Die Köpfe des Röntgenlasers

Andrea Cavalleri und Henry Chapman sind Gründungsdirektoren am CFEL

18. Februar 2008

Die Physiker Andrea Cavalleri und Henry Chapman sind die Leiter der ersten beiden Abteilungen der Forschungsplattform CFEL, des Center of Free-Electron Laser Science, am DESY in Hamburg. Andrea Cavalleri, der derzeit an der Universität Oxford forscht und lehrt, ist dem Ruf an die Universität Hamburg gefolgt. Die Berufung wurde gemeinsam von der Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft nach den Qualitätskriterien der Max-Planck-Gesellschaft durchgeführt. Er wird dort in den nächsten Monaten eine der beiden Abteilungen der gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft und Hamburg finanzierten Max-Planck-Forschungsgruppe aufbauen. Henry Chapman forschte bislang am Lawrence Livermore National Laboratory im US-amerikanischen Livermore und leitet am CFEL nun die erste von drei Abteilungen, die das Deutsche Elektronen Synchrotron (DESY) dort mit der Universität Hamburg einrichten wird.

Mit dem Center of Free-Electron Laser Science werden DESY, die Max-Planck-Gesellschaft und die Universität Hamburg gemeinsam das Forschungspotenzial des Röntgenlasers X-FEL ausloten. Der X-FEL wird Wissenschaftlern ab dem Jahr 2013 völlig neue Einblicke in die molekulare Welt verschaffen und so in vielen naturwissenschaftlichen Disziplinen neue Erkenntnisse bringen: in der Medizin, der Biologie, der Physik, der Atmosphärenforschung, der Chemie und der Materialwissenschaft. Er erlaubt nicht nur Prozesse zu untersuchen, die wie einzelne Schritte chemischer Reaktionen nur einige Femtosekunden, Millionstel Bruchteile einer Milliardstel Sekunde, dauern. Dank seiner kurzen Wellenlänge lassen sich mit X-FEL auch sehr feine Strukturen auflösen, die Forschern bislang verborgen bleiben. Seine hohe Intensität ermöglicht es Wissenschaftlern zudem, etwa die Struktur eines Proteins schon anhand eines einzigen Moleküls aufzuklären.

Die Max-Planck Forschungsgruppe, neben der die Max-Planck-Gesellschaft am CFEL auch eine Advanced Study Group einrichtet, wird zwei Abteilungen und drei selbständige Nachwuchsgruppen umfassen. Sie wird die Potenziale und Grenzen des Röntgenlasers auf dem Gebiet der strukturellen Dynamik erforschen, was sich auch in ihrem Namen widerspiegeln wird. "Die Forschungsgruppe wird "Max Planck Research Group on Structural Dynamics" heißen", sagt Andrea Cavalleri.

Auf dem Gebiet der strukturellen Dynamik ist Cavalleri ein weltweit führender Wissenschaftler. Mithilfe der Röntgenspektroskopie beobachten er und seine Mitarbeiter, wie sich Strukturen von Festkörpern bei Phasenübergängen verändern. Als Phasenübergang bezeichnen Physiker einen Prozess, in dem sich eine oder mehrere physikalische Eigenschaften eines Materials verändern. Wenn es etwa schmilzt, vom Isolator zum metallischen Leiter oder gar Supraleiter wird. "Bei den Phasenübergängen, die wir betrachten, ändern sich meistens gleich mehrere Eigenschaften", so Cavalleri.

Oft lassen sich Phasenübergänge durch eine Temperaturveränderung, eine Änderung des Magnetfeldes oder eine Dotierung bewirken. Beim Dotieren mischen Physiker in einen Festkörper Spuren von Substanzen, die positive oder negative Ladungsträger mitbringen und die elektronischen Eigenschaften beeinflussen. "Wir imitieren die Dotierung mit Lichtpulsen, die ebenfalls die elektronischen Eigenschaften verändern", sagt Cavalleri. So beschleunigen er und seine Mitarbeiter den Phasenübergang rapide.

"Dann betrachten wir mit sehr kurzen und energiereichen Pulsen, wie sich die Eigenschaften ändern", sagt Cavalleri. Und zwar nicht nur, wie diese vor und nach dem Phasenübergang aussehen. Diese statischen Untersuchungen machen Physiker schon sehr lange. "Wir betrachten die Dynamik, also wie sich die Eigenschaft mit der Zeit verändert", so Cavalleri. Da die experimentellen Techniken dafür noch nicht ausgereift sind, entwickeln er und seine Mitarbeiter auch die notwendigen Methoden. Damit wird er nun am CFEL fortfahren. "Mit dem Röntgenlaser gewinnen wir dank seiner Brillanz, seiner extrem kurzen Pulse und der hohen Energien deutlich detailliertere Informationen über diese Prozesse als mit herkömmlichen Röntgenquellen", sagt der gebürtige Italiener, der in Essen promoviert hat.

Doch nicht nur die wissenschaftlichen Perspektiven, die der Röntgenlaser eröffnet, haben Cavalleri nach Hamburg gelockt: "Dort werden sich Wissenschaftler aus den verschiedenen Disziplinen versammeln, die biologische, chemische und physikalische Dynamik untersuchen", sagt Cavalleri: "Ich glaube, das wird eine sehr fruchtbare Atmosphäre sein, in der man auch wissenschaftlich riskante Dinge ausprobieren kann." In den kommenden Monaten wird er nun seine Abteilung in der Max-Planck Forschungsgruppe aufbauen. Parallel dazu werden die Max-Planck-Gesellschaft und die Universität Hamburg das Berufungsverfahren für die zweite Direktorenposition der Max-Planck-Forschungsgruppe einleiten.

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