Stress schwächt Verknüpfung von Nervenzellen

Forscher weisen erstmals die Rolle des Zellverbindungsproteins Nectin-3 bei stressbedingten Lern- und Gedächtnisdefiziten nach und zeigen durch die Umkehr des Mechanismus eine mögliche Behandlungsstrategie auf

Stärke und Anzahl von Synapsen sind entscheidend für die Funktion des Gehirns. Forscher um Mathias Schmidt vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie konnten nun nachweisen, dass die Menge des Strukturproteins Nectin-3, das zur Stabilisierung der synaptischen Nervenzellkontakte beiträgt, durch frühkindlichen Stress verringert wird. Die Auswirkungen eines geringeren Nectin-3-Spiegels sind langfristige kognitive Defizite. Durch die künstliche Zugabe von Nectin-3 konnten die Forscher diese Veränderungen, die durch Stress ausgelöst werden, an den Nervenzellen reparieren und die damit einhergehenden kognitiven Defizite bei Lern- und Gedächtnisleistungen wieder ausgleichen. Damit eröffnen sich neue Behandlungsansätze für stressinduzierte psychiatrische Erkrankungen, wie beispielsweise der Depression.

„Bisher war bekannt, dass Stress negative Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben kann, vor allem auf unser Gedächtnis“, erklärt Mathias Schmidt, Leiter der Studie. „Das Neue ist, dass wir mit Nectin-3 ein Schlüsselprotein identifizieren konnten, das die Auswirkungen von Stress auf die Qualität der Nervenzellverbindungen bestimmt.“

Nectin-3 ist eines von mehreren Zelladhäsionsmolekülen, die Zellen miteinander verbinden. Im Gehirn kommt es vor allem an den Synapsen vor, den Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen. Im Falle von Nectin-3 interessierte die Wissenschaftler, ob dessen Bildung durch den bereits bekannten Corticotropin-Releasing Hormone (CRH)- Stressmechanismus reguliert wird und wie die Menge von Nectin-3 mit gestörtem Lern- oder Erinnerungsvermögen zusammenhängt.

Durch den Vergleich des Gehirnstoffwechsels und des Verhaltens von gentechnisch veränderten mit normalen Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass Tiere mit auffälligen kognitiven Defiziten und gesteigerter Produktion von CRH, weniger Nectin-3 im Hippocampus, einer für das Gedächtnis zentralen Region, haben. Dies führte zu einem signifikanten Verlust von Nervenzellkontakten, der mit Gedächtnisstörungen und depressionsähnlichem Verhalten verbunden war.

Mathias Schmidt erklärt dazu: „Die Bedeutung des Neuropeptids CRH für die Stressregulation wurde bereits in früheren Studien ausführlich beschrieben. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse bestätigen diese Einschätzung und zeigen am Beispiel von Nectin-3 eine neue Ebene, über die CRH auf unsere Gehirnfunktion einwirkt.“

Besondere Bedeutung kommt der Arbeit der Wissenschaftler zu, da sie in der Lage waren, die negativen Effekte des Nectin-3-Mangels umzukehren. Durch die gezielte Überexpression von Nectin-3 in Mäusen konnten sie den durch Stress verursachten Verlust an Nervenzellkontakten – und damit der Lernfähigkeit – wieder vollständig ausgleichen. „Die Fragestellung ist jetzt, ob es gelingt Medikamente zu entwickeln, die gezielt die Bildung von Nectin-3 verstärken und damit für verschiedenste psychiatrische Erkrankungen, wie beispielsweise der Volkskrankheit Depression, einen neuen Behandlungsansatz ermöglichen“, sagt Mathias Schmidt.

MG/BA

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