Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Chemie

Sauberer Himmel durch Corona-Lockdown

Autoren
Krüger, Ovid O.; Holanda, Bruna; Chowdhury, Sourangsu; Pozzer, Andrea; Walter, David Walter; Pöhlker, Christopher; Andrés Hernández, Maria Dolores; Burrows, John P.; Voigt, Christiane; Lelieveld, Jos; Quaas, Johannes; Pöschl, Ulrich; Pöhlker, Mira L.
Abteilungen
Abteilung Multiphasenchemie, Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Zusammenfassung
Während des ersten Lockdowns der Corona-Pandemie haben sich die Rußkonzentrationen in der Atmosphäre über West- und Südeuropa fast halbiert. Das geht aus unserem Vergleich zweier Messkampagnen des deutschen Forschungsflugzeugs HALO von 2017 und 2020 hervor. Die etwa 40-prozentige Reduktion ist auf verringerte anthropogene Emissionen zurückzuführen. Diese Ergebnisse spiegeln die starke Auswirkung menschlicher Aktivitäten auf die Luftqualität und die Bedeutung von Ruß als wichtigem Luftschadstoff und Klimatreiber im Anthropozän wider. 

Um die starke Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 einzudämmen und die Pandemie zu bekämpfen, reagierten die meisten europäischen Länder im ersten Halbjahr 2020 mit erheblichen Einschränkungen der Mobilität sowie der wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Lockdowns verringerten die Verbrennung fossiler Brennstoffe, eine der Hauptquellen für Ruß in der Atmosphäre, Anfang 2020 um etwa ein Drittel. Dieser Rückgang wird auf 90 Prozent weniger Flugverkehr in Europa und einen stark reduzierten Straßenverkehr zurückgeführt. In den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg waren die Emissionen in Europa nie zuvor so schnell gesunken. Die Lockdowns boten unserem Team aus Atmosphärenforscherinnen und -forschern die einzigartige Möglichkeit im Rahmen der BLUESKY-Kampagne, Luftschadstoffe über einem großflächigen Bereich mit Verteilungsprofilen genau zu quantifizieren.

Messungen mit dem Forschungsflugzeug HALO

Unser Forschungsteam überflog während der COVID-19-Lockdowns Anfang 2020 weite Teile von Mittel-, West- und Südeuropa: unter anderem Deutschland, die Benelux-Staaten, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. Wir ermittelten dabei die Masse von Ruß und die Partikelanzahlkonzentrationen in der unteren Troposphäre mithilfe des Forschungsflugzeugs HALO (High Altitude and LOng range; siehe Abb. 1 und Abb. 2). Anschließend verglichen wir die Ergebnisse mit Messungen vom Juli 2017. Damals war das Gebiet im Rahmen der EMeRGe-EU-Kampagne unter „normalen“, also vor-Corona-Bedingungen, untersucht worden. 

Der Vergleich zeigt eine deutliche durch die Pandemie verursachte Verbesserung der Luftqualität: Im Mittel sank die Rußmenge in der unteren Troposphäre in Süd- und Westeuropa um 41 Prozent. Verifiziert wurde diese enorme Zahl mithilfe von Verkehrsdaten und Angaben zum Benzinverbrauch während der Lockdown-Zeiten. Als Ursache für den Rückgang sehen wir zwei Hauptgründe: Einerseits die bereits laufenden Anstrengungen, um die Ruß-Emissionen in Deutschland und Europa zu reduzieren (drei bis neun Prozent), sowie andererseits die eingeschränkte Mobilität durch die Lockdowns der Pandemie (32 bis 38 Prozent). Die Vergleichsdaten flossen zudem in ein Erdsystem-Modell ein, um zu ermitteln, welchen Effekt weniger Rußemissionen in Europa langfristig auf das Klima hätten.

Ruß: Gefahr für Gesundheit und Klima 

In Bodennähe ist Ruß ein besonders gesundheitsschädlicher Teil des Feinstaubs. In der Atmosphäre tragen die winzigen Partikel zur Klimaerwärmung bei, weil sie sich durch ihre dunkle Oberfläche aufheizen und Wärme an die Umgebung abgeben. Im Gegensatz zu langlebigen Treibhausgasen wie Kohlendioxid ist Ruß jedoch kurzlebig und bleibt nur wenige Tage bis Wochen in der Atmosphäre. 

Verringerte Rußemissionen durch weniger Verbrennung fossiler Brennstoffe können sich somit relativ schnell positiv auf die Gesundheit von Millionen Menschen auswirken. Zudem zeigen unsere Messungen und Modellrechnungen, dass weniger Ruß in der Atmosphäre einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leistet. Zu hoffen ist, dass einige Verhaltensänderungen der Corona-Zeit wie zum Beispiel mehr Videokonferenzen und Home-Office und damit weniger Flüge und Fahrten zur Arbeit beibehalten werden. Die Pandemie könnte Impulse für eine Trendwende geliefert haben.

Können monetäre Anreize zur Rußreduktion beitragen?

Aktuell haben wir eine neue Studie angestoßen, bei der wir mit Psychologinnen und Psychologen zusammenarbeiten. Wir möchten herausfinden, ob Angebote wie das Neun-Euro-Ticket tatsächlich zu einer nachhaltigen Veränderung im Mobilitätsverhalten der Menschen führen können. Neben einer generellen Reduktion des Verkehrs ist es auch wichtig, Anreize zu einer emissionsärmeren Mobilität zu schaffen. Ein stark subventionierter ÖPNV könnte ein wichtiger Impuls sein, dessen Effekt auf die Luftverschmutzung wir im weiteren Verlauf unserer Forschungen ermitteln möchten.

 

Literaturhinweise

Krüger, O. O., Holanda, B. A., Chowdhury, S., Pozzer, A., Walter, D., Pöhlker, C., Andrés Hernández, M. D., Burrows, J. P., Voigt, C., Lelieveld, J., Quaas, J., Pöschl, U., and Pöhlker, M. L.
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Numerical simulation of the impact of COVID-19 lockdown on tropospheric composition and aerosol radiative forcing in Europe
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Hernández M. D. A., Hilboll A., Ziereis H., Förster E., Krüger Ovid. O., Kaiser K., Schneider J., Barnaba F., Vrekoussis M., Schmidt J., Huntrieser H., Blechschmidt A.-M., George M., Nenakhov V., Harlass T., Holanda B. A., Wolf J., Eirenschmalz L., Krebsbach M., Pöhlker M. L., Kalisz Hedegaard A. B., Mei L., Pfeilsticker K., Liu Y., Koppmann R., Schlager H., Bohn B., Schumann U., Richter A., Schreiner B., Sauer D., Baumann R., Mertens M., Jöckel P., Kilian M., Stratmann G., Pöhlker Ch., Campanelli M., Pandolfi M., Sicard M., Gómez-Amo J. L., Pujadas M., Bigge K., Kluge F., Schwarz A., Daskalakis N., Walter D., Zahn A., Pöschl U., Bönisch H., Borrmann S., Platt U., Burrows J. P
Overview: On the transport and transformation of pollutants in the outflow of major population centres – observational data from the EMeRGe European intensive operational period in summer 2017
Atmospheric Chemistry and Physics, 22, 5877–5924, 2022

 
Voigt Ch., Lelieveld J., Schlager H., Schneider J., Curtius J., Meerkötter R., Sauer D., Bugliaro L., Bohn B., Crowley J. N., Erbertseder Th., Groß S., Hahn V., Li Q., Mertens M., Pöhlker M. L., Pozzer A., Schumann U., Tomsche L., Williams J., Zahn A., Andreae M. O., Borrmann St., Bräuer T., Dörich R., Dörnbrack A., Edtbauer A., Ernle L., Fischer H., Giez A., Granzin M., Grewe V., Harder H., Heinritzi M., Holanda B. A., Jöckel P., Kaiser K., Krüger O. O., Lucke J., Marsing A., Martin A., Matthes S., Pöhlker Ch., Pöschl U., Reifenberg S., Ringsdorf A., Scheibe M., Tadic I., Zauner-Wieczorek M., Henke R., Rapp M.
Cleaner Skies during the COVID-19 Lockdown
 
Bulletin of the American Meteorological Society, Volume 103, Issue 8, E1796–E1827, (2022)
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