung eingesetzt.

Silizium (Si)-Photonik ist eine Technologie, die die Infrastruktur der Silizium-Mikroelektronikfertigung nutzt, um photonische Komponenten und Schaltkreise im großen Maßstab herzustellen. Pro Chip werden so Kosten reduziert, während Komplexität und Dichte der Integration erhöht werden. Die heutige Si-integrierte Photonik ist für infrarote Wellenlängen optimiert, die in der Glasfaser-Datenübertragung Verwendung finden, doch viele neue Anwendungsbereiche wie Laser-Scanning-Displays, Biosensorik und Quantenkontrolle verwenden kürzere Lichtwellenlängen im sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums. Um Miniaturisierung und Skalierung bei diesen Anwendungen zu ermöglichen, untersuchen wir in der Abteilung Nanophotonik, Integration und neuronale Technologie (NINT) des MPI für Mikrostrukturphysik integrierte Photonik-Systeme auf Si- Basis für Anwendungen mit sichtbarem Licht.

In Zusammenarbeit mit Advanced Micro Foundry (AMF) in Singapur haben wir eine der funktionalsten integrierten Photonikplattformen für das sichtbare Spektrum auf Siliziumwafern von 200mm Durchmesser herstellen können. Unsere Plattform ist die erste ihrer Art, die über monolithisch integrierte (d.h. auf demselben Substrat hergestellte) Siliziumnitrid (SiN)-Lichtwellenleiter, effiziente Breitband-Faser-Chip-Koppler, thermooptische Phasenschieber, Wellenleiter-Photodetektoren und mikroelektromechanische Systeme (MEMS) verfügt. Diese Bauelemente sind in Abb.1 veranschaulicht. Die Wafer werden in den Fertigungsanlagen von AMF hergestellt, und die Systeme könnten in den nächsten ein bis zwei Jahren für die Öffentlichkeit verfügbar sein. Wir arbeiten momentan an der heterogenen Integration von Lasern und elektro-optischen Modulatoren hoher Bandbreiten, die zur weiteren Nutzbarkeit photonischer Schaltkreise beitragen werden.

Während integrierte Photonik im sichtbaren Lichtspektrum viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten hat, haben wir uns darauf konzentriert, diese Technologie für die Entwicklung einer Reihe von Miniatur-Implantaten zur Kartierung von Gehirnaktivitäten zu nutzen. Die Optogenetik ermöglicht es, genetisch veränderte Neuronentypen optisch zu stimulieren und zu untersuchen, um neuronale Vernetzung genau analysieren zu können. Um Licht in Gehirnregionen zu leiten, die tiefer als die Großhirnrinde und der optisch durchdringbare Gewebebereich liegen, ist es notwendig, Elemente zu benutzen, die in der Tiefe Licht abgeben. Der Großteil der implantierbaren optischen Elemente, wie Glasfasern oder Leuchtdioden, kann jedoch nicht genügend kontrolliert werden, um Lichtstrahlen zu erzeugen, die spezifische Hirnstrukturen präzise beleuchten. Implantatierbare Sonden, die auf Lichtwellenleitern basieren und Licht durch Gitter aussenden, können die Lichtverteilung innerhalb des Gehirns flexibel und präzise strukturieren.

Es ist uns gelungen, nanophotonische neuronale Sonden mit integrierten photonischen Schaltkreisen zu präsentieren, die Strahlen mit geringer Divergenz, planare Lichtscheiben und lenkbare Lichtstrahlen erzeugen (Abb. 2(a)) [1-3]. Verschiedene Emissionsmuster werden für spezifische Experimente maßgeschneidert. Beispielsweise sind lenkbare Strahlen für gezielte Stimulationen nutzbar, während planare Lichtscheiben für Stimulationen oder die Bildgebung von Schichten benötigt werden. Die implantierbaren Sonden wurden bei AMF auf Siliziumchips von 200mm Durchmesser hergestellt. Abb. 2(a) zeigt eine Sonde zur kombinierten Elektrophysiologie und Lichtstimulation mit ihrem Querschnittsschema. Jede einzelne Sonde enthielt bis zu 72 Titaniumnitrid (TiN)-Oberflächenelektroden zur elektrophysiologischen Aufzeichnung. 16 optische Strahler sind dabei auf 1 bis 4 Schäften angebracht. Dieser Schäfte sind mit einer Breite zwischen 100 und 154 μm und Längen zwischen 3 und 6 mm klein genug, um die tiefen Hirnregionen einer Maus zu erreichen.

Im vergangenen Jahr haben wir auch das System für die Anwendung unserer Chips in neurowissenschaftlichen Laboren verbessern können. Unsere Sonden werden mithilfe eines tischgroßen Laserscanners montiert, der Licht in eine spezielle Mehrfachfaser einspeist, in der die einzelnen Fasern durch einen Koppler mit der Sonde verbunden werden. Um den Durchsatz bei der Herstellung zu verbessern, haben wir mit der ficonTEC GmbH ein maßgeschneidertes System zur halbautomatischen aktiven Ausrichtung der Neuralsonden entwickelt. Abb. 2(c) zeigt dieses System und eine Sonde, die an einer speziellen 16-Leiter-Faser angebracht ist. Abb. 2(d) zeigt die einsatzbereiten Sonden, die durch Drahtbonding auf einer flexiblen Leiterplatte (PCB) montiert sind. Das elektrophysiologische Auslesen erfolgt mithilfe kommerziell erhältlicher Verstärkerchips und des Open Ephys-Systems. Die neuronalen Sonden und das Tragsystem wurden zum Krembil Brain Institute am University Health Network in Toronto, Kanada entsandt und werden in nächster Zeit zum Allen Brain Institute in Seattle, USA weitergeleitet, wo sie bei Experimenten zur Gehirnkartierung bei Mäusen zum Einsatz kommen werden.

In unseren aktuellen Experimenten mit den Sonden setzen wir spezielle Lichtstimulationsmuster ein, die durch die photonischen Schaltkreise und die integrierte elektrophysiologische Aufzeichnung ermöglicht werden, um neuartige Experimente durchzuführen. Die Experimente an Tieren und am lebenden Gewebe werden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Dr. Taufik Valiante am Krembil Brain Institute an Mäusen zur Erforschung von Epilepsie eingesetzt, um diese Erkrankungen besser erforschen zu können. Diese Forschung ist Teil des Max Planck – University Toronto Centre for Neural Science and Technology, das im April 2021 eröffnet wurde.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir an den Grenzen der integrierten Photonik innovativ tätig sind und gleichzeitig fortschrittliche photonische Technologien auf den Bereich der Neurowissenschaften übertragen. Die Herstellung von Mikrochips in einer Mikrochip-Fertigungsanlage ermöglicht die Komplexität, Produzierbarkeit und Skalierbarkeit, die den Weg für transformative Mikrosysteme für die Neurowissenschaften und darüber hinaus ebnen wird.

Literaturhinweise

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