Kein Königsweg zum Wählerglück

Direkte Demokratie fördert Akzeptanz von Entscheidungen nicht automatisch

2. August 2013
In einer Demokratie sollten Wähler hinter den politischen Entscheidungen stehen. Das ist allerdings nicht immer der Fall wie Bürgerbegehren oder sinkende Wahlbeteiligung in jüngster Zeit immer öfter demonstrieren. Nicht zufällig mehren sich in westlichen Demokratien die Rufe nach Reformen in Form von mehr Teilhabe durch Direktabstimmung. Doch werden die Ergebnisse solcher Verfahren tatsächlich von den Wählern stärker akzeptiert als politische Entscheidungen von Volksvertretern? „Nicht unbedingt“, meint der Ökonom Sebastian Goerg, Research Fellow am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern.

In einer interdisziplinären Studie untersuchte Sebastian Goerg mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener internationaler Universitäten und Forschungseinrichtungen in wieweit die Zustimmung von Wählern für eine politische Entscheidung von der Art der Bürgerbeteiligung abhängt. Kurz: Führen Volksbeschlüsse zu höherer Akzeptanz von politischen Entscheidungen als Entscheidungen des Landtages oder einzelner Parteien?" Was sie herausgefunden haben, dürfte nicht nur für Wissenschaftler interessant sein. Offenbar lässt sich nicht grundsätzlich sagen, dass Volksabstimmungen die besser akzeptierten Entscheidungen bringen.

Klar ist: Für den Wähler sind Entscheidungen und Beschlüsse im Rahmen einer repräsentativen Demokratie mit Sicherheit die bequemere Lösung. Denn gewöhnlich haben Durchschnittsbürger weder Zeit noch Möglichkeiten, sich über alle anstehenden politischen Fragestellungen im Detail zu informieren. „Hier stehen Parteien für bestimmte Positionen und servieren fertige Informationspäckchen zu den anstehenden Themen“, erklärt Goerg die Vorzüge repräsentativer Demokratie. "Parteien machen es mit ihrem Markenprofil dem Wähler leichter, sinnvolle und eben nicht zufällige Entscheidungen zu treffen."

So gesehen ist die Repräsentation durch politische Parteien funktional und akzeptiert, weil sie eine Form der Arbeitsteilung darstellt. Doch gibt es Schönheitsfehler im System. Als Beispiele nennt Goerg Korruption und andere Formen der Vorteilsnahme. Solche Mängel wirken sich nicht nur negativ auf die Zufriedenheit der Wähler mit einer speziellen Entscheidung aus, sondern auch auf seine Sicht aufs politische Gesamtgebilde. „Diese Unzufriedenheit kann wiederum zu einem Rückgang der Wahlbeteiligung führen“, beschreibt er die Folgen.

Ob allerdings Volksentscheide und andere Formen direkter Demokratie für mehr Zufriedenheit der Wähler sorgen, ist keineswegs klar. „In der einschlägigen Fachliteratur scheiden sich die Geister“, so Goerg. Die Befürworter von Volksentscheiden oder Bürgerbegehren argumentieren, dass diese das politische Interesse des Wählers motivierten, weil sie das Nachdenken über bestimmte Themen anregten. Damit leisteten sie politische Bildungsarbeit, führten zu aktiverer Beteiligung, besserer Repräsentation des Willens der Wähler und somit auch zu einer höheren Qualität der politischen Entscheidungen. Andere dagegen sagen, dass eine zu häufige Beteiligung genau das Gegenteil bewirkt und zu Ermüdungserscheinungen führe. Auch die Qualität politischer Entscheidungen sehen sie in Frage gestellt: Wenn etwa finanziell gutausgestattete Gruppen sich die für ein Referendum erforderliche Anzahl von Unterschriften einfach „zusammenkauften“. Diese Effekte würden sich wiederum negativ auch auf die Akzeptanz einer Entscheidung beim Wähler auswirken.

Wer hat Recht? Für ihre Studie führten die Forscher eine Befragung von 615 Wählern im Alter zwischen 18 und 70 Jahren in Rheinland-Pfalz kurz vor der letzten Landtagswahl durch. Hierbei wurden die Teilnehmer – Frauen und Männer waren gleich vertreten – zu drei Themen (Atomausstieg, Islam als Religionsfach an Schulen, Zentralabitur) befragt. „Dabei wollten wir wissen, in wieweit die Bürger die - hypothetischen - Entscheidungen akzeptieren oder unterstützen würden“, beschreibt Goerg den Hintergrund. Sie präsentierten fünf verschiedene Szenarien, die mit Entscheidungen (1) durch eine Form direkter Demokratie, (2) durch ein Expertenkomitee, (3) durch die CDU, (4) durch die SPD und (5) durch das Parlament (Mehrheitsbeschluss verschiedener Parteien) korrespondierten sowie Zustimmung oder Ablehnung zu einem Thema signalisierten. Dabei mussten die Testpersonen ferner für jedes einzelne Thema ihren Grad der Akzeptanz einer Entscheidung auf einer Skala von eins (gar nicht) bis vier (absolut) angeben und wie wichtig das jeweilige Thema für sie ist.

Wie sich unterm Strich zeigte, gibt es keinen Königsweg zum Wählerglück. „Die Befragten haben nicht per-se eine höhere Akzeptanz für Entscheidungen durch Volksbeschlüsse, sondern nur dann, wenn sie selber eine Frage als wichtig erachten“, fasst Goerg das Ergebnis zusammen. Dies gelte selbst für den Fall, dass sie eigentlich anderer Meinung sind. „Das heißt: Dem Bürger ist es meistens egal wie die Politik zu ihrer Entscheidung kommt, nur wenn die Sache wichtig ist, möchte er befragt werden.“

BF/SB

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