Forschungsbericht 2021 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Auf zu leichten Ebenen: zweidimensionaler Easy-Plane-Magnetismus nachgewiesen

Autoren
Bedoya-Pinto, Amilcar; Parkin, Stuart S. P.
 
Abteilungen
NISE Department, Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, Halle (Saale)
Zusammenfassung
Seit einiger Zeit stehen zweidimensionale Materialien (2D-Materialien) mit langreichweitiger magnetischer Ordnung im Rampenlicht. Mit Hilfe modernster molekularer Strahlepitaxie haben wir den ersten großflächigen 2D-Ferromagneten hergestellt, der eine magnetische Easy-Plane Anisotropie aufweist:: eine Einzelschicht aus CrCl3 auf einem Graphen-Silizium-Karbidsubstrat. Dies bietet die Möglichkeit, um exotische Phänomene mit Anwendungspotenzial, wie 2D-Spin-Suprafluidität und topologisch geschützte magnetische Texturen, zu beobachten.

Der Bedarf an energieeffizienteren Rechenmodellen entwickelt sich zu einer der höchsten Prioritäten in unserer Gesellschaft. Dies erfordert revolutionäre Ansätze, die über die Silizium-Ära der ladungsbasierten Bauelemente und der Von-Neumann-Architektur hinausgehen und Anstrengungen an mehreren Forschungsfronten verlangen: neue Materialien, neue Bauelemente und neue Architekturen. In diesem Zusammenhang bietet unser Erfolg im Bereich des Easy-Plane-Magnetismus in einem 2D-Magneten die einzigartige Möglichkeit, eine neue Generation energieeffizienter spintronischer Bauelemente zu schaffen. In ihnen können die Elektronenspins mit sehr geringen Energieverlusten (suprafluider Spintransport) durchgeleitet werden.

Die wissenschaftliche Herausforderung

Vor mehr als fünfzig Jahren galt die Lehrmeinung, dass Magnetismus in zweidimensionalen Systemen nicht entstehen kann. Erst die jüngsten Erfolge in der nanoskaligen Herstellung von geschichteten Materialien hat die Gültigkeit dieser langjährigen Theoreme in Frage gestellt. Diese geschichteten Materialien werden durch schwache Van-der-Waals-Kräfte in der dritten Dimension zusammengehalten, sodass sie sich zu atomisch dünnen Blättern exfolieren lassen. Wie bei Graphen, wo eine einzige Schicht von Kohlenstoffatomen aus Graphit geschält wird, wurden andere Van-der-Waals-Verbindungen mit magnetischen Eigenschaften exfoliert und bis zur Einschichtgrenze untersucht. Nicht alle diese Schichten waren magnetisch: Der Schlüssel zur Beobachtung von Magnetismus in zwei Dimensionen war die Existenz eines stabilisierenden Bestandteils: eine starke magnetische Easy-Axis-Anisotropie. Das bedeutet, dass ein Magnet seine Nord- und Südpole in einer bestimmten Richtung mit einer starken Eigenkraft ausrichtet und  weitgehend auch bei äußeren Störeinflüssen, wie thermischen Schwankungen, stabil bleibt..

Es gibt eine weitere Klasse noch exotischerer Magnete. Diese richten sich nicht vorzugsweise in eine Richtung aus, sondern behalten eine ebenso bevorzugte magnetische Ausrichtung innerhalb einer geometrischen Ebene bei. Solche Easy-Plane-Magnete sind in zwei Dimensionen schwieriger zu realisieren. Allerdings besitzen sie aufgrund ihrer besonderen Rotationssymmetrie außergewöhnliche Eigenschaften. Ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit, Elektronenspins (den Drehimpuls des rotierenden Elektronenteilchens) ohne Energieverluste einzustellen, was als suprafluider Spintransport bezeichnet wird. Dies könnte einen enormen Schritt zu energieeffizienten elektronischen Bauelementen darstellen, die auf dem Elektronenspin als aktivem Element für die Informationsverarbeitung beruhen. Das neue Forschungsgebiet hierzu ist die Spintronik.

Unsere Ergebnisse

Unserer Gruppe ist es zum ersten Mal gelungen, einen einheitlichen zweidimensionalen Easy-Plane-Magneten zu schaffen. Darüber hinaus wurde der zweidimensionale Magnet aus CrCl3 nicht mit der am meisten benutzten Exfoliationsmethode hergestellt, sondern mit einer skalierbaren Depositionstechnik unter Ultrahochvakuum, der sogenannten molekularen Strahlepitaxie. Diese ist mit Großanlagen auf Industrieebene kompatibel.

Die Untersuchungen wurden vollständig in situ durchgeführt, also ohne das 2D-Material der Luft auszusetzen. Wir konnten damit die intrinsischen magnetischen Eigenschaften einer einzigen, quasi freistehenden Atomschicht von CrCl3 auf einem Graphen-Silizium-Karbidsubstrat bewerkstelligen (Abbildung 1). Die Graphen-Unterschicht hatte den Zweck, die Wechselwirkung zwischen Chromchlorid und Siliziumkarbid zu reduzieren und auf diese Weise zu verhindern, dass das Substrat die Eigenschaften der CrCl3-Schicht beeinflusst. Wir haben damit eine quasi frei stehende einatomige Schicht mit der richtigen Symmetrie erhalten. Dies bietet den Schlüssel für den Zugang zur bisher schwer fassbaren magnetischen Easy-Plane-Anisotropie in 2D-Systemen.

Während der Messungen in einer Synchrotron-Strahlanlage beobachteten wir, wie sich diese bestimmte ferromagnetische Ordnung unterhalb einer bestimmten Temperatur, der sogenannten Curie-Temperatur, bildete. In der monoatomaren Chromchlorid-Schicht fand ein Phasenübergang statt, der für Easy-Plane-Magnete charakteristisch ist und in einem reinen zweidimensionalen System noch nie beobachtet worden war. Wir konnten diese neuen Erkenntnisse in zwei unabhängigen Synchrotron-Strahlanlagen reproduzieren: VekMaG (BESSY, Berlin) und BOREAS (ALBA, Barcelona).

Diese Beobachtungen haben auch grundlegende fundamentale Implikationen: Sie deuten auf die erste Realisierung eines endlichen Berezinskii-Kosterlitz-Thouless-Phasenübergangs (BKT) in einem quasi freistehenden Einschichtenmagneten mit einer XY-Universalitätsklasse hin. Im Gegensatz zu herkömmlichen Magneten, die ein Symmetriebrechelement benötigen, wird die langreichweitige Ordnung hier durch Vortex-Anti-Vortex-Korrelationen aufrecht erhalten. Die erfolgreiche Strategie für die Verwirklichung  des 2DXY-Magnetismus (Abbildung 1c)bestand darin, ein homogenes Bottom-up-Wachstum einer Einzelschicht mit einer hexagonalen Kristallsymmetrie in der Ebene und mit vernachlässigbarer Substratwechselwirkung zu erreichen.

Literaturhinweise

Bedoya-Pinto, A.; Ji, J.-R.; Pandeya, A.K.; Gargiani, P.; Valvidares, M..; Sessi, P.; Taylor, J.M.; Radu, F.; Chang, K.; Parkin, S. S. P.
Intrinsic 2D-XY ferromagnetism in a van der Waals monolayer
Science 374, 616-620 (2021)
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