Chlamydien begünstigen Entstehung von Mutationen

Die sexuell übertragbaren Bakterien fördern auch das Wachstum ihrer mutierten Wirtszellen und können so zur Krebsentwicklung beitragen

20. Juni 2013

Krebs ist nicht nur eine Frage der Veranlagung oder von schädlichen Umwelteinflüssen, er kann sogar ansteckend sein. Neben verschiedenen Viren kann auch das Magenbakterium Helicobacter pylori Krebs auslösen. Wissenschaftler vermuten jedoch, dass Helicobacter nur die Spitze des Eisbergs ist. Insbesondere Chlamydien, chronisch infektiöse Bakterien, stehen im Verdacht, an der Entstehung von Eierstockkrebs beteiligt zu sein. Forscher des Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin haben nun einen weiteren Hinweis darauf gefunden, dass Chlamydien Krebs auslösen könnten. Im Verlauf ihrer Vermehrung hinterlassen die Erreger immense Schäden im Genom ihrer Wirtszellen. Diese Schäden an der DNA werden nur ungenau repariert. So stellen sich in kurzer Zeit zahlreiche Mutationen im Erbgut ein. Darüber hinaus verhindern die Erreger, dass mutierte Zellen absterben. Stattdessen regen sie sie zu weiterem Wachstum an – der erste Schritt zur Krebszelle. Die Ergebnisse der Wissenschaftler könnten helfen, manchen Krebsformen durch geeignete Impfungen vorzubeugen oder sie noch früher zu behandeln.

Chlamydia trachomatis ist eines der weltweit häufigsten sexuell übertragbaren Bakterien. Jedes Jahr stecken sich 90 Millionen Menschen mit den Erregern neu an. Sie dringen in Schleimhautzellen ein und programmieren ihre Wirtszellen so um, dass sie sich in ihnen vermehren oder darin längere Zeit überleben können. Chlamydien können in ihrer Wirtszellen in ein Ruhestadium übergehen und so für das Immunsystem unsichtbar bleiben. Die Folge sind monate- oder jahrelange chronische Infektionen ohne dass akute Krankheitssymptome auftreten.

Die Forscher des Berliner Max-Planck-Instituts haben beobachtet, dass die DNA-Moleküle infizierter Zellen mehr Brüche aufweisen als das Erbgut gesunder Zellen. Normalerweise aktivieren Zellen bei Schäden an ihrer DNA das zelleigene Reparatursystem. Es verbindet die gebrochenen DNA-Stränge wieder miteinander, ohne dass der genetische Code verändert wird. Lassen sich die Schäden auf diese Weise nicht beheben, aktivieren die Zellen einen Selbstzerstörungsmechanismus – sie begehen also förmlich Selbstmord. „Chlamydien beeinträchtigen die zelleigene Reparaturmaschinerie, indem sie verhindern, dass bestimmte Reparaturenzyme an der geschädigten DNA andocken können. Infizierte Zellen reparieren Schäden deshalb fehlerhaft, so dass die Wirts-DNA mit der Zeit immer mehr Mutationen anhäuft“, erklärt Cindrilla Chumduri vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Trotzdem sterben die mit Chlamydien infizierten Zellen nicht ab, sondern wachsen einfach weiter – eine Folge von Wachstumssignalen, die die Bakterien an ihre Wirtszellen senden. „Für die Chlamydien ist es überlebenswichtig, den programmierten Zelltod zu verhindern, denn dabei würden sie ja mit zugrunde gehen. Den Preis dafür zahlt die Zelle: Sie kann dadurch Schädigungen davontragen und zur Krebszelle werden“, sagt Chumduri.

Die Studie der Max-Planck-Wissenschaftler zeigt, wie Chlamydien zum Schrittmacher der Krebsentstehung werden können. „Die im Reagenzglas erzielten Ergebnisse müssen zwar noch im lebenden Organismus bestätigt  werden. Für die Krebsvorbeugung sind aber solche Erkenntnisse von großer Bedeutung, denn sind die Zusammenhänge zwischen Infektion und Krebsentstehung erst einmal gesichert, wie im Fall des Magenerregers Helicobacter pylori, so ließen sich auch andere Krebsarten durch Impfung verhindern oder mit der Gabe von Antibiotika frühzeitig behandeln“, sagt der Leiter der MPIIB-Gruppe, Thomas F. Meyer.

RZ/HR

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