Elefanten brauchen neuen Stammbaum

Ausgestorbener Europäischer Waldelefant war naher Verwandter der heute in Afrika lebenden Waldelefanten

7. Juni 2017

Neuen Forschungsergebnissen zufolge ist der ausgestorbene Europäische Waldelefant näher mit dem Afrikanischen Waldelefanten verwandt als dieser mit seinem nächsten lebenden Verwandten, dem Afrikanischen Savannenelefanten. Bisher nahm man an, dass der vor 1,5 Millionen bis 100.000 Jahren in Eurasien lebende Paleoloxodon antiquus näher mit dem Asiatischen Elefanten verwandt war. Die Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus die lange unabhängige Evolutionsgeschichte heute lebender afrikanischer Elefanten, die bis vor einiger Zeit noch der gleichen Art zugerechnet wurden.

Elefanten sind die größten lebenden Landtiere. Neben den drei heute lebenden Arten – dem Asiatischen Elefanten (Gattung Elephas), dem Afrikanischen Savannen- und dem Afrikanischen Waldelefanten (Gattung Loxodonta) – kennt man auch ein Reihe ausgestorbener Arten, wie das Mammut oder die Zwergelefanten der Mittelmeerinseln. Zu diesen ausgestorbenen Arten gehört auch eine der größten Elefantenarten überhaupt, der vor ca. 100.000 Jahren ausgestorbene europäische Waldelefant, Palaeoloxodon antiquus. Er hätte mit bis zu vier Metern Schulterhöhe sogar den Afrikanischen Savannenelefanten überragt. Der Europäische Waldelefant wurde bisher als naher Verwandter des asiatischen Elefanten eingestuft und manchmal als Elephas antiquus sogar in die gleiche Gattung gestellt. Diese Einordnung beruhte aber lediglich auf der Analyse der Form seiner Knochen, da es aufgrund des Alters der Fossilien dieser Art von mindestens 100.000 Jahren bisher nicht möglich gewesen war, das Erbgut des Giganten zu analysieren.

Mit Hilfe modernster Analysemethoden hat ein internationales Forscherteam um Matthias Meyer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Michael Hofreiter von der Universität Potsdam nun aus insgesamt vier Fossilien des Europäischen Waldelefanten DNA-Sequenzen gewonnen. Die älteste der Proben ist etwa 240.000 Jahre alt und stammt aus der Fundstelle Weimar-Ehringsdorf, in der auch Überreste des Neandertalers gefunden wurden. Die übrigen drei Funde sind etwa 120.000 Jahre alt und stammen aus der Sammlung des Landesmuseums Halle zur Fundstelle Neumark Nord, der vielleicht bedeutendsten europäischen Fundstelle für Fossilien aus der letzten Zwischeneiszeit.

Aus allen vier Proben konnten die Wissenschaftler das mit etwa 17.000 Bausteinen relativ kleine Genom der Mitochondrien isolieren, den Kraftwerken der Zelle. Für zwei der Proben aus Neumark Nord gelang es ihnen zudem, mehrere 100 Millionen Bausteine des wesentlich größeren Kerngenoms zu analysieren. Die gewonnenen Daten gehören zu den ältesten DNA-Sequenzen überhaupt, die bisher analysiert werden konnten. „Bisher konnten mehrere hunderttausend Jahre alte Knochen nur in den seltensten Fällen einer genetischen Analyse unterzogen werden, wenn sie nicht unter Permafrostbedingungen überdauert hatten“, sagt Meyer. „Neueste Methoden ermöglichen es uns, uralte DNA-Sequenzen auch aus Proben von wärmeren Orten zu gewinnen, an denen der Zerfall der Erbgutmoleküle viel schneller vor sich geht.“

Enge Verwandtschaft zwischen Waldelefanten in Europa und Afrika

Die Stammbaumanalyse der DNA-Sequenzen ergab zur Überraschung der Forscher, dass der nächste lebende Verwandte des Europäischen Waldelefanten nicht der Asiatische Elefant, sondern der Afrikanische Waldelefant ist, die kleinste der noch lebenden Elefantenarten. Mit diesem Ergebnis muss mindestens ein Teil des Elefantenstammbaums umgeschrieben werden.

Zudem zeigen die Forscher, dass die Linie der Afrikanischen Elefanten mit der Gattung Loxodonta nicht nur auf Afrika beschränkt war, sondern ebenso wie Mammuts und Asiatische Elefanten auch in Eurasien vorgekommen ist. Die Evolution der Elefanten ist also deutlich anders verlaufen, als bisher angenommen. „Die Paläogenomik hat bereits unseren Blick auf die Evolution des Menschen fundamental verändert, und dasselbe passiert nun auch für andere Säugetierarten“, sagt Hofreiter. „Ich bin mir sicher, dass die Elefanten erst der Anfang sind, und dass wir in Zukunft hinsichtlich der Evolution anderer Arten noch weitere Überraschungen erleben werden.“

MH, SJ/HR

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