Eine Bildgeschichte der Weltmeere
Von Seeungeheuern, Meerespolitik und maritimen Sehnsuchtsorten
Von jeher übt das Meer eine große Faszination auf Menschen aus: als reiche Nahrungsquelle und zugleich latente Bedrohung für Küstenbewohner ebenso wie als Projektionsfläche für Hoffnungen und Ängste derjenigen, die sich mit Schiffen ins Ungewisse wagen.
Meere und Ozeane spielen eine entscheidende Rolle für politische Konstellationen, für die Bildung von Herrschaftsräumen und für kulturellen Austausch. Als Wirtschaftsraum sind sie von großer Bedeutung für die Entwicklung der Gesellschaften. Und seit rund 200 Jahren finden Erholungssuchende am Strand Abstand vom Alltag. Viele Künstler haben das Meer mit seinen Wellen und seinem Licht, seiner Ausdehnung und Tiefe, seinen Bewohnern, Schiffen oder Schiffbrüchen in Bilder gefasst.
Am Kunsthistorischen Institut in Florenz, das zur Max-Planck-Gesellschaft gehört, beschäftigen sich Hannah Baader und Gerhard Wolf seit geraumer Zeit mit der globalen Bildgeschichte des Meeres. Eine Auswahl an Bildern gibt Einblick in ihre Erkenntnisse.
Meere und Ozeane spielen eine entscheidende Rolle für politische Konstellationen, für die Bildung von Herrschaftsräumen und für kulturellen Austausch. Als Wirtschaftsraum sind sie von großer Bedeutung für die Entwicklung der Gesellschaften. Und seit rund 200 Jahren finden Erholungssuchende am Strand Abstand vom Alltag. Viele Künstler haben das Meer mit seinen Wellen und seinem Licht, seiner Ausdehnung und Tiefe, seinen Bewohnern, Schiffen oder Schiffbrüchen in Bilder gefasst.
Am Kunsthistorischen Institut in Florenz, das zur Max-Planck-Gesellschaft gehört, beschäftigen sich Hannah Baader und Gerhard Wolf seit geraumer Zeit mit der globalen Bildgeschichte des Meeres. Eine Auswahl an Bildern gibt Einblick in ihre Erkenntnisse.
Karte
© gemeinfrei
Fabelweltmeer
Anno 1544: In Basel erscheint die Cosmographia, ein sechsbändiges Werk, in dem Sebastian Münster das Wissen seiner Zeit zusammenträgt. Reiseberichte und Erzählungen von Gelehrten, Geographen, Kartographen und Seereisenden ebenso wie literarische Werke sind die Quellen. Zahlreiche Karten und Bilder illustrieren die Texte. Trotz ernsthafter wissenschaftlicher Bemühungen verbreitet das Werk auch Seemannsgarn – wie auf diesem doppelseitigen Holzschnitt. Mit vielen Details werden auf den folgenden Seiten die dargestellten Fabelwesen und das Unheil beschrieben, das sie anrichten können. Dies deckt sich mit den damals weitverbreiteten Vorstellungen über die Gefahren ferner Meere. Obwohl Amerika seit einem halben Jahrhundert entdeckt ist, sind Teile der europäischen Gesellschaften weiterhin im alten Weltbild verhaftet.
Holzschnitt
© gemeinfrei
Zu neuen Ufern
In den 1570er bis 1590er-Jahren wird es gang und gäbe über den Atlantik zu fahren. Die Beziehung zum Meer ist dabei ambivalent: Seine Schrecken sind präsent, doch auch die Schönheit gerät in den Blick. So zeigt dieser Kupferstich ein friedliches Meer. Das sattgrüne Land und die Sonne am Horizont vermitteln Optimismus.
Parallel wächst in Europa das wissenschaftliche Interesse an der Neuen Welt und den sie umgebenden Meeren. Flora und Fauna werden erkundet und dokumentiert. Beschreibungen des Italieners Girolamo Benzoni, der an Entdeckungsfahrten nach Peru und zu den Westindischen Inseln teilgenommen hatte, bilden die Grundlage des Bildes, das 1594 vom belgische Kupferstecher Theodor de Bry gefertigt wird. Die fliegenden Fische, die in Europa lange ein Mythos waren, sind zwar etwas groß geraten, ihre Flughöhe ein bisschen zu hoch, aber ihre Physiognomie ist durchaus realistisch dargestellt.
Parallel wächst in Europa das wissenschaftliche Interesse an der Neuen Welt und den sie umgebenden Meeren. Flora und Fauna werden erkundet und dokumentiert. Beschreibungen des Italieners Girolamo Benzoni, der an Entdeckungsfahrten nach Peru und zu den Westindischen Inseln teilgenommen hatte, bilden die Grundlage des Bildes, das 1594 vom belgische Kupferstecher Theodor de Bry gefertigt wird. Die fliegenden Fische, die in Europa lange ein Mythos waren, sind zwar etwas groß geraten, ihre Flughöhe ein bisschen zu hoch, aber ihre Physiognomie ist durchaus realistisch dargestellt.
Kupferstich
© Max-Planck-Gesellschaft
Ein Hafen für die Mächtigen
Zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert ist die Familie der Medici aus Florenz eine der reichsten und mächtigsten Dynastien Italiens. Basis dafür ist ein florierender Textilhandel und später die Gründung eines modernen Bankenwesens.
Nach der Eroberung der neuen Welt realisieren die Medici bald, dass sie auch am Mittelmeer präsent sein müssen, wenn sie eine führende Rolle erhalten wollen. Im späteren 16. Jahrhundert bauen sie zunächst den Hafen und später auch die Stadt von Livorno aus. Die Hafenansicht, 1604 von Jacopo Ligozzi gefertigt, symbolisiert sowohl den Reichtum als auch die Macht der Medici. Die Steineinlegearbeit ist außerordentlich wertvoll, angefangen vom teuren blauen Lapislazuli, der aus Afghanistan importiert ist, bis hin zu feinsten Details, die teils mit zwei Millimeter kleinen Steinstückchen eingearbeitet sind. Die ungewöhnliche Ansicht vom Meer her zeigt aber auch, wie gut gesichert der Freihafen von Livorno war, dargestellt sind unter anderem osmanische Schiffe, die von mediceischen Booten des militärischen Orden von S. Stefano eingebracht werden.
Nach der Eroberung der neuen Welt realisieren die Medici bald, dass sie auch am Mittelmeer präsent sein müssen, wenn sie eine führende Rolle erhalten wollen. Im späteren 16. Jahrhundert bauen sie zunächst den Hafen und später auch die Stadt von Livorno aus. Die Hafenansicht, 1604 von Jacopo Ligozzi gefertigt, symbolisiert sowohl den Reichtum als auch die Macht der Medici. Die Steineinlegearbeit ist außerordentlich wertvoll, angefangen vom teuren blauen Lapislazuli, der aus Afghanistan importiert ist, bis hin zu feinsten Details, die teils mit zwei Millimeter kleinen Steinstückchen eingearbeitet sind. Die ungewöhnliche Ansicht vom Meer her zeigt aber auch, wie gut gesichert der Freihafen von Livorno war, dargestellt sind unter anderem osmanische Schiffe, die von mediceischen Booten des militärischen Orden von S. Stefano eingebracht werden.
Steinlegearbeit
© Uffizien
Im Eismeer gescheitert
Caspar David Friedrich weiß um die Schrecken des Meeres. In Greifswald geboren und aufgewachsen, kennt er die See nicht nur von ihrer lieblichen Seite, sondern ebenso ihre zerstörerischen Kräfte. Sein Gemälde „Das Eismeer“ entsteht 1823/24. Zu dieser Zeit ist die Welt zu weiten Teilen entdeckt und erforscht. Eine der letzten großen Herausforderungen bleibt die Erkundung der Pole.
1818/19 hat sich der Brite William Edward Parry auf eine Polarexpedition begeben, die in der Öffentlichkeit viel Beachtung findet. Möglicherweise haben Schilderungen von dieser Forschungsreise den Maler inspiriert. Während die britischen Schiffe heil wieder heimkehrten, thematisiert Friedrich in seinem Bild das Scheitern und die begrenzten Möglichkeiten des Menschen gegenüber der übermächtigen Natur.
1818/19 hat sich der Brite William Edward Parry auf eine Polarexpedition begeben, die in der Öffentlichkeit viel Beachtung findet. Möglicherweise haben Schilderungen von dieser Forschungsreise den Maler inspiriert. Während die britischen Schiffe heil wieder heimkehrten, thematisiert Friedrich in seinem Bild das Scheitern und die begrenzten Möglichkeiten des Menschen gegenüber der übermächtigen Natur.
Gemälde
© Hamburger Kunsthalle / gemeinfrei
Meer erleben
Die Erfindung der Dampfmaschine verändert die Beziehung der Menschen zum Meer. Überall in Europa wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Eisenbahnnetz ausgebaut. Aus Städten fernab der Küsten reisen Bürger ans Meer. Der Strand wird zum Sehnsuchtsort für Stadtbewohner, die der Hektik, dem Lärm und der schlechten Luft entfliehen.
Der Maler Gustave Courbet, der im Jura aufwuchs und lange Zeit in Paris lebt, flüchtet noch aus anderen Gründen ans Meer. In Paris ist er politisch aktiv und kommt immer wieder in Konflikt mit der Obrigkeit. So zieht er sich in die Normandie zurück, wo er zumindest in Ruhe malen und gutes Geld verdienen kann. In nur wenigen Jahren entstehen rund 60 Gemälde mit Wellen und Brandung, die reißenden Absatz finden. Damit können die Käufer das Meer mit zurück in die Stadt nehmen.
Der Maler Gustave Courbet, der im Jura aufwuchs und lange Zeit in Paris lebt, flüchtet noch aus anderen Gründen ans Meer. In Paris ist er politisch aktiv und kommt immer wieder in Konflikt mit der Obrigkeit. So zieht er sich in die Normandie zurück, wo er zumindest in Ruhe malen und gutes Geld verdienen kann. In nur wenigen Jahren entstehen rund 60 Gemälde mit Wellen und Brandung, die reißenden Absatz finden. Damit können die Käufer das Meer mit zurück in die Stadt nehmen.
Gemälde
© gemeinfrei
Anstalten zum Baden
So beliebt Strandferien im 19. Jahrhundert sind, so schwierig macht es die prüde Moral der Zeit, tatsächlich zum Baden zu gehen. Die Idee des Badetourismus stammt ursprünglich aus England, Scarborough an der Nordseeküste wird zum ersten Seebad, als in den 1660er-Jahren eine Heilquelle entdeckt wird. Von dort aus kommt Urlaub am Meer in Mode. Ab 1736 beginnt man dort „bathing machines“ einzusetzen. Die Umkleidekabine auf Rädern ermöglicht es vor allem Damen, ungesehen im offenen Meer zu baden. Dazu werden die Karren mit Pferden ins Wasser gezogen und so geparkt, dass die Badenden zur Meerseite hin aussteigen können.
In Deutschland tauchen um 1800 auf Norderney und in Travemünde die ersten Badekarren auf. Doch bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen zunehmend Badeanstalten, die der Ära der Badekarren ein Ende setzen.
In Deutschland tauchen um 1800 auf Norderney und in Travemünde die ersten Badekarren auf. Doch bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen zunehmend Badeanstalten, die der Ära der Badekarren ein Ende setzen.
Fotografie
© gemeinfrei
Überfahrt voller Hoffnung
Mit dem Bild von einem überfüllten Flüchtlingsboot vor der lybischen Küste gewinnt Massimo Sestini 2015 einen der begehrten Auszeichnungen zum World Press Photo of the Year. Das Bild besticht durch seine Schönheit und wirkt doch oder gerade dadurch verstörend.
Allein im Jahr 2014, als die Aufnahme entsteht, wagen 219.000 Menschen die Flucht übers Mittelmeer, 3.500 Männer, Frauen und Kinder sterben auf diesem gefährlichen Weg. Für die Passagiere auf diesem Bild gibt es ein Happy End: Kurz nachdem Massimo Sestini die Szene aus einem Hubschrauber heraus festgehalten hat, werden sie von einer italienischen Fregatte aufgenommen.
Die Gewissheit der nahen Rettung spiegelt sich in den Gesichtern wider, was dem Bild trotz der dramatischen Umstände eine positive Atmosphäre verleiht. Die Wirkung des Bildes gründet sich jedoch auch auf eine lange Geschichte der Meeresbilder: So steht das Schiff traditionell für Hoffnung und für den Aufbruch in eine bessere Welt – allen Gefahren des Meeres zum Trotz.
Allein im Jahr 2014, als die Aufnahme entsteht, wagen 219.000 Menschen die Flucht übers Mittelmeer, 3.500 Männer, Frauen und Kinder sterben auf diesem gefährlichen Weg. Für die Passagiere auf diesem Bild gibt es ein Happy End: Kurz nachdem Massimo Sestini die Szene aus einem Hubschrauber heraus festgehalten hat, werden sie von einer italienischen Fregatte aufgenommen.
Die Gewissheit der nahen Rettung spiegelt sich in den Gesichtern wider, was dem Bild trotz der dramatischen Umstände eine positive Atmosphäre verleiht. Die Wirkung des Bildes gründet sich jedoch auch auf eine lange Geschichte der Meeresbilder: So steht das Schiff traditionell für Hoffnung und für den Aufbruch in eine bessere Welt – allen Gefahren des Meeres zum Trotz.
Fotografie
© Massimo Sestini
Von Seeungeheuern, Meerespolitik und maritimen Sehnsuchtsorten
Fabelweltmeer
Zu neuen Ufern
Ein Hafen für die Mächtigen
Im Eismeer gescheitert
Meer erleben
Anstalten zum Baden
Überfahrt voller Hoffnung