Essensreste im Zahnstein

Zahnstein von Schimpansen gibt Aufschluss über Ernährung und Verhalten der Tiere

19. Oktober 2015

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben die im Zahnstein von verstorbenen Schimpansen enthaltenen Pflanzenreste analysiert und daraus Informationen über das Ernährungsverhalten der Tiere gewonnen. Die dem Zahnstein entnommenen Pflanzenbestandteile stimmen mit den Nahrungsdaten überein, die während der letzten zwanzig Jahre im Rahmen des Taï-Schimpansenprojektes an der Elfenbeinküste von frei lebenden Schimpansen gesammelt wurden. Darüber hinaus lassen sie Rückschlüsse auf im Leben eines Individuums wichtige Ereignisse zu. Bei größeren Populationen, in denen es unmöglich ist, einzelne Tiere über einen längeren Zeitraum hinweg direkt zu beobachten, bleiben solche Episoden sonst größtenteils verborgen.

Schimpansen werden als unsere nächsten lebenden Verwandten oft von Wissenschaftlern herangezogen, um mehr über das Verhalten unserer menschlichen Vorfahren zu erfahren. Doch das Verständnis fundamentaler Verhaltensweisen, wie zum Beispiel der Ernährung, ist eingeschränkt, denn es basierte bisher fast ausschließlich auf der direkten Beobachtung der Tiere bei der Nahrungsaufnahme. Diese Beobachtungen geben zwar wertvolle Einblicke, zeigen aber nur einen kleinen Ausschnitt der Verhaltensweisen eines Tieres im Laufe seines Lebens.

„In unserer Studie vergleichen wir die Informationen, die uns die Zusammensetzung des Zahnsteins der Tiere verrät, mit den gesammelten Langzeitdaten aus der Beobachtung frei lebender Schimpansen im Taï-Nationalpark“, sagt Erstautor Robert Power vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Dazu analysierten die Forscher den Zahnstein von 24 verstorbenen Taï-Schimpansen und rekonstruierten anhand seiner Zusammensetzung aus Pflanzenteilen (Phytolithen und Stärkepartikeln) die Ernährung der Tiere. Auch wichtige Ereignisse im Leben der Tiere, wie die Entwöhnung von Schimpansenkindern oder das Erlernen besonderer Fähigkeiten, wie etwa das Knacken von Nüssen, spiegelt sich im Zahnstein wider.

Diese Studie ist eine der ersten, die bestätigt, dass Zahnsteinanalysen wesentliche Informationen zur Erforschung von Ernährungsweisen beitragen können, vor allem bei isoliert lebenden oder in nicht an den Menschen gewöhnten Primatengruppen. Auch die Ernährung ausgestorbener Menschenformen, deren Verhalten nicht mehr beobachtet werden kann, kann mit dieser Methode untersucht werden. Darüber hinaus könnte die Untersuchung von Zahnstein bei der Rekonstruktion von Ernährungsgewohnheiten in den Bereichen Primatologie und Humanevolution zukünftig eine wichtige Rolle spielen. „Zahnstein ist als Speicher von Ernährungsgewohnheiten nützlicher, aber auch komplexerer als bisher angenommen“, sagt Power.

SJ/HR

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