Schnelle Einsatztruppe fürs Herz

Max-Planck-Wissenschaftler haben herausgefunden, wie adulte Stammzellen den Weg zum kranken Herz finden

6. Juni 2008

Neuartige Zelltherapien zur Behandlung von Herzerkrankungen stoßen derzeit auf großes Interesse bei Wissenschaftlern und Medizinern. Als besondere Hoffnungsträger gelten dabei so genannte adulte Stammzellen, welche die Fähigkeiten besitzen, für erkrankte Organe notwendige Ersatzzellen zu liefern. Das Potential solcher Stammzellpopulationen wurde bereits in zahlreichen tierexperimentellen und klinischen Studien untersucht - mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Forscher vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun die Schlüsselfaktoren identifiziert, mit denen diese Zellen den Weg vom Blut ins geschädigte Organ finden. Die Wissenschaftler hoffen nun auf neue Möglichkeiten, mit denen die Effizienz von Stammzelltherapien zukünftig gesteigert werden können (Cell Stem Cell, 5. Juni 2008).

Nach der Geburt sind alle Organe zwar grundsätzlich vollständig ausgebildet und funktionsfähig, jedoch laufen zeitlebens Umbau- und Reparaturvorgänge ab. Adulte Stammzellen sind verantwortlich für den Nachschub an den dafür notwendigen Ersatzzellen. In über 20 Organen bzw. Geweben wurden inzwischen diese Zelltypen identifiziert. Für die Entwicklung neuer Stammzelltherapien werden Knochenmarkszellen aufgrund der unkomplizierten Entnahme und Gewinnung meist favorisiert. Der Patient kann die Zellen beispielsweise intravenös injiziert bekommen. Vom Blut finden die Stammzellen anschließend den Weg zum erkrankten Organ.

Die gezielte Anlockung und Wanderung von Zellen wird über Botenstoffe gesteuert, für die auf den Zellen Rezeptoren als Gegenstücke vorhanden sind. Auf diese Art werden beispielsweise Immunzellen zum Ort einer Entzündung dirigiert. Daher ist naheliegend, dass auch körpereigene, knochenmarksstämmige Stammzellen diese Mechanismen im Zuge von Reparaturvorgängen in geschädigten Organen nutzen. Zusammen mit seinem Team am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung hat Thomas Braun mithilfe von DNA-Mikroarrays und transgenen Mäusen zwei Rezeptoren identifiziert, die für das gezielte Einwandern (Homing) einer definierten Population adulter Stammzellen (multipotente mesenchymale Stammzellen) verantwortlich sind.

Zeigten sich bei einer Expressions-Analyse von Stammzellen per DNA-Mikroarray zunächst eine ganze Reihe von Rezeptoren, die bereits früher mit Migrations- und Homingvorgängen in Verbindung gebracht wurden, so ergab ein Migrationsassay in einem speziellen Zellkulturgefäß, der sogenannten Boyden-Kammer, dass nur bei wenigen der untersuchten Testsubstanzen eine deutliche Stimulation der Zellwanderung ausgelöst wurde. "Die Migration der multipotenten mesenchymalen Stammzellen wurde am stärksten stimuliert, wenn MCP-1 in der Kammer war. Da bekannt ist, dass MCP-1 an den CC-Chemokin Rezeptor-2 bindet, konnten wir auf diese Weise den verantwortlichen Rezeptor identifizieren", sagte Thomas Braun. Der CCR2-Rezeptor gehört zur Gruppe der G-Protein gekoppelten Rezeptoren. Diese Rezeptoren sitzen an der Zelloberfläche. Sie werden durch das Andocken des Botenstoffs aktiviert und übermitteln das Signal anschließend ins Zellinnere. Dort werden Signalkaskaden ausgelöst, die dann die Aktivierung und Migration der Zelle steuern.

Diesen Zusammenhang bestätigen konnten die Forscher auch am lebenden Organismus, in dem sie zuvor markierte Knochenmarkszellen in transgene Mäuse injizierten, bei denen MCP-1 herzspezifisch überexprimiert wurde: Die Zellen reicherten sich vorwiegend im Herz an. Dies ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Wanderung der Zellen über MCP-1 und den CC-Chemokin Rezeptor-2 (CCR2) geht. Darüber hinaus identifizierten die Nauheimer Forscher ein weiteres, für das Einwandern der mesenchymalen Stammzellen essentielles Molekül: Das FROUNT genannte Protein ist verantwortlich für die intrazelluläre Verarbeitung des am CCR2 generierten Signals und löst die Migrationsbewegung der Stammzellen aus. "Nachdem wir FROUNT mittels eines gentechnischen Eingriffs in den mesenchymalen Stammzellen blockiert hatten, wanderten die Zellen nicht mehr in das Herz der MCP-1-Mäuse ein", erklärt der Max-Planck-Wissenschaftler. "An Mäusen, die durch einen vorübergehenden Verschluss eines Herzkranzgefäßes an einer Ischämie litten, also einer Durchblutungsstörung im Myokard, konnten wir zudem zeigen, dass CCR2 und FROUNT auch die Proteine sind, die für das Homing der mesenchymalen Stammzellen beim erkrankten Herz entscheidend sind."

Von dem nun identifizierten Mechanismus erhoffen sich die Max-Planck-Forscher, zukünftig die Effizienz von Stammzelltherapien steigern zu können, beispielsweise durch die Entwicklung von Faktoren, die gezielt CCR2 und FROUNT stimulieren. Ziel ist es, dadurch das Migrationsverhalten von zirkulierenden Stammzellen zu optimieren, sodass mehr Stammzellen für die Regeneration des geschädigten Herzens zur Verfügung stehen.

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