Forschungsbericht 2020 - Max-Planck-Institut für Chemie

Mit Stoffen, Papiertüchern oder Staubsaugerbeuteln gegen Corona

Autoren
Drewnick, Frank
Abteilungen
Partikelchemie, Gruppe „Instrumentelle Aerosolanalytik“
Zusammenfassung
Im Frühjahr 2020 startete Gruppenleiter Frank Drewnick am Max-Planck-Institut für Chemie eine während der Covid-19-Pandemie spontan initiierte Forschungsreihe. Darin untersuchte er die Eignung von Alltagsmaterialien für Mund-Nasen-Masken, um die Materialauswahl für selbstgemachte Masken zu unterstützen und besser zu verstehen, welche Faktoren ihre Wirksamkeit beeinflussen. Dazu funktionierte die Gruppe Instrumente für die Analyse der Eigenschaften von atmosphärischen Aerosolpartikeln so um, dass sie Filtereffizienz und Druckabfall der Haushaltsmaterialien messen konnte

In der ersten und zweiten Welle der Corona-Epidemie waren Gesichtsmasken in den meisten Bereichen des öffentlichen Lebens Pflicht. Wir wollten herausfinden, wie gut verschiedene Stoffe aus dem Haushalt sowie OP-Masken Partikel aus der Luft filtern (Abbildung 1). Unsere zahlreichen Testreihen zeigten, dass alle getesteten Materialien einige Mikrometer große Teilchen zum überwiegenden Teil abfangen. Die Ergebnisse gelten ebenso für Tröpfchen, über die das Virus bevorzugt übertragen wird.

Neben Baumwolle, flauschigen Stoffen wie Sommersweat, Fleece oder Nicki und Papiertüchern prüften wir unter anderem Mikrofasertücher, Kaffeefilter und Vliese von Staubsaugerbeuteln. Es zeigte sich, dass viele der von uns untersuchten Filtermaterialien vor allem große Partikel mit fünf Mikrometer Durchmesser  und mehr sehr effizient abscheiden. Die Effizienz liegt hierfür meist bei 90 Prozent und darüber. Somit könnten die Stoffe einen Großteil der Tröpfchen, die besonders viele Viren enthalten können, abfangen..

Filterwirkung hängt auch von der Geschwindigkeit des Luftstroms ab

Unsere Untersuchungen ergaben aber auch, dass die Filterwirkung für kleinere Partikel stark vom verwendeten Filtermaterial abhängt und für Partikel zwischen 0,1 und 0,5 Mikrometern oft ein Minimum erreicht. Es zeigte sich beispielsweise, dass Mikrofasertücher Partikel solcher Größe weniger effizient zurückhalten als Staubsaugervlies oder eine Kombination aus Baumwoll- und Biberstoff. Noch kleinere Partikel werden durch viele Materialien wieder besser abgefangen. Das SARS-CoV-2 Virus ist etwa 0,1 Mikrometer groß. Laut Studien wird es beim Niesen, Husten oder Sprechen aber in zumeist wesentlich größeren Tröpfchen ausgestoßen.

Weitere Messungen haben gezeigt, dass nicht nur die Partikelgröße entscheidet, wie effizient ein Filter die Teilchen abscheidet, sondern dies auch von der elektrischen Ladung sowohl der Teilchen als auch der Fasern des Filterstoffs und der Geschwindigkeit der Luftströmung durch das Material bestimmt wird.

Der Stoff für eine Gesichtsmaske muss allerdings nicht nur effizient Partikel und Tröpfchen abhalten. Wichtig ist auch, wie leicht man durch ihn atmen kann. Um dies zu testen, haben wir den Druckabfall der Luft beim Durchströmen durch das Filtergewebe gemessen. Er sollte am besten niedrig sein – bei gleichzeitig hoher Filterwirkung. Während OP-Masken oder Staubsaugerbeutel bei den Tests durchweg sehr gute Filterleistung zeigten und auch Kaffeefilter zumindest große Partikel gut abschieden, zeigten viele dieser Materialien relativ schlechte Werte (sprich hohe Werte) für den Druckabfall (Abbildung 2). Somit fällt das Durchatmen hierbei schwerer. Dahingegen überzeugten flauschige Stoffe wie Sommersweat, Fleece oder Velours mit einer Kombination aus guter Filterleistung und geringem Druckabfall. Das Durchatmen fällt leichter, sodass man sie als gut geeignete Materialien für Filtermasken bezeichnen kann.

Es kommt auf den Gebrauch einer Maske an

Unsere Daten liefern keine direkte Aussage darüber, wie gut eine Gesichtsmaske tatsächlich schützt. Sie helfen aber möglicherweise bei der Auswahl geeigneter Filtermaterialien für selbstgenähte Masken. Die Wirksamkeit einer Maske hängt letztlich jedoch von vielen Faktoren ab. Entscheidend ist nicht nur die Auswahl des Materials, sondern auch, welcher Anteil der Luft beim Atmen, Husten oder Niesen tatsächlich durch die Maske oder durch einen Luftspalt zwischen Maske und Gesicht strömt. Wichtig ist auch, wie häufig und auf welche Weise die Maske gereinigt wird.

Deshalb führten wir im Verlauf des Jahres weitere Testreihen durch. Hierbei zeigte sich deutlich, dass die Filterwirkung der Maske maßgeblich durch den dichten Sitz am Gesicht bestimmt wird. Schon kleinste Abdeckungslecks bewirken einen Abfall der Filterwirkung um 50 Prozent oder mehr. Dies gilt vor allem für Partikel, die kleiner als fünf Mikrometer sind. Dabei reichen Lecks von nur wenigen Prozent der Maskenfläche aus, um die gesamte Filterwirkung der Maske erheblich zu verschlechtern.

Zudem wirkt sich die Anzahl der Stofflagen deutlich auf die Filterleistung aus. Mit einigen flauschigen Materialien konnten wir mit mehreren Stofflagen übereinander eine so gute Filterwirkung erzielen, dass diese Masken sogar den Träger schützen könnten. Letzteres müsste aber in weiteren Tests gezielt untersucht werden und war nicht Bestandteil der Forschungsreihe.

Umbau von Messinstrumenten für ungewöhnlichen Einsatz

Für die Untersuchung, welche Alltagsmaterialien sich zum Schneidern von Gesichtsmasken eignen könnten, funktionierten wir kurzerhand einige Messinstrumente um, mit denen wir üblicherweise die Eigenschaften atmosphärischer Aerosolpartikel untersuchen. Es zeigte sich schnell, dass unsere Messtechniken und Methoden zur Partikelerzeugung, die wir sonst eigentlich für ganz andere Zwecke einsetzen, bestens geeignet sind, um im Labor Filter und Filtermaterialien zu untersuchen.

Um die Abscheideeffizienz, also die Fähigkeit eines Materials, Partikel abzufangen, zu testen, nutzten wir Kochsalzpartikel definierter Größe und Aerosolpartikel im Nano- und Mikrometerbereich aus der Umgebungsluft. Die Partikel schickten wir mit einem Luftstrom durch die verschiedenen Proben und bestimmten davor und dahinter die Partikelkonzentration. Aus dem Unterschied der Partikelkonzentrationen ergibt sich dann die Effizienz, mit der ein Material Partikel einer bestimmten Größe abscheidet.

Andere Stoffeigenschaften wie die Hautverträglichkeit haben wir zwar nicht untersucht, dennoch hoffen wir, mit unseren Testreihen ganz praktisch dazu beizutragen, die Corona-Epidemie zu bewältigen.

Literaturhinweise

Drewnick F.; Pikmann J.; Fachinger F.; Moormann L.; Sprang F.; Borrmann S.
Aerosol filtration efficiency of household materials for homemade face masks: influence of material properties, particle size, particle electrical charge, face velocity, and leaks
Aerosol Science and Technology, 55(1), 63-79 (2021)
Zur Redakteursansicht