Seilroboter mit Passagier

Max-Planck-Forscher nehmen neuen Bewegungssimulator in Betrieb

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen wollen einen neuentwickelten Seilroboter künftig als Bewegungssimulator einsetzen. Der an Seilen aufgehängte Roboter kann auch Menschen transportieren und setzt damit neue Maßstäbe für Bewegungssimulationen. Er soll in Zukunft in der Abteilung Wahrnehmung, Kognition und Handlung von Heinrich Bülthoff genutzt werden. Der Prototyp wird am 16. September 2015 auf der Driving Simulation Conference & Exhibition in Tübingen erstmals vorgestellt.

An acht Drahtseilen ist der Roboter in einer Halle aufgehängt – jedes Seil wird von einem starken Motor angetrieben, wodurch insgesamt 473 PS zusammenkommen. Weltweit gibt es derzeit keine vergleichbaren Aufbauten. Die verspannte Gondel besteht aus Kohlefaserstäben, die extra für diesen Zweck angefertigt wurden.

Der Bewegungssimulator kann beliebig gesteuert werden: Zu einer wilden Achterbahnfahrt ansetzen und den kompletten Raum von fünf mal acht mal fünf Metern ausnutzen, oder aber Bewegungen vollführen, die der Passagier überhaupt nicht bemerkt. Durch die komplizierte Seilkonstruktion kann er sich dabei an beliebige Punkte im Raum bewegen und damit sehr komplexe Bewegungsabläufe realistisch nachahmen. Ein virtueller Flugzeugstart fühlt sich dadurch realer an, da der Simulator einen größeren Raum zur Verfügung hat, um die Bewegungen zu simulieren.

Durch seinen Aufbau ist der Seilroboter als Bewegungssimulator vielseitig einsetzbar: von hochdynamischen Bewegungen bei Rennsimulationen oder Helikopterflügen bis hin zu kaum merklichen Bewegungen an der menschlichen Wahrnehmungsschwelle innerhalb wissenschaftlicher Experimente. Auch ein medizinischer Nutzen ist für Heinrich Bülthoff denkbar: „Dieser Simulator bietet uns völlig neue Möglichkeiten, die Bewegungswahrnehmung und eine mögliche Anwendung in der neurologischen Forschung bei Gleichgewichtsstörungen zu untersuchen.“

Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik hat den Roboter in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart entworfen und umgesetzt. Den Wissenschaftlern ist dabei eine entscheidende Weiterentwicklung der Technologie gelungen: Erstmals kann ein an Seilen aufgehängter Roboter auch Menschen transportieren und setzt damit neue Maßstäbe für Beschleunigung, Bewegungsraum und Nutzlast bei Bewegungssimulationen.

Auch die Software, die die Bewegungsabläufe des Roboters steuert, haben die Wissenschaftler selbst geschrieben. Die gesamte Sicherheitstechnik ist so konzipiert, dass der Roboter selbst bei Programmierfehlern nicht abstürzen kann. „Mit der Entwicklung des Seilsimulators am MPI für biologische Kybernetik demonstrieren wir erstmals die Zuverlässigkeit von Seilrobotern für sicherheitskritische Anwendungen wie den Personentransport und wie sich Anlagen mit sehr hoher Leistung und großem Arbeitsraum realisieren lassen“, erklärt Philipp Miermeister, der am Fraunhofer IPA der Arbeitsgruppe für Seilrobotik von Junior-Professor Andreas Pott angehört und in der zweijährigen Zusammenarbeit beider Institute die Konzeption und Umsetzung des Simulators mit viel Know-how mitgestaltet hat.

Die Kooperation zwischen Fraunhofer- und Max-Planck-Instituten hat bereits Tradition. „Mit dem Seilsimulator haben die Wissenschaftler beider Institute wieder einmal gezeigt, wie die Kombination aus Grundlagenforschung und industrienaher Technologieentwicklung zu innovativen Produkten führen kann“, so Thomas Bauernhansl, Institutsleiter des Fraunhofer IPA.

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