Milzbrand: Eine unterschätzte Gefahr für Wildtiere in den Tropen

Forscher beleuchten die Epidemiologie eines rätselhaften Krankheitserregers

2. August 2017

Der atypische Milzbrand-Erreger Bacillus cereus biovar anthracis ist im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste offenbar weit verbreitet und stellt eine Gefahr für verschiedene Wildtiere dar. Auf lange Sicht könnte das Bakterium sogar dazu führen, dass die lokale Schimpansenpopulation ausstirbt. Das zeigt eine umfassende Studie von Wissenschaftlern des Robert Koch-Instituts, des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, der Universität Glasgow und des ivorischen Tiergesundheitsinstituts.

„Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, Langzeitstudien zu Infektionskrankheiten und deren Auswirkungen auf Wildtiere zu machen“, sagt Fabian Leendertz, Veterinärmediziner am Robert Koch-Institut und Leiter der Studie. „Einerseits, um gefährdete Tierarten besser schützen zu können. Andererseits sind gerade Infektionen bei Menschenaffen Indikatoren für Krankheiten, die auch dem Menschen gefährlich werden könnten.“ Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts und Co-Autor der Studie, ergänzt: „Die Arbeit steht ganz im Zeichen des One-Health-Ansatzes, wonach die Gesundheit von Mensch und Tier eng mit einander verknüpft sind und gemeinsam betrachtet werden müssen.“

Milzbrand (Anthrax) wird durch sporenbildende Bakterien, üblicherweise Bacillus anthracis, ausgelöst. Insbesondere in den trockenen Regionen Afrikas kommt es immer wieder zu Ausbrüchen bei Tieren; auch Menschen können an Milzbrand erkranken. 2004 haben Wissenschaftler um Fabian Leendertz ein bis dahin unbekanntes Milzbrand-Bakterium bei toten Schimpansen im Regenwald des Taï-Nationalparks entdeckt: Bacillus cereus biovar anthracis. Weitere Untersuchungen zeigten, dass der Erreger auch für den Tod wildlebender Schimpansen, Gorillas und Elefanten in Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik verantwortlich ist.

Die Forscher haben nun die Verbreitung dieses Erregers untersucht – und das Risiko, das er für Wildtiere birgt. Dafür analysierten sie Knochen und Gewebeproben, die im Laufe der vergangenen 28 Jahre verendeten Säugetieren im Taï-Nationalpark entnommen und tiefgefroren worden waren. Außerdem analysierten sie den Mageninhalt von Aasfliegen: Die Insekten kommen immer wieder mit Aas in Berührung, nehmen dabei auch den Milzbrand-Erreger auf und liefern so Hinweise, wo und bei welchen Tierarten er zirkuliert. Tierknochen und Aasfliegen wurden auch aus 16 weiteren Regionen Sub-Sahara-Afrikas untersucht.

Milzbrand bedroht Schimpansen im Taï-Nationalpark

„Im Taï-Nationalpark sind fast 40 Prozent aller toten Tiere, die wir analysiert haben, dem tropischen Milzbrand-Erreger zum Opfer gefallen“, berichtet Emmanuel Couacy-Hymann vom ivorischen Tiergesundheitsinstitut. Die Forscher haben den Erreger bei verschiedenen Affenarten, Waldantilopen, Mangusten und einem Stachelschwein gefunden. Am gravierendsten seien jedoch die Schimpansen betroffen: 31 der 55 untersuchten toten Schimpansen sind an dem Erreger gestorben. „Unseren Hochrechnungen zufolge könnte der Erreger langfristig dazu beitragen, dass die Population im Taï-Nationalpark ausstirbt“, sagt Roman Wittig, Leiter des Taï-Schimpansenprojektes am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Die Wissenschaftler wollen nun herausfinden, warum der Erreger ausgerechnet im Taï-Nationalpark so aktiv ist; unklar ist auch, wo und wie sich die Tiere überhaupt infizieren. Außerdem suchen die Forscher nach Möglichkeiten, die Schimpansen zu schützen, etwa durch Impfungen.

Menschliche Infektionen mit dem atypischen Milzbrand-Erreger sind bislang nicht bekannt. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass der Erreger – genau wie Bacillus anthracis - auch für Menschen gefährlich ist. Beide Erreger sind eng miteinander verwandt. Entsprechende Studien werden zurzeit in enger Kooperation mit Forschungsinstituten und Behörden an der Elfenbeinküste durchgeführt. Milzbrand kann beim Menschen lebensbedrohlich verlaufen. Wenn die Infektion frühzeitig erkannt wird, lässt sie sich in der Regel gut mit Antibiotika behandeln.

Degen, Leendertz/RKI/HR

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