Goliaths Vorfahren kamen aus Europa

Eine Analyse alter Genome deutet darauf hin, dass die biblischen Philister von Menschen abstammten, die über das Mittelmeer migrierten

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und der Leon Levy-Expedition hat erstmals das Erbgut von Menschen rekonstruiert und untersucht, die in der Bronze- und Eisenzeit (vor etwa 3.600 bis 2.800 Jahren) in der Hafenstadt Ashkelon lebten, einer der wichtigsten Städte der Philister. Die Analyse ergab, dass um die Zeit der mutmaßlichen Ankunft der Philister auch eine europäische Genkomponente nach Ashkelon gelangte. Das deutet darauf hin, dass die Vorfahren der Philister über das Mittelmeer migrierten und in der frühen Eisenzeit Ashkelon erreichten. Diese genetischen Erkenntnisse sind ein wichtiger Beitrag zu Klärung der seit langem diskutierten Frage nach der Herkunft der biblischen Philister.

Die Philister sind aus dem Alten Testament als die Erzfeinde des Volkes Israel bekannt. Legendär ist die Geschichte vom Kampf des jungen Israeliten David gegen Goliath, einem riesigen Krieger aus dem Lager der Philister. Die alten Texte berichten jedoch wenig über die Herkunft des Volkes. Lediglich im Buch Amos heißt es, die Philister seien aus "Kaphtor" (bronzezeitlicher Name für Kreta) gekommen.

Ägyptologen stellten bereits vor mehr als 100 Jahren die These auf, dass die biblischen Philister mit einer Gruppe identisch seien, die in Texten aus dem späten 12. Jahrhundert vor Christus "Peleset" genannt wird. Und hieroglyphische Inschriften der Ägypter postulieren, dass die Peleset von den "Inseln" angereist seien. Dabei hätten sie das heutige Zypern sowie die türkische und syrische Küste angegriffen und schließlich versucht, Ägypten einzunehmen. Das war der erste Hinweis darauf, dass sich die Suche nach der Herkunft der Philister auf das späte zweite Jahrtausend vor Christus konzentrieren sollte.

1985 nahm die Leon Levy Expedition, ein Projekt des Semitischen Museums der Universität Harvard, die Suche nach der Herkunft der Philister in der Stadt Ashkelon auf, die dem Alten Testament zufolge eine der fünf Hauptstädte der Philister war. Das Team entdeckte, dass es im 12. Jahrhundert vor Christus bedeutende Veränderungen in der Lebensweise in Ashkelon gegeben haben muss, die mit der Ankunft der Philister in Verbindung stehen dürften. Vielfach wurde jedoch argumentiert, die kulturellen Veränderungen seien lediglich durch kulturellen Austausch und eine Nachahmung fremder Lebensweisen zustande gekommen und nicht mit einer bedeutsamen Zuwanderung von Menschen einhergegangen.

Die neue Studie basiert auf mehr als dreißig Jahren archäologischer Arbeit und genetischer Forschung unter Verwendung modernster Methoden und Technologien. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Philister an der Küste des heutigen Israels am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Erscheinung traten. Aus dieser Zeit ist auch eine Zuwanderung von Menschen aus dem Westen bekannt.

Die Zuwanderer kamen übers Mittelmeer

Dem Forschungsteam ist es gelungen, aus menschlichen Überresten das Erbgut von zehn Menschen, die in der Bronze- und in der Eisenzeit in Ashkelon lebten, zu rekonstruieren und zu vergleichen. Dabei zeigte sich, dass über den gesamten Zeitraum hinweg der größte Teil des Erbguts aus dem lokalen levantinischen Genpool stammte. Jedoch wiesen Menschen, die in der frühen Eisenzeit in Ashkelon lebten, eine europäische Abstammungskomponente auf, die bei ihren bronzezeitlichen Vorfahren nicht vorhanden war.

„Dieser genetische Unterschied ist auf einen Genfluss zurückzuführen, der am Ende der Bronzezeit oder zu Beginn der Eisenzeit von Westen aus über das Mittelmeer nach Ashkelon führte. Diese Datierung steht im Einklang mit den auf archäologischen und schriftlichen Aufzeichnungen beruhenden Schätzungen zur Ankunft der Philister an der Küste der Levante“, erklärt Michal Feldman vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Erstautorin der Studie. „Während unsere Modellierung einen südeuropäischen Genpool als plausible Quelle vorschlägt, könnten zukünftige Stichproben helfen, die Populationen genauer zu bestimmen, welche die europäische Komponente in Ashkelon einführten.“

Kurzlebiger Einfluss der europäischen Komponente

Bei der Analyse der DNA von Menschen, die in der späteren Eisenzeit in Ashkelon lebten, war die europäische Komponente nicht mehr nachzuweisen. „Innerhalb von weniger als zwei Jahrhunderten ist der genetische Fußabdruck, der in der frühen Eisenzeit eingeführt wurde, nicht mehr nachweisbar und scheint in einem lokalen Genpool aufgegangen zu sein“, sagt Choongwon Jeong vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, einer der korrespondierenden Autoren der Studie.

Daniel M. Master, Leiter der Leon Levy Expedition vermutet, dass die Neuankömmlinge in angestammte Familien einheirateten: „In den alten Texten blieben die Menschen von Ashkelon im ersten Jahrtausend vor Christus für ihre Nachbarn "Philister" – doch eigentlich war eine Unterscheidung aufgrund ihrer genetischen Ausstattung nicht mehr gegeben, vielleicht aufgrund von Mischehen mit den lokalen Bevölkerungsgruppen.“

„Diese Daten beginnen, eine zeitliche Lücke in der genetischen Karte der Ostmittelmeerküste zu schließen“, erklärt Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Leiter der Studie. „Gleichzeitig stellen wir durch die vergleichende Analyse der menschlichen Überreste von Ashkelon fest, dass sich die einzigartigen kulturellen Merkmale der frühen Philister in einer spezifischen genetischen Signatur widerspiegeln.“

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