FLUCS - Mikroskopie wird interaktiv

Forscher können mit neuem Mikroskop Bewegungen innerhalb von Zellen steuern

5. Februar 2018

Bewegungen innerhalb von Zellen, zum Beispiel winzige Strömungen der Zellflüssigkeit, sind vermutlich essenziell für die embryonale Entwicklung komplexer Organismen. Direkt geprüft werden konnte dies jedoch nicht, da solche intrazellulären Strömungen bislang nicht gezielt verändert werden konnten. Nun aber hat ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden erstmals eine Möglichkeit gefunden, Bewegungen in lebendigen Zellen und Embryonen zu beeinflussen und gerichtet zu steuern. Die Forschungsgruppe um Moritz Kreysing hat mit dieser neuartigen Technik in die Entwicklung von Embryonen eingegriffen und sie verändert. Die Studie bestätigt damit Hypothesen zur Polarisation von befruchteten Eizellen und verdeutlicht zugleich, dass die Zukunft der Mikroskopie interaktiv ist.

Eine zentrale Frage der Biologie ist, wie sich aus einer befruchteten Eizelle ein kompletter Organismus entwickeln kann. Die molekularbiologische Forschung ermöglichte in den letzten Jahren tiefe Einblicke in dieses Phänomen embryonaler Entwicklung. Ein zentraler Aspekt jedoch blieb unbeantwortet und war methodisch sehr schwer zugänglich. Damit sich ein Organismus korrekt entwickeln kann, müssen Biomoleküle an die richtigen Stellen des wachsenden Embryos gelangen, ähnlich wie Baumaterial auf einer Baustelle. Ein frühes und wichtiges Beispiel für diese Umverteilung von Material ist die biochemische Polarisation befruchteter Eizellen. Dieser Prozess definiert die spätere Körperachse des Tiers, d.h. zum Beispiel wo der Kopf eines Wurmes und wo sein Schwanz wachsen wird. Durch welche Mechanismen polarisationsrelevante Moleküle verteilt werden, blieb jedoch lange unbeantwortet, da eine geeignete Methode fehlte, schonend in den intrazellulären Transport lebender Embryos einzugreifen.

Ein Forscherteam um Moritz Kreysing in Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, der Fakultät für Mathematik und dem Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden hat mit ihrer nicht-invasiven Lasertechnologie FLUCS (englisch:“focused-light-induced-cytoplasmic-streaming“) kontrollierte Ströme in lebenden Embryonen erzeugt. Mit diesem revolutionären Werkzeug konnten die Forscher die Bedeutung der Bewegung des Zytoplasmas für die Polarisation der Eizelle testen und somit bestehende Hypothesen validieren und ergänzen.

Wurm mit umgekehrter Achse

Matthäus Mittasch, Doktorand und Erstautor der Studie, schwärmt: „Mit FLUCS wird die Mikroskopie sich entwickelnder Embryonen plötzlich interaktiv.“ Und tatsächlich: Angeleitet durch realistische Computersimulationen gelang es den Forschern sogar, die Körperachse von Wurm-Embryonen mit Hilfe von FLUCS umzukehren: Vorder- und Hinterteil waren nun vertauscht. Forschungsgruppeleiter Moritz Kreysing, der auch dem Zentrum für Systembiologie Dresden angehört, kommt zu dem Schluss: „Wenn wir das Innere von Zellen bewegen können, werden wir auch besser verstehen, wie sich Zellen bewegen, wie sie auf externe Signale reagieren und wie sie sich teilen. Außerdem können wir mit FLUCS erstmals untersuchen, wie lebende Organismen aus dem Wechselspiel biochemischer Reaktionen und physikalischer Bewegung hervorgehen.“

Forscher sind sich einig: In der Medizin hat FLUCS das Potenzial, embryonale Entwicklungsstörungen besser zu verstehen, In-vitro-Fertilisation zu verbessern und die Erprobung neuer Medikamente zu vereinfachen.

KB/HR

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