Neue Aufgaben für Aurora-Proteine bei der Zellteilung

Erkenntnisse bei Spalthefe geben Hinweise für die Erforschung von Krebstherapien

27. Juni 2011

Wenn eine Zelle sich teilt, muss die Erbinformation in den Chromosomen fehlerfrei an die Tochterzellen weitergegeben werden. Diesen Vorgang untersuchen Forscher des Friedrich-Miescher-Laboratoriums in Tübingen an der Spalthefe als Modellorganismus. In Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Tübingen konnten sie den Aurora-Enzymen, die als wichtige Zellwerkzeuge bei der zuverlässigen Weitergabe der Erbinformation bereits bekannt waren, nun weitere Aufgaben zuschreiben. Da die unkontrollierte Zellteilung ein Merkmal von Tumoren ist, werden Hemmstoffe gegen Aurora-Enzyme bereits in der Entwicklung neuer Krebstherapien getestet – dort könnten auch die neuen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung einfließen.

Die Spalthefe (Schizosaccharomyces pombe) gehört zu den einzelligen Pilzen und ist ein vergleichsweise einfach gebauter Organismus. Dennoch ist der Zellaufbau der gleiche wie bei komplexeren Lebewesen, etwa dem Menschen. Daher eignet sich die Spalthefe, die ein kleines Erbgut hat und sich leicht vermehren lässt, gut zur Erforschung grundlegender Zellfunktionen. Silke Hauf, Arbeitsgruppenleiterin am Friedrich-Miescher-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft, und ihr Mitarbeiter André Koch haben gemeinsam mit Boris Macek, dem Leiter des Proteom Centrums der Universität Tübingen, und seinen Mitarbeitern Karsten Krug und Stuart Pengelley an der Spalthefe Details der Zellteilung erforscht.

Bei der Zellteilung erhält jede Tochterzelle eine komplette Kopie der gesamten genetischen Information der Mutterzelle. Dafür wird die genetische Information in Form von mikroskopisch sichtbaren Chromosomen gebündelt. Die Chromosomen werden mit Hilfe eines Spindelapparats auseinandergezogen und auf die Tochterzellen verteilt. „Es ist schon länger bekannt, dass Aurora-Enzyme entscheidend an diesen Abläufen beteiligt sind“, sagt Silke Hauf, „sie kontrollieren die Komprimierung der Chromosomen und regeln deren Befestigung an den Spindelapparat.“ Wie viele andere regulatorische Enzyme auch setzen Aurora-Enzyme Veränderungen in der Zelle in Gang, indem sie andere Proteine mit Phosphatgruppen versehen.

Um einen Überblick über die Bandbreite der Proteine zu bekommen, die durch die Aurora-Enzyme verändert werden, arbeitete die Zellbiologin Silke Hauf mit dem Proteomforscher Boris Macek zusammen. Die Forscher verwendeten ein modernes Verfahren, das auf der Markierung der Proteine mit stabilen Isotopen und deren Identifizierung mittels Massenspektrometrie basiert. „Dieses Verfahren, das sich Phosphoproteomik nennt, ermöglicht es uns, Tausende von phosphorylierten Proteinen in einem Experiment quantitativ zu untersuchen. So konnten wir in einer einzelnen Studie Dutzende neuer Aurora-Substrate identifizieren, was mit konventionellen Methoden sehr lange dauern würde“, erklärt Boris Macek.

In akribischer Feinarbeit verglichen die Forscher phosphatmarkierte Proteine sich teilender Zellen, in denen Aurora-Enzyme aktiv waren, „mit Zellen, in denen diese Enzyme gehemmt waren. Aus vielen Tausend Proteinen mit Phosphatgruppen wurden so 42 Proteine herausgefiltert, deren Phosphorylierung von der Aktivität der Aurora-Enzyme abhing. „Wir haben einige Proteine wiedergefunden, von denen wir bereits wussten, dass sie durch Aurora-Enzyme verändert werden. Überraschend und neu war aber, dass Aurora auch Proteine verändert, die bei der Verpackung der DNA eine wichtige Rolle spielen und weitere Proteine, die eine Schutzfunktion für die DNA übernehmen“, berichtet Silke Hauf. „Insgesamt ist Aurora für ein deutlich breiteres Aufgabenspektrum bei der Zellteilung zuständig als gedacht“, fügt André Koch, der Erstautor der Studie, hinzu.

Nun ist die Spalthefe kein Mensch. Doch viele lebenswichtige Prozesse laufen in diesen Zellen sehr ähnlich ab wie in menschlichen Zellen. Daher geht Silke Hauf davon aus, dass sich die neuen Forschungsergebnisse auch auf Aurora-Enzyme beim Menschen übertragen lassen. Die Ergebnisse der Studie könnten auch für neue Krebstherapien wichtig sein, die an der unkontrollierten Zellteilung von Tumoren angreifen sollen. „Die Behandlung mit Hemmstoffen gegen Aurora-Enzyme, wie sie derzeit in der klinischen Entwicklung getestet werden, könnte daher auch bislang unerwartete Auswirkungen haben“, sagt die Wissenschaftlerin. Ob dies für die Eindämmung des Tumorwachstums hilfreich ist oder möglicherweise zu unerwünschten Nebenwirkungen führt, muss weiter erforscht werden.

JE/HR

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