Unbekannte "Eisenfresser" entdeckt

Max-Planck-Forscher identifizieren bisher unbekannte Bakterien, die für das "biologische Rosten" von Eisen verantwortlich sind

2. März 2004

Eisen ist das technologisch wichtigste Metall, hat aber einen Nachteil: Ungeschütztes Eisen rostet. Hauptschuld daran trägt der Sauerstoff der Luft, der Eisen in nasser Umgebung angreift. In vollständig wassergefüllten Rohrleitungen und Behältern, wo nur Wasser, aber keine Luft vorhanden ist, wäre Eisen im Prinzip recht lange beständig. Doch statt von Sauerstoff wird Eisen unter diesen Bedingungen oft von Bakterien angegriffen, die speziell an ein Leben ohne Sauerstoff angepasst sind. Man spricht daher von anaerober Biokorrosion. Diese ist seit Jahrzehnten bekannt und höchst unerwünscht, beispielsweise in der Erdöltechnologie. Weniger bekannt war, welche Bakterienarten die Hauptübeltäter sind und welcher Mechanismus hinter der Biokorrosion steht. Jetzt haben Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für marine Mikrobiologie (Bremen) und für Eisenforschung (Düsseldorf) in Zusammenarbeit mit der Amtlichen Materialprüfungsanstalt Bremen neuartige Bakterien entdeckt, die Eisen deutlich schneller als bisher bekannte Arten korrodieren, aber dennoch bislang offensichtlich übersehen worden sind. Experimente sprechen dafür, dass diese Bakterien dem Eisen auf eine noch ungeklärte Weise Elektronen entziehen, und Elektronenentzug bedeutet Korrosion (Nature, 26. Februar 2004).

Mit der erstmaligen Herstellung von Eisen vor vermutlich fünftausend Jahren wurde der Menschheit das auch heute noch wichtigste Gebrauchsmetall beschert. Eisen, besonders in Form von Stählen, ist fest, elastisch, gut zu verarbeiten, härtbar und zudem preiswert. Eisen hat nur einen gravierenden Nachteil: Ohne Schutzanstrich oder ohne Legierung mit anderen, teureren Metallen rostet es, d.h. der Sauerstoff der Luft oxidiert das feste metallische Eisen in nasser Umgebung fortschreitend zu bröseligen, wasserhaltigen Oxiden, wobei - chemisch gesehen - das nullwertige Metall dreiwertig positiv wird. Doch auch unter Ausschluss von Sauerstoff ist Eisen nicht beliebig beständig, sondern wird von Wasser allein angegriffen; dabei entstehen flockige Formen des zweiwertig positiven Eisens und Wasserstoffgas. Zum Glück ist diese Korrosion unter Luftausschluss - im Vergleich zum Rosten an der Luft - sehr langsam. Deshalb hat man auch lange Zeit zum Beispiel für Heizungsrohre noch normales Eisen verwendet. Solange sie innen mit Wasser gefüllt und luftfrei blieben, trat meist über Jahrzehnte kein nennenswerter Korrosionsschaden auf.

Bei der Auflösung des Eisens, ob mit oder ohne Sauerstoff, handelt es sich um elektrochemische Prozesse, d.h. es erfolgen nicht nur chemische Reaktionen, sondern es fließen auch elektrische Ströme, etwa wie in einer kurzgeschlossenen Batterie. Da mag es zunächst überraschen, ds auch Mikroorganismen, also kleinste einzellige Lebewesen, bei der Eisenkorrosion ein Rolle spielen können. Tatsächlich weiß man aber schon seit mehr als siebzig Jahren, dass die sonst erstaunlich lange Haltbarkeit von Eisen in luftfreiem Wasser durch bestimmte Bakterien dramatisch verkürzt werden kann. Überhaupt verfügen diverse Mikroorganismen-Arten über Mechanismen, etliche harte Materialien wie Kalksandstein oder die Substanz unserer Zähne aufzulösen. Während die Auflösung letzterer Materialien relativ einfach durch Säurewirkung ohne Beteiligung von elektrischen Strömen erklärt werden kann, ist die Auflösung von Eisen durch Mikroorganismen ein komplexer elektrochemischer Prozess. Dieser macht sich nicht so sehr als flächige Korrosion, sondern eher als Lochfraß bemerkbar, der in Pipelines kostspielige Schäden verursachen kann. Hauptverursacher sind so genannte sulfatreduzierende Bakterien. Sie sind überall in Gewässern verbreitet und infizieren weder Mensch und Tier noch Pflanze.

Bei diesen Bakterien gibt es genau genommen gleich zwei Korrosionsmechanismen (vgl. Abb. 2): Der eine Korrosionsmechanismus ist offensichtlich: Diese Bakterien leben davon, dass sie, wie der Name sagt, das harmlose, in natürlichen Wässern häufige Sulfat (in ungelöster Form z.B. als Gips bekannt) zu Schwefelwasserstoff reduzieren, einer faulig riechenden, aggressiven und giftigen Substanz. Bei Arbeiten in schlecht belüfteten Abwassersystemen wird dieser Schwefelwasserstoff zu Recht gefürchtet. Als Reduktionsmittel für die Umwandlung von Sulfat in Schwefelwasserstoff dienen diesen Bakterien Produkte aus natürlichen Verwesungsprozessen, wie dem häuslichen Abwasser, die dabei zu Kohlendioxid oxidiert werden. Der Schwefelwasserstoff greift dann das Eisen an, wobei sich pechschwarze Reaktionsprodukte bilden.

Der andere Korrosionsmechanismus ist weniger klar, obwohl schon um 1930 Modellvorstellungen dazu entwickelt wurden. Sulfatreduzierende Bakterien verwenden nämlich auch Wasserstoffgas, um Sulfat zu reduzieren. Weil sich auf Eisen in Wasser langsam Wasserstoffgas, oft als "kathodischer Wasserstoff" bezeichnet, als Produkt bildet, wurde lange angenommen, dass dessen Verbrauch durch die sulfatreduzierenden Bakterien die Auflösung des Metalls im Wasser beschleunigt. Ein solches Prinzip ist aus der Chemie wohlbekannt: Wird das Produkt aus einer antriebsschwachen chemischen Reaktion in einer zweiten, sich anschließenden Reaktion gleich weiter verbraucht, kommt die erste Reaktion auf Touren. Im Falle der Biokorrosion von Eisen ist diese verlockende Vorstellung jedoch offensichtlich nicht haltbar.

Denn Forscher am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Bremen, haben in Zusammenarbeit mit der Amtlichen Materialprüfungsanstalt Bremen und dem Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf, Bakterien entdeckt, die Eisen deutlich schneller korrodieren, als es durch Verbrauch von Wasserstoffgas jemals möglich wäre. Alles spricht dafür, dass sie im engen Kontakt mit dem Eisen diesem direkt Elektronen entziehen und so gewissermaßen den Umweg über "kathodischen Wasserstoff" umgehen. Und Elektronenentzug aus Eisen bedeutet Korrosion. Wie ein Elektronenfluss über die sehr kurze, aber dennoch durch eine "Stromleitung" zu überbrückende Strecke zwischen Eisen und Bakterienzellen zustande kommt, ist noch unbekannt. Versteht man erst einmal deren Biochemie, wird man auch gezielter entsprechende Schutzmaßnahmen entwickeln können.

Die Wissenschaftler nehmen an, dass die neu entdeckten Bakterien eine wichtige, aber bisher übersehene Rolle bei der biologischen Eisenzerstörung spielen. Das Ausgangsexperiment für das Aufspüren dieser Bakterien war recht einfach: Zunächst wurden kleine Eisenstücke in Meeresschlamm in sauerstofffreien Flaschen gesteckt. Nach mehreren Wochen wurden die Bakterien, die auf dem allmählich dahinschwindenden Metall wuchsen, analysiert. Die eigentlich korrosiven Arten erwiesen sich dabei allerdings als schwieriger zu isolieren als begleitende Arten. Isolierung und experimentelle Untersuchung in Reinkulturen sind für eine kausale Analyse der Wirkung von Bakterien unabdingbar. Solche züchterischen Verfahren gehen heute Hand in Hand mit verfeinerten molekularbiologischen und mikroskopischen Analysen. Ohne diese Methodenkombination könnten die extrem kleinen Bakterien mit nur wenigen Tausendstel Millimeter Durchmesser und einfachen Zellformen kaum voneinander unterschieden und untersucht werden.

An dem Projekt beteiligte Institutionen:

Max-Planck- Institut für marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1, D-28359 Bremen

Amtliche Materialprüfungsanstalt Bremen
Paul-Feller-Str. 1, D-28199 Bremen

Max-Planck-Institut für Eisenforschung
Max-Planck-Str. 1, 40237 Düsseldorf

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