SINFONI eröffnet astronomisches Beobachtungskonzert

Neues Instrument am Very Large Telecope (VLT) ermöglicht dreidimensionale Weltall-Beobachtungen mit bisher unerreichter Präzision

24. August 2004

Die erfolgreiche Inbetriebnahme des neuen SINFONI-Instruments, mit dem das Weltall mit bisher unerreichter Bildschärfe in drei Dimensionen erforscht werden kann, haben jetzt Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) gemeinsam mit Kollegen der Europäischen Südsternwarte (ESO) und des Niederländischen Forschungsinstitut für Astronomie (NOVA) gefeiert. Der "Spectrograph for Integral Field Observation in the Near-Infrared" (SINFONI) ist das erste Gerät seiner Art, das an einem modernen Großteleskop fest installiert ist: Am Abend des 9. Juli 2004 haben die Detektoren von SINFONI zum ersten Mal das Weltall durch das 8.2 Meter Yepun-Teleskop des Very Large Telescope der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste betrachtet. Mit seiner adaptiven Optik erreicht SINFONI eine Detailtreue, wie sie sonst nur vom Weltall aus möglich ist, und sein Spektrometer kann dann das Licht eines jeden seiner über 2.000 Bildpunkte in seine spektrale Anteile zerlegen. Die ersten Einblicke in das Galaktische Zentrum unserer Milchstraße sowie in mehrere Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxien sind überaus spektakulär und geben einen Vorgeschmack, auf welche Weise SINFONI zur weiteren Erforschung des Weltalls beitragen wird.

SINFONI besteht aus zwei Teilen, dem abbildenden Spektrometer SPIFFI (Spectrometer for Infrared Faint Field Imaging) und der Adaptiven Optik MACAO (Multi Application Curvature Adaptive Optics). Abb. 1 zeigt das Instrument bei der Inbetriebnahme am VLT Teleskope der Europäischen Südsternwarte.

SPIFFI wurde am Max-Planck-Institut für extraterrestrischen Physik in Garching in Zusammenarbeit mit dem Niederländischen Forschungsinstitut für Astronomie (NOVA) und der Europäischen Südsternwarte (ESO) entwickelt. Die adaptive Optik ist eine Entwicklung der ESO. Mit SPIFFI kann mit einer einzigen Aufnahme für jeden seiner 64 x 32 Bildelemente ein Spektrum analysiert werden. Das Herz von SPIFFI ist der so genannte Bildzerleger, mit dem ein Himmelsfeld mit Spiegeln in 32 kleine Streifen zerschnitten wird, die dann gleichzeitig in einem Spektrometer analysiert werden. Die spektrale Analyse erfolgt im Infraroten bei einer Wellenlänge von 1 - 2.5 Mikrometer. Da bei diesen Wellenlängen die thermische Strahlung der Umgebung das Instrument blenden würde, wird das gesamte Spektrometer mit flüssigem Stickstoff auf -195° C abgekühlt.

Die Adaptive Optik MACAO von SINFONI basiert auf einem verformbaren Spiegel, der mit einer Frequenz von mehreren Hundert Herz die von der Luftunruhe über dem Teleskop erzeugte Unschärfe korrigiert. Damit wird die Bildschärfe nur noch durch die Größe des VLT-Teleskops begrenzt, dessen Spiegel-Durchmesser acht Meter beträgt. Die Sensoren der adaptiven Optik können jedes einzelne Lichtteilchen detektieren. Auf diese Weise reichen sogar noch Sterne mit einer Helligkeit von 17.5 Größenklassen, um etwa zehnfach schärfere Bilder aufzunehmen, als es ohne adaptive Optik möglich wäre. Solche Sterne sind circa 10.000 mal schwächer als jene, die man gerade noch mit dem menschlichen Auge sehen kann. Damit stellt SINFONI einen neuen Weltrekord in der adaptiven Optik auf.

Schon in den ersten Nächten nach der Inbetriebnahme von SINFONI konnten die Forscher Aufnahmen vom Galaktischen Zentrum sowie von mehrere Milliarden Lichtjahren entfernten Galaxien in bisher unerreichter Qualität aufnehmen. So untersuchten die Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in einer der ersten SINFONI-Messungen die unmittelbare Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxis. Solche Untersuchungen wären bei optischen Wellenlängen unmöglich, da dichte Staubwolken den Blick auf das galaktische Zentrum verdecken. Für Infrarotlicht hingegen sind die Wolken durchsichtig und der Blick auf das galaktische Zentrum ist frei. Abb. 2 zeigt die unmittelbare Umgebung des Galaktischen Zentrums.

Zum ersten Mal konnten die Spektren der Sterne aufgenommen werden, die eine Helligkeit von nur 16 Größenklassen besitzen (Abb. 2). In vielen dieser Spektren fanden sich Infrarot-Absorptionslinien von Wasserstoff. Dieses Ergebnis bestätigt, dass diese Sterne im Zentrum der Milchstrasse jünger sind als es gängige Theorien erklären können. Doch woher kommen diese jungen Sterne? Sind sie vor Ort entstanden, vielleicht in einer extrem dichten, zirkumnuklearen Molekülwolke? Stammen sie aus einem massereichen jungen Sternhaufen und wurden dann von Schwarzen Löchern moderater Masse ins Zentrum abgelenkt? Oder sind sie durch den Zusammenschluss von Sternen geringerer Masse entstanden? Noch bleibt der Ursprung dieser Sterne rätselhaft. Doch die Forscher hoffen, diese Fragen durch die genaue Messung der Sternbewegungen - wie sie mit den SINFONI-Spektren möglich ist - beantworten zu können.

Das galaktische Zentrum dient auch als Testlabor, um die Physik von Galaxienkernen und insbesondere der supermassiven Schwarzen Löcher in ihren Zentren besser zu verstehen. So haben die Garchinger Forscher während ihrer Messungen am 15. Juli zum ersten mal das Spektrum eines infraroten "Flares" beobachten können (vergrößertes Bild in Abb. 2). Dieser Flare stammt wahrscheinlich von Gas, das ein letztes Mal aufloderte, bevor es hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs verschwand. Solche Flares hatte die Garchinger Arbeitsgruppe bereits vor einem Jahr entdeckt, aber erst die spektrale Analyse wird jetzt die Prozesse entschlüsseln helfen, die für das plötzliche Aufleuchten verantwortlich sind.

Mit einer Entfernung von rund 25.000 Lichtjahren befindet sich das galaktische Zentrum noch in unserer kosmischen Nachbarschaft. Hingegen war das Licht des Galaxienpaars BX404/405 zehn Milliarden Jahre unterwegs, bis es in den frühen Morgenstunden des 16. Juli schließlich von SINFONI aufgezeichnet wurde (Abb. 3). Galaxien sind die grundlegenden Bausteine des Universums, doch über ihre Entstehung und Entwicklung ist nur wenig bekannt. Die Frage nach dem Zeitpunkt lässt sich inzwischen beantworten: Das Gros der Gasmasse einer typischen Galaxie hat sich vor etwa 8 bis 11 Milliarden Jahren zusammengeballt. Doch wirklich entscheidend ist die Frage, auf welche Weise die Galaxien entstanden sind. Beobachtet man die am weitesten entfernten Galaxien im All, so öffnet sich durch die lange Lichtlaufzeit ein direktes Fenster in das frühe Universum. So sehen wir das Galaxienpaar BX404/405 heute in einem Zustand, wie es drei Milliarden Jahre nach dem Urknall war, zu einer Zeit, als das Universum ein Viertel seines heutigen Alters hatte - und als das Galaxienwachstum seinen Höhepunkt erreicht hatte. Neben dem bekannten Galaxienpaar konnte mit SINFONI jetzt sogar noch eine dritte, lichtschwächere Galaxie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft entdeckt werden. Abb. 3 zeigt die drei Galaxien im Abstand von 3 bis 4 Bogensekunden, was einem Abstand von rund 100.000 Lichtjahren entspricht.

Die Spektren der drei Galaxien belegen, dass sich deren Geschwindigkeiten nur um wenige Hundert Kilometer pro Sekunde unterscheiden - vergleichbar mit der Umlaufgeschwindigkeit der Sonne in der Milchstrasse. Mit SINFONI wird es nun erstmals möglich, das Geschwindigkeitsfeld der einzelnen Galaxien zuverlässig abzuleiten, indem man die Rotverschiebung wohlbekannter Spektrallinien misst. Dadurch können die Forscher erstmals direkt die Massen der einzelnen Komponenten berechnen: Je schneller die Rotation, desto massereicher ist die Galaxie. Die Spektren von verschiedenen Regionen von BX405 unterscheiden sich um etwa 70 km/s (rechtes oberes Spektrum in Abb. 3), was auf eine Masse von etwa 10 Milliarden Sonnenmassen schließen lässt - rund einem Zehntel der Masse der Milchstrasse. In ihrer Gesamtheit deuten die Spektren von BX404/405 darauf hin, dass die drei Objekte einen zusammenhängenden Komplex von etwa 100 Milliarden Sonnenmassen bilden und mit großer Wahrscheinlichkeit schließlich zu einem einzigen Objekt verschmelzen werden. Schon vor 10 Milliarden Jahren haben die Galaxien also damit begonnen, sich zu jenen großen Nachfolgern zu vereinen, die wir heute als massereiche elliptische Galaxien vorfinden.

Zur Redakteursansicht