Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Mit trojanischem Pferd gegen Krankheiten bei Weinreben

Autoren
Wurm, Frederik; Landfester, Katharina
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz
Zusammenfassung
Die Pilzkrankheit Esca befällt Weinreben und führt zu einem Absterben der Pflanzen. Ein Befall kann auch Jahre vor den ersten äußeren Anzeichen stattfinden, was eine frühzeitige Behandlung nahezu unmöglich macht. Jährlich entsteht so weltweit ein Schaden von über einer Milliarde Euro. In unserer Forschung haben wir eine auf Nanotechnologie basierende Behandlungsmethode entwickelt, die den Pilz im Inneren der Weinrebe bekämpfen kann.

Sommer in den Weinbergen: Die Blätter von Reben sind braun verfärbt, hängen verwelkt herunter. Dieses Bild zeigt sich immer mehr auch in heimischen Weinbergen – über ein Prozent aller Weinstöcke werden jährlich von der Krankheit Esca neu infiziert. Die Tendenz ist steigend. Aber schon in Schriften aus dem Altertum wird über Esca berichtet: Eine Krankheit, die Rebstöcke von innen zersetzt. Der Name Esca stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Zunder“ - ein Hinweis auf die schwammige Konsistenz des Holzes, nachdem der Pilz zugeschlagen hat. Zunächst hat sich die Krankheit nur in den wärmeren, südlichen Weinbauregionen ausgebreitet, ist aber zunehmend auch in unseren Breitengraden zu finden.

Zersetzung von innen heraus

Neuere Untersuchungen zeigen, dass es sich bei Esca nicht um einen bestimmten Pilz handelt, sondern um eine Mischung verschiedener Pilzarten. Diese können vor allem über Verletzungen der Pflanzen wie etwa Schnittflächen eindringen. Einmal in der Pflanze, breiten sie sich über Jahre unbemerkt aus. Hierbei haben sie es auf einen bestimmten Bestandteil des Holzes abgesehen: Dieses besteht aus Zellulose, welche unter anderem bei der Herstellung von Papier eingesetzt wird, und Lignin. Lignin – der Bestandteil, welcher für die Festigkeit des Holzes sorgt – ist für einen der bei der Esca-Krankheit beteiligten Pilze das Hauptnahrungsmittel: Er zerstört das Lignin, wodurch das Holz der Rebe an Festigkeit verliert und eine schwammige Konsistenz erhält. Das Resultat: Der Weinstock stirbt ab. Pflanzenschutzmittel, sogenannte Fungizide, die gegen die Pilze wirksam sind, existieren zwar, können der schleichenden Ausbreitung der Krankheit aus dem Inneren der Pflanze heraus aber nicht entgegenwirken, da sie typischerweise in der Landwirtschaft nur von außen gespritzt werden. Der Regen wäscht die Fungizide dann rasch wieder weg.

Trojanische Pferde in der Nanotechnologie

In unserer Forschung haben wir uns zum Ziel gesetzt, ein auf Nanotechnologie basierendes Mittel gegen die Krankheit zu entwickeln. Hierfür haben wir im Labor kleine Partikel hergestellt, die nur etwa 100 Nanometer groß sind und mit dem Fungizid befüllt werden. Der Trick hierbei: Die Partikel bestehen aus Lignin – dem gleichen Stoff, der in den Weinstöcken von der Krankheit zersetzt wird. Wir bekämpfen die Pilze also sozusagen mit einem trojanischen Pferd: Die Pilze zersetzen die Struktur unserer Nanoteilchen und setzen hierbei das Fungizid frei, welches dann die Pilze zerstört.

Für die Behandlung werden die Stämme der Weinreben angebohrt und über einen kleinen Behälter mit einer wässrigen Dispersion befüllt, die die Nanoteilchen enthält. So werden diese Wirkstoffträger direkt in den Wasserkreislauf der Pflanze eingebracht. Befallene Reben können so behandelt werden und sich wieder von der Krankheit erholen. Die Behandlung kann auch als eine Art schlafende Prävention gesehen werden: Da die Krankheit zunächst einige Jahre unerkannt in der Rebe vorhanden sein kann, ist es wichtig, auch gesunde und vermeintlich gesunde Reben präventiv zu behandeln.  Dies soll sie vor einem Befall schützen. Ist die Rebe in einem Frühstadium befallen, so wird das Fungizid freigesetzt, wenn die Pflanze dagegen völlig gesund ist, ruht das Fungizid in den Nanoteilchen in der Pflanze.

Erste Tests: Erfolgsversprechend!

In einer ersten Testreihe in Kooperation mit dem Institut für Biotechnologie und Wirkstoffforschung (IBWF) in Kaiserslautern sowie dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz (DLR) in Neustadt an der Weinstraße wurde im Jahr 2014 ein erster Forschungsweinberg mit den Nanoteilchen behandelt: In mehrere Rebstöcke wurden die Nanoteilchen-Dispersion injiziert. Seitdem wurden in den darauffolgenden Jahren verschiedene Rebsorten, Reben verschiedenen Alters und Reben in unterschiedlichen Lagen behandelt. Insgesamt wurde die Nanopartikel-Dispersion bereits in mehr als 400 unterschiedliche Rebstöcke injiziert. Hiermit wollen wir auch untersuchen, wie unsere Behandlung bei verschiedenen Stadien der Krankheit wirksam ist.

Die Reben wurden in den darauffolgenden Jahren systematisch überwacht: Sind sie von Pilzen befallen? Wie stark sind die verbliebenen Symptome?

Im Vergleich zur Referenzmessung – also den mit einem Placebo behandelten Weinreben – haben unsere Forschungsergebnisse gezeigt, dass viele Rebstöcke nach einer einmaligen Injektion wesentlich geringere Krankheitssymptome zeigten. Dabei kommt es aber sowohl auf das Alter der Reben wie auch auf das Stadium der Krankheit bei Beginn der Behandlung an. Da die Pilze den Stamm quasi auflösen, muss früh gehandelt werden. Je früher desto besser, denn totes Gewebe lässt sich nicht wieder zum Leben erwecken. Die Studien sind nun im Langzeitmodus:  Die behandelten Pflanzen werden weiterhin beobachtet, um festzustellen, ob eine weitere Injektion nötig ist.

Unsere Behandlungsmethode hat bereits Erfolge gezeigt: Der im Jahr 2014 behandelte Weinberg war 2018 quasi ohne Symptome. Des Weiteren haben wir zuletzt Jungpflanzen behandelt, also Reben, die noch nicht von der Krankheit befallen sind. Diese 2018 gestartete Langzeitstudie soll genauer darüber Aufschluss geben, wie effektiv unsere Behandlung auch präventiv einsetzbar ist.

Gesundheitlich unbedenklich!

Das verwendete und auch zugelassene Pflanzenschutzmittel wird in der Landwirtschaft über Weinberge und andere Agrarflächen versprüht, somit ist die grundsätzliche Gefahr als gering einzustufen. Überdies ist die Menge des Fungizids in den Nanoteilchen um Größenordnungen geringer als eine konventionelle Sprühmethode, was die potenzielle Belastung der Früchte weiter verringert. Weiterhin haben unsere neuesten Untersuchungen der Trauben solcher behandelten Weinreben gezeigt, dass keine messbaren Rückstände des Mittels in den Trauben ankommen.

Literaturhinweise

Lignin biomaterial as agricultural drug carrier
https://patents.google.com/patent/WO2017134308A1/de
Yiamsawas, D.; Beckers, S. J.; Lu, H.; Landfester, K.; Wurm, F. R.
Morphology-Controlled Synthesis of Lignin Nanocarriers for Drug Delivery and Carbon Materials
ACS Biomater. Sci. Eng., 3 (10), 2375-2383 (2017)
DOI: 10.1021/acsbiomaterials.7b00278
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