Genetischer Fingerabdruck verrät neue ertragreiche Maissorten

Dank eines Computermodells können schon Maiskörner und Keimlinge getestet werden, ob sie ertragreichen Nachwuchs produzieren

15. Januar 2012

Beim Mais sagt die Leistung der Eltern wenig über den Erfolg der Kinder voraus: Selbst schwache Elternpflanzen können nach der Kreuzung durchaus die stärksten Nachkommen hervorbringen. Doch bei Weitem nicht alle Pflanzen sind geeignete Eltern. Jede Einzelne muss erst in aufwändigen Kreuzungsexperimenten ihre Eignung unter Beweis stellen. Diesen zeit- und kostenintensiven Prozess zu beschleunigen war das Ziel von Mark Stitt und Lothar Willmitzer vom Potsdamer Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie und ihren Kooperationspartnern Albrecht Melchinger von der Universität Hohenheim und Thomas Altmann vom IPK Gatersleben. Die Forscher entwickelten ein mathematisches Modell, das  erstaunlich genaue Aussagen über die Eignung der Elternpflanzen zur Nachwuchsproduktion trifft. Es basiert auf den Erbinformationen der Maiskörner sowie dem Metabolitenprofil der Maiskeimlinge.

Die Maispflanzen, die heutzutage auf unseren Feldern stehen, sind Mischlinge, auch Hybride genannt. Der Vorteil dieser Hybridpflanzen liegt in ihrer ungleich höheren Leistung. Bis zu 50 Prozent mehr Ernteertrag liefern Maishybride im Vergleich zu ihren nichthybriden Verwandten. Das Phänomen, das hinter diesem überraschend hohen Ertrag der Hybride steckt, heißt Heterosis. Obwohl von großer Bedeutung für die Landwirtschaft und die Ernährung der Weltbevölkerung, ist Heterosis bisher erstaunlich schlecht verstanden. Nur so viel ist sicher: Die Eltern der Hybridpflanzen müssen aus Inzuchtlinien stammen und dürfen keinerlei Verwandtschaft aufweisen. Doch nicht alle Inzuchtlinien eignen sich für die Hybridzüchtung; um die richtigen Eltern zu finden, müssen erst aufwändige Experimente durchgeführt werden. Aktuell brauchen Züchter deshalb rund 10 Jahre, um eine neue Sorte zu entwickeln. Doch Klimawandel, Nahrungsmittelkrisen und Energiehunger verlangen zunehmend nach schnelleren Lösungen.

„Heute wissen wir, dass es kein einzelnes Gen gibt, das bestimmt, ob eine Maispflanze stark wächst oder viele Körner im Kolben trägt. Stattdessen gibt es sehr viele Stellen im Erbgut des Maises, die alle einen kleinen Beitrag leisten. Mit den neuesten Methoden der Genomanalyse können wir nun bis zu 56.000 dieser Genorte untersuchen“, erklärt Christian Riedelsheimer, der Erstautor der Studie. Bei ihrer Analyse greifen die Forscher nicht ins Erbgut ein. Sie erstellen aber von jeder Elternpflanze ein individuelles Muster. Experten sprechen vom „Genom-Profil“ oder dem „genetischen Fingerabdruck“. Um diesen zu interpretieren, haben die Forscher mehr als drei Jahre lang gepflanzt, gekreuzt, Genomanalysen durchgeführt und Erträge bestimmt. Mit der Beobachtung im Feld entwickelten sie ein mathematisch-statistisches Modell, das das Elternpotenzial mittels genetischer Muster vorhersagt. Dazu reicht eine winzige Menge Probenmaterial, die aus einem einzigen Maiskorn stammen kann. Eine Untersuchung, die die Universität Hohenheim in Kooperation mit dem IPK Gatersleben durchführt.

Einen zweiten Hinweis, welche Maispflanzen besonders gute Eltern sind, finden die Forscher in der Zusammensetzung der Blätter. Genau genommen ist es der Gehalt an Stärke, Zuckern, Aminosäuren, Chlorophyll und anderen Stoffen. Ähnlich wie die Erbgut-Daten erlauben die Informationen über diese Inhaltsstoffe eine statistische Prognose über ihr Zuchtpotential. Die technisch sehr anspruchsvolle Inhaltsstoffanalyse fand am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie statt. „Mit den hochmodernen Geräten und Software, die vor kurzem an unserem Institut entstanden ist, konnten wir sogar die flüchtigen Metaboliten präzise nachweisen und analysieren“ erklärt Max-Planck-Direktor Mark Stitt. Der Rest ist neuentwickelte Statistik. „Ähnlich wie beim Gen-Profil sind es nicht die einzelnen Inhaltsstoffe, die uns Prognosen erlauben. Aussagekräftig sind bestimmte Kombinationen“, so Riedelsheimer.

Das Verfahren spart Anbaufläche – und damit Kosten: „Wollten wir alle mögliche Kreuzungen testen, müssten wir den halben Erdball mit Mais bepflanzen.“ Was nicht nur utopisch, sondern auch teuer ist: „Eine Versuchsparzelle kostet uns 50 Euro. Wir testen zwei Parzellen pro Experimentalsorte an zehn verschiedenen Standorten – das summiert sich auf 1.000 Euro“, rechnet Albrecht Melchinger von der Universität Hohenheim, die die Feldversuche durchgeführt hat, vor. Eine Genomanalyse mit Chip und Roboter koste rund 150 Euro. Beachtlich ist auch der Zeitgewinn: Die DNA-Analyse der Körner kann im Winter erfolgen. Die Pflänzchen für die Inhaltsstoffanalyse wachsen derweil im Gewächshaus. Dadurch können die besten Eltern noch im gleichen Jahr bestimmt und angebaut werden.

In der Forschung hat tatsächlich ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Die Forscher sind von der Suche nach einzelnen Supergenen abgekommen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das Zusammenspiel vieler kleiner Unterschiede im Erbgut. „Letztlich erlaubt uns das einen ganz neuen Blick auf die Pflanze, was das Hybridzuchtprogramm erheblich verbessert“, so das Fazit von Melchinger. Im Mais steckt so viel genetische Diversität – man muss nur wissen, wie sie richtig zu kombinieren ist.

FK/CS/HR

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