Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts
Was das Vakuum mit Monsterwellen zu tun hat
Nichtlineare Optik ist ein wesentlicher Bestandteil der heutigen Wissenschaften und Technologien. So wird beispielsweise der Strahl eines grünen Laser-Pointers mit Hilfe von Frequenzverdopplung in einem nichtlinearen Kristall generiert: Infrarotlicht wird in einem Kristall in grünes Licht umgewandelt. Man spricht von nichtlinearerer Optik, wenn Wechselwirkungen von Licht mit Materie beispielsweise Farbveränderungen hervorrufen. Auch die Herstellung eines Superkontinuums, also weißem Laserlicht, geschieht durch einen nichtlinearen Prozess.
Bemerkenswert ist, dass die Herstellung nichtlinearen Lichts auch mit fragilem Quantenlicht, das nicht mehr die klassischen Quanteneigenschaften hat, möglich ist. Das ist das Forschungsfeld der Gruppe um Maria Chekhova am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts.
Quantenlicht besteht aus Strömen von Photonenpaaren, die hochinteressantes Quantenverhalten aufweisen. Man nennt dieses Quantenlicht auch helles, gequetschtes Vakuum. Ein gequetschtes Vakuum kann als Zustand reinen Rauschens – maximale Unschärfe, wo ein Photon auftritt – betrachtet werden. Aber, wie kann das Vakuum auch hell sein? Ein gequetschtes Vakuum ist das Rauschen eines optischen parametrischen Verstärkers. Das optische Rauschen ist also groß, wenn dies für die Verstärkung gilt: Dann gibt es viele Photonen.
Diese Photonen werden überaus irregulär, in Bündeln emittiert. Die Anzahl der Photonen in einem Puls gequetschten Vakuums sind chaotisch: Manchmal treten nur ganz wenige auf, manchmal sehr viele. Selbst innerhalb eines Pulses variiert die Intensität zeitlich sehr stark auf der Femtosekunden-Skala. Dieses Verhalten ist äußerst vorteilhaft in der nichtlinearen Optik, in der die Effekte typischerweise eine stark nichtlineare Abhängigkeit vom eingehenden Photonenfluss haben. Somit führen große, zeitliche Fluktuationen im Photonenfluss zu höheren Effizienzen. Aus demselben Grunde ist in der traditionellen nichtlinearen Optik gepulstes Licht effizienter als kontinuierliches Licht mit gleicher, mittlerer Intensität.
Maria Chekhovas Team beobachtete kürzlich in einem Experiment zweite, dritte und vierte harmonische Schwingungen, die mit Hilfe von hellem, gequetschtem Vakuum generiert wurden [1]. Insbesondere gelang dies auf der Oberfläche eines nichtlinearen Kristalls, wo man nur eine schwache Effizienz erwarten würde. Dennoch beobachtete die Gruppe eine starke Effizienzerhöhung bis zum 70-Fachen. Als die Physikerinnen und Physiker ein solches helles, gequetschtes Vakuum in eine optische Silikonfaser schickte, beobachtet sie darin ein Superkontinuum. In diesem Prozess wird das Spektrum des einfallenden Lichts stark verbreitert und ein Kontinuum von Seitenbändern (Frequenzen nahe der ursprünglichen Frequenz) erzeugt. Wenn dieser Prozess effizient abläuft, dann hängt die Photonenanzahl im Superkontinuum exponentiell vom eingehenden Photonenstrom ab. Dies führt zu überraschenden Eigenschaften, wenn das Superkontinuum mit hellem gequetschtem Vakuum generiert wird. So werden die starken Photonenzahlschwankungen auf dramatische Weise verstärkt. Dies resultiert im Superkontinuum in einer Wahrscheinlichkeitsverteilung von Photonen, die sehr breit ist. Die Forschungsgruppe Chekhova fand heraus, dass diese Verteilung einem Potenzgesetz folgt, das man auch Paretoverteilung nennt.
Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung ist nach dem Ökonomen Vilfredo Pareto benannt, der sie etablierte, um die Verteilung von Reichtum zu erklären. Seitdem beobachtete man ähnliche Potenzgesetze nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, sondern auch in Geografie, Physik, Biologie, Astronomie und Geologie. Solche Wahrscheinlichkeitsverteilungen erklären auch das Auftreten sogenannter Monsterwellen in Meeren, deren Höhe signifikant von dem abweichen kann, was man basierend auf einer Gaußschen Größenverteilung erwarten würde. Zu den Monsterwellen analoge Phänomene tauchen auch in der Optik auf, insbesondere bei der Generierung von Superkontinuum in Fasern.
In allen bisherigen Experimenten ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Photonenzahl nie sehr langsam abgefallen. Doch genau das passiert, wenn ein Superkontinuum mit hellem gequetschtem Vakuum produziert wird. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung klingt so langsam ab, dass, mathematisch gesehen, selbst die mittlere Photonenzahl nicht bestimmt werden kann: das Mittelwertintegral divergiert. Das bedeutet: Die Photonenzahl steigt weiter an, je länger man wartet. Dies ähnelt stark einem fraktalen Verhalten. Ein bekanntes Beispiel stellt das Messen von Küstenlinien dar: Je akkurater man misst, desto länger scheint sie.
Natürlich sind solche Divergenzen purer mathematischer Natur. Physikalisch wird die Divergenz immer auf irgendeine Weise verhindert. Im Beispiel der Küstenlinie ist dies die atomare Struktur von Materie, unterhalb derer eine Messung unmöglich wird. In dem Experiment des Chekhova-Teams werden Divergenzen in mittlerer Photonenzahl und höherer Momente durch Sättigung von Detektoren verhindert. Das heißt, der Detektor kann nur bis zu einer bestimmten Photonenzahl diese auch registrieren, was zu einem Abschneiden der theoretischen Verteilungen führt. Aber selbst mit einem besseren Detektor wäre man immer noch durch die Anzahl von Photonen in Pulsen limitiert, welche ebenfalls bestimmte Werte nicht überschreiten können. Zum Beispiel verlieren die Pulse Photonen durch Prozesse wie die Herstellung eines Superkontinuums.