Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (Greifswald)
Ergebnisse der ersten Divertor-Kampagne an Wendelstein 7-X
Wendelstein 7-X ist ein optimierter Fusionsreaktor vom Typ Stellarator mit supraleitenden Magnetspulen. Er soll fusionsrelevante Wasserstoff- und Deuterium-Plasmen für die Dauer von 1800 Sekunden unter stationären Bedingungen erzeugen. Während einer Erweiterungsphase 2016/17 wurde die Innenwand des Plasmagefäßes planmäßig mit einer Verkleidung versehen, die Wände und dahinterliegende Strukturen vor thermischen Belastungen schützt. Das technisch anspruchsvollste Bauteil ist dabei der sogenannte Divertor. Diese Schlüsselkomponente ermöglicht einen gezielten Teilchen- und Energieabfluss aus dem Plasma.
Für die zweite Betriebsphase wurde ein trägheitsgekühlter Testdivertor genutzt, der aus zehn jeweils etwa 5 Meter langen Modulen besteht und thermische Lasten bis zu 10 Megawatt pro Quadratmeter aufnehmen kann (Abbildung 1). Um eine möglichst symmetrische Verteilung der Wärmelast auf den Modulen zu erreichen, mussten diese mit hoher Genauigkeit von wenigen Zehntel Millimetern gefertigt und montiert werden. Da der Divertor wie auch die übrigen Wandschutzkomponenten noch nicht aktiv gekühlt wurden, war die Dauer der Plasmaexperimente auf einige zehn Sekunden beschränkt. Zusammen mit mehreren Tausend neu installierten Kohlenstoffkacheln und den bereits in der ersten Betriebsphase montierten Stahlpaneelen ist damit ein Schutz der gesamten Plasmagefäßwand gewährleistet.
Kleine Störungen im Magnetfeld konnten noch vor Beginn des Plasmabetriebs aufgespürt und mit Hilfe der externen Trimmfeldspulen weitgehend kompensiert werden. Im Ergebnis wurde während des Plasmabetriebs eine weitgehend symmetrische Wärmelastverteilung auf allen Divertor-Modulen beobachtet.
Divertor-Experimente
Mit dem vervollständigten Wandschutz konnte die Plasmadauer deutlich verlängert werden. Waren es in der ersten Betriebsphase noch etwa 6 Sekunden, so wurde jetzt bei guter Plasmadichte und -temperatur eine Entladungsdauer bis zu 100 Sekunden erreicht. Die während einer Entladung in das Plasma eingebrachte Energie konnte schrittweise von 4 auf 180 Megajoule erhöht werden, ohne dass Überhitzungen am Wandschutz auftraten.
Bereits in der ersten Betriebsphase wurden Maßnahmen getroffen, um eine Verunreinigung des Plasmas zu begrenzen. Nun wurden in einem weiteren Schritt die Wandkomponenten mit einer mehrere zehn Nanometer dicken Borschicht versehen. Diese wirkte als ein sehr effektiver Absorber von Plasmaverunreinigungen, vor allem von Sauerstoff und Kohlenstoff. Damit ließen sich die Verunreinigungen auf ein Zehntel bzw. ein Fünftel der vorherigen Werte verringern. Die erreichbare Plasmadichte stieg nach der Borierung auf das Dreifache an [1].
Zudem wurde nun ein stabiles Divertor-Detachment entwickelt, wodurch sich die lokalen thermischen Lasten auf dem Divertor auf mehr als ein Zehntel der früheren Werte reduzieren ließen [2]. In diesem Plasmazustand wird der überwiegende Teil der Plasmaenergie in der Randschicht abgestrahlt, außerhalb des eingeschlossenen Plasmas. Bei hoher Heizleistung von 5 Megawatt konnte dieser Zustand stabil für 28 Sekunden bei konstanter Energieeinschlusszeit und ohne messbaren Anstieg von Verunreinigungen im Hauptplasma aufrechterhalten werden. Sowohl durch Einblasen von Wasserstoff als auch durch eingeschossene Kügelchen aus Wasserstoffeis, sogenannten Pellets, gelang es, Plasmen mit einem Energieinhalt bis zu 1,1 Megajoule bei hoher Dichte und Temperatur zu erzeugen.
Im Zusammenspiel von Divertor-Betrieb, geringen Verunreinigungen und dem Pellet-System konnten Hochleistungsplasmen mit Mikrowellenleistung von 6 Megawatt, einer Dichte von 1,6 x 1020 Teilchen pro Quadratmeter und einer Ionen- und Elektronentemperatur von je 20 Millionen Grad über eine Dauer von 14 Sekunden erzeugt werden. Dies wurde möglich durch den erfolgreichen Einsatz des sogenannten O2-Mikrowellenheizverfahrens für überdichte Plasmen. Zudem wurde ein neuer Stellarator-Rekordwert für das Fusionsprodukt aufgestellt: Bei rund 40 Millionen Grad Ionentemperatur und einer Dichte von 0,8 x 1020 Teilchen pro Kubikmeter wurde ein Fusionsprodukt von ca. 6 x 1026 Grad mal Sekunde pro Kubikmeter erreicht (Abbildung 2).
Während der Experimente standen alle zehn 140-GHz-Mikrowellenquellen mit einer mittleren Leistung von rund 800 Kilowatt zuverlässig zur Verfügung. Die Heizung wurde auch für gezielten Stromtrieb im Plasma genutzt, mit dessen Hilfe die Lage der Kontaktzone des Plasmas auf den Divertoren beeinflusst wird. Stromtrieb ist zudem ein Werkzeug, um die inneren Plasmaströme zu manipulieren. So konnte beispielsweise der Bootstrapstrom – ein in Stellaratoren unerwünschter, ringförmiger Nettostrom, der das einschließende Magnetfeld verändert – nahezu ausgeglichen werden. Messungen des Bootstrapstroms in Abhängigkeit von der Magnetfeldkonfiguration weisen eine gute Übereinstimmung mit Simulationen auf und bestätigten damit ein Optimierungskriterium von Wendelstein 7-X.
Aufgestockte Plasmaheizung
Neben den Mikrowellenquellen wurde mit der Neutralteilchenheizung eine zweite Plasmaheizung erfolgreich in Betrieb genommen. Hierbei werden schnelle Wasserstoffatome in das Plasma geschossen, die ihre Energie über Stöße an die Plasmateilchen abgeben. Zwei Quellen mit einer Gesamtleistung von bis zu 3,6 Megawatt standen zur Verfügung, womit in Wasserstoffplasmen kraftwerksrelevante Dichten von bis zu 2 x 1020 Teilchen pro Kubikmeter und Temperaturen von 20 Millionen Grad für Ionen und Elektronen erreicht worden sind. Auch war es mit Ausnahme des Starts möglich, die Plasmen allein mit Hilfe der Neutralteilchenheizung aufrecht zu erhalten.
In der letzten Betriebsphase konnten wichtige Schritte in Richtung Langpulsbetrieb mit Hochleistungsplasmen bewältigt werden. Bis zu der nächsten Experimentphase in rund zwei Jahren wird der bislang noch ungekühlte Divertor durch einen wassergekühlten ersetzt. Bei gleicher Belastung ist dieser für bis zu 30 Minuten andauernde Plasmen ausgelegt.