Parasiten sabotieren sich gegenseitig

Infizieren parasitäre Würmer in unterschiedlichen Entwicklungsstadien ein- und denselben Wirt, entstehen Interessenkonflikte zwischen den Parasiten

Manche Parasiten haben nur ein Ziel: Sich in ihrem Zwischenwirt komplett zu entwickeln und den richtigen Zeitpunkt abwarten, um ihren Endwirt zu infizieren und sich dort fortzupflanzen. Viele Parasiten manipulieren das Verhalten ihres Zwischenwirts. Dieser verhält sich dadurch anders und ist je nach Anforderung des Parasiten auffälliger oder unauffälliger für dessen natürlichen Fressfeind. Doch was geschieht, wenn Parasiten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien oder gar verschiedene Parasitenarten mit entgegengesetzten Zielen einen Wirt befallen? Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön haben herausgefunden, dass sich zwei unterschiedliche Arten von parasitischen Würmern mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien in einem Ruderfußkrebs gegenseitig sabotieren und das Manipulationsprogramm des anderen ausschalten. Bei Interessenskonflikten behält den Forschern zufolge immer ein Parasit im infektiösen Stadium die Oberhand.

Außer bei Tom und Jerry würde wohl keine Maus auf die Idee kommen, sich freiwillig in der Nähe einer Katze aufzuhalten. Manche Mäuse tun es doch, denn sie fühlen sich von Katzen scheinbar angezogen. Ganz natürlich ist das jedoch nicht, denn sie agieren sozusagen fremdgesteuert. Mäuse sind der Zwischenwirt von Toxoplasma gondii – einem parasitischen Einzeller, der sich in Katzen als Endwirten vermehrt. Um aus den Zwischenwirten in den Endwirt zu gelangen, verändert der Parasit das Gehirn der Mäuse und damit ihr Verhalten. Die Mäuse werden leichtsinniger und sind dadurch eine leichtere Beute für Katzen. Auch Menschen können dem Parasiten als Zwischenwirt dienen und von ihm manipuliert werden. Eine Infektion mit Toxoplasmose wird  für Stimmungsschwankungen, erhöhter Risikobereitschaft und Schizophrenie verantwortlich gemacht. Infizierte Menschen haben oft auch eine verzögerte Reaktionszeit, weswegen sie häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt sind.

Vom Zwischen- zum Endwirt

Auch der Bandwurm Schistocephalus solidus verändert das Verhalten seines Zwischenwirts zu seinen Gunsten: In seinem Fall ein Ruderfußkrebs, der zunächst von Fischen gefressen werden muss. Diese dienen dann Vögeln als Nahrung, in denen sie schließlich ihren Entwicklungszyklus vollenden. Doch der Ruderfußkrebs ist nicht nur der Zwischenwirt des Bandwurmes, sondern kann auch der Zwischenwirt des Fadenwurms Camallanus lacustris sein. Beide Parasiten entwickeln sich im Ruderfußkrebs und werden erst nach einiger Zeit infektiös. Erst dann können sie den Fisch als End- beziehungsweise Zwischenwirte infizieren. Wenn der Krebs zu früh vom Fisch gefressen wird, sind die Parasiten für diesen unschädlich. Für die Parasiten ist das fatal, sie sterben. Die beiden Würmer müssen deshalb den richtigen Zeitpunkt abwarten und in dieser Zeit das Verhalten des Wirtes so verändern, dass er weniger leicht gefressen wird.

Der Fadenwurm und der Bandwurm reduzieren die Aktivität des Ruderfußkrebses auf ein Minimum und damit die Gefahr, von einem Fisch gefressen zu werden, bis sie ein infektiöses Stadium erreicht haben. Sobald die Würmer infektiös werden, kehrt sich die Strategie der Würmer ins Gegenteil: Nun sollte der Ruderfußkrebs möglichst aktiv sein, damit er möglichst schnell von einem Fisch gefressen wird. Sind nicht-infektiöse und infektiöse Stadien in einem Ruderfußkrebs vorhanden, kommt es also zu einem Interessenkonflikt zwischen den Parasiten.

Diesen Konflikt zwischen unterschiedlichen Entwicklungsstadien innerhalb und zwischen Arten haben die Max-Planck-Forscher in ihren Experimenten untersucht. Sie haben dazu Ruderfußkrebse sowohl mit infektiösen als auch nicht-infektiösen Faden- und Bandwürmern infiziert und gemessen, wie lange die Krebse nach einem simulierten Angriff eines Fisches aktiv waren. Leben die verschiedenen Infektionsstadien in unterschiedlichen Wirtsorganismen, beeinflussen nicht-infektiöse Parasiten die Aktivität des Wirtes stärker als infektiöse Stadien.

Infektiöse Stadien sabotieren die nicht-infektiösen

Kommen sie dagegen im selben Wirt vor, sieht es anders aus: Den Wissenschaftlern zufolge unterläuft ein infektiöser Parasit immer die Manipulationen eines nicht-infektiösen Parasiten, wenn diese seinen eigenen Interessen entgegenstehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konkurrent derselben oder einer anderen Art angehört. „Der nicht-infektiöse Wurm möchte zwar, dass der Krebs ruhig bleibt, sodass dieser nicht gefressen wird, der infektiöse Wurm manipuliert aber das Verhalten in die entgegengesetzte Richtung: Der Krebs wird aktiver“, sagt Nina Hafer vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie.

Warum der infektiöse Wurm nicht wartet, bis der nicht-infektiöse Wurm auch infektiös wird, sondern diesen sabotiert, wissen die Forscher noch nicht. „Eigentlich hat er ja weniger zu verlieren als der nicht infektiöse Wurm. Er hat trotzdem noch eine Chance den nächsten Wirt zu erreichen und sich irgendwann fortzupflanzen. Für den nicht-infektiösen Wurm kann die Sabotage dagegen das vorzeitige Ende bedeuten“, erklärt Hafer. „Allerdings könnte das Warten auch Nachteile bringen, falls zum Beispiel der Ruderfußkrebs in der Zwischenzeit stirbt“. Auch ein infektiöser Parasit war zunächst nicht-infektiös und hat entsprechend manipuliert. Möglicherweise schaltet er ab dem infektiösen Stadium alte Sabotagemechanismen einfach ab und schadet somit nebenbei dem nicht-infektiösen Parasiten.  

Der Fadenwurm scheint seinen Wirt stärker zu kontrollieren als der Bandwurm: Ein infektiöser Fadenwurm kann die Manipulation eines nicht-infektiösen Bandwurms komplett untergraben, ein infektiöser Bandwurm dagegen einem nicht-infektiösen Fadenwurm nur teilweise entgegenwirken.

Die Ergebnisse der Studie zeigen zum ersten Mal, dass ein Parasit nicht nur die Wirkung eines Artgenossen auf den Wirt, sondern auch die Manipulation eines Parasiten einer nicht näher mit ihm verwandten Art sabotieren oder komplett abschalten kann. Dies kann wichtige ökoklogische Konsequenzen haben und beispielsweise Krankheiten, wie Malaria oder Toxoplasmose beeinflussen. „Beispielsweise könnten Parasiten Manipulationsprogramme von Krankheitserregern ganz oder teilweise abschalten und dadurch die Ausbreitung der Erreger erschweren“, sagt Manfred Milinski, Direktor am Max-Planck-Institut in Plön. 

PH/HR

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